Aalener Nachrichten

Unverdross­en streitet des Grafen Urenkel

Mit neuen Finten kämpft der Nachfahre von Ferdinand von Zeppelin um das Erbe des Luftfahrtp­ioniers

- Von Martin Hennings

- Bizarr nennt ihn der „Spiegel“, „schräg“die FAZ – den juristisch­en Streit um die rechtliche Stellung der Zeppelin-Stiftung. Seit Anfang des Jahres ist der Konflikt, den Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin und die Stadt Friedrichs­hafen seit 2015 austragen, um ein kurioses Kapitel reicher: Der Urenkel des Luftschiff­pioniers Graf Ferdinand von Zeppelin hat die Stadt am Bodensee auf 3,1 Millionen Euro verklagt. Er bezieht sich dabei auf einen Vergleich aus dem Jahr 1923. Zugleich bereiten sich alle Beteiligte­n auf die erste Auseinande­rsetzung im Stiftungss­treit vor einem Gericht vor. Am kommenden Mittwoch wird sich das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n in einer mündlichen Verhandlun­g mit der Frage befassen, ob der 69-jährige Adelige aus Mittelbibe­rach und sein Sohn Frederic überhaupt befugt sind, sich auf dem Klagewege für eine Wiederhers­tellung der Zeppelin-Stiftung in ihrer ursprüngli­chen Form einzusetze­n.

Es fällt selbst Kennern der Materie nicht leicht, in der Causa „Brandenste­in-Zeppelin vs. Friedrichs­hafen“den Überblick zu behalten. Ausgangspu­nkt ist die Einschätzu­ng des Adeligen, die von seinem Urgroßvate­r 1908 gegründete Stiftung sei 1947 zu Unrecht an die Kommune gefallen. Und seine daraus folgende Forderung, sie in ihrer ursprüngli­chen Form wiederherz­ustellen, dann ohne Zugriff der Stadt, aber mit ihm selbst und seiner Familie an mitentsche­idenden Stellen. Im Herbst 2015 haben der Adelige, der in Mittelbibe­rach auf einem Schloss wohnt, und sein Sohn Frederic genau dies bei der zuständige­n Aufsichtsb­ehörde, dem Regierungs­präsidium Tübingen, beantragt. Die hat den Antrag Ende 2016 in allen Punkten abgelehnt. Dagegen haben die beiden Nachfahren des Grafen geklagt. Am kommenden Mittwoch findet die erste mündliche Verhandlun­g in der Sache vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n statt.

Bei dem Streit geht es um Geschichte und gekränkte Ehre, um die Frage, ob und wann der Staat bei Stiftungen eingreifen darf, vor allem aber geht es um Macht und Geld. Denn der Zeppelin-Stiftung gehören 93,8 Prozent des Autozulief­erers ZF, der einen Jahresumsa­tz von knapp 37 Milliarden Euro hat, und 100 Prozent des Baumaschin­enhändlers Zeppelin

GmbH (Umsatz: knapp drei Milliarden Euro). Seit 1947 ist sie rechtlich nicht mehr selbststän­dig, sondern wird als kommunales Sonderverm­ögen von der Stadt Friedrichs­hafen geführt. Die Kommune hat aus den Erträgen von ZF und Zeppelin im vergangene­n Jahr mehr als 100 Millionen Euro für gemeinnütz­ige und mildtätige Zwecke in der 60 000-EinwohnerS­tadt am See ausgegeben. Unter anderem werden die kommunalen Aufwendung­en für die Kindergärt­en Friedrichs­hafens von der ZeppelinSt­iftung

bezahlt. Diese Praxis nennt Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin „Missbrauch der Zeppelin-Stiftung und eine Veruntreuu­ng von Stiftungsg­eldern“, die dem Willen seines Urgroßvate­rs widersprec­he. 1947 war die Stiftung an die Stadt gefallen, weil der eigentlich­e Stiftungsz­weck – der Bau von Luftschiff­en – den Behörden, so begründete­n sie damals, kurz nach dem Kriegsende nicht mehr möglich schien. Der Graf selbst hatte 1908 verfügt, dass das Vermögen in dem Fall an die Kommune fällt, „zu wohltätige­n Zwecken“. Der Einschnitt im Jahre 1947 sei illegal gewesen, so der Nachfahre des Luftschiff­pioniers, weil man damals und heute erst recht sehr wohl Forschung in dem Bereich hätte fördern können. Die Stadt nennt die Vorwürfe aus Mittelbibe­rach „völlig haltlos“. Seit 2015 tobt der Streit der Juristen, allein die Kommune hat dafür bislang nach eigenen Angaben rund 1,5 Millionen Euro ausgegeben.

Vor diesem Hintergrun­d ist die aktuelle Klage zu sehen, für die die 2. Zivilkamme­r des Landgerich­ts Ravensburg zuständig ist. Brandenste­in-Zeppelin bezieht sich darin auf einen Vergleich zwischen der Stiftung und der Stifterfam­ilie aus dem Jahr 1923. Der regelt – vereinfach­t gesagt – die finanziell­e Beteiligun­g der Familie an bestimmten Ausschüttu­ngen und anderen finanziell­en Transaktio­nen der Zeppelin-Stiftung. Im Zuge eines Verkaufs von ZF-Aktien aus dem Besitz der Familie (immerhin 7,5 Prozent der Anteile am Zulieferer) an eine zwischenge­schaltete Bank und von dort an den Konzern selbst im Jahre 1990 hatte Brandenste­in-Zeppelin zwar schriftlic­h auf alle Ansprüche in diese Richtung verzichtet. Doch dieser Verzicht sei nichtig, weil der Aktienkauf­vertrag sittenwidr­ig zustande gekommen sei. Denn laut Brandenste­inZeppelin habe die Stadt seine damals angespannt­e finanziell­e Situation ausgenutzt und die Aktien für knapp 100 Millionen Euro kaufen lassen, erheblich unter dem Marktwert von 230 Millionen Euro, den die Deutsche Bank festgestel­lt habe. Dies sei Wucher gewesen und damit juristisch sittenwidr­ig. Zwar sei sein Anspruch auf die Aktien mittlerwei­le verjährt, nicht aber der auf die regelmäßig­en Dividenden-Ausschüttu­ngen aus dem Vergleich von 1923. Hier betrage die Verjährung­sfrist drei Jahre. Der Anspruch aus dem Vergleich von 1923 sei dann gültig, wenn die Verzichtse­rklärung von 1990 ungültig sei. Und so klagt er für die Jahre 2016 bis 2018 vor dem Landgerich­t Ravensburg auf 3,1 Millionen Euro aus den ZF-Dividenden. Er nennt den Schritt „mein gutes Recht. Diese Klage hat nichts zu tun mit der Klage auf Restitutio­n der Zeppelin-Stiftung“vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n. Denn beim Kampf um die Stiftung habe er „kein merkantile­s Interesse“.

Der Stadt Friedrichs­hafen liegt die Klage bislang nicht vor. Sie nennt sie „überaus rätselhaft“. Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin sei 1990 nur als Verhandlun­gsführer der Familie aufgetrete­n. Nach den Unterlagen des Rathauses sei er „nie Eigentümer dieser Familienak­tien“gewesen. Zudem habe Helene von Brandenste­in-Zeppelin, die Tochter des Grafen, den Vater von Albrecht von Brandenste­inZeppelin enterbt. Der Aktienverk­auf sei das Ergebnis „normaler Verhandlun­gen“gewesen. „Der Vorwurf der Sittenwidr­igkeit ist haltlos und unbegründe­t“, schreibt die Stadtverwa­ltung in einer Stellungna­hme.

Wann in der Sache verhandelt und entschiede­n wird, steht noch nicht fest. Sicher ist, dass sich das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n am kommenden Mittwoch mit der Klage der beiden Nachfahren des Luftschiff­pioniers auf Wiederhers­tellung der alten Zeppelin-Stiftung befassen wird. Ein erster Termin im Sommer war ausgefalle­n, weil ein Anwalt der Kläger hitzebedin­gte Gesundheit­sgefahren geltend gemacht hatte. Inhaltlich wird es nur um die Frage gehen, ob Albrecht und Frederic von Brandenste­in-Zeppelin überhaupt klagebefug­t sind. Die Stadt verneint das komplett: „Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin hatte und hat keinerlei Rechte an der Zeppelin-Stiftung“, sagt Oberbürger­meister Andreas Brand.

Die Stadt lehnt auch die von den Klägern immer wieder ins Spiel gebrachten Verhandlun­gen in der Sache ab. Für einen Vergleich gebe es keine Grundlage, zudem habe die Familie sich wiederholt an solche Vergleiche nicht gebunden gefühlt. Mehr noch: Die Stadt dürfe aus rechtliche­n Gründen gar kein wie auch immer geartetes Abkommen in der Sache schließen, weil sie „an das geltende Recht gebunden“sei, so Christoph Schönberge­r, Jura-Professor in Konstanz und Rechtsbeis­tand der Stadt. Man könnte „daher lediglich Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin irgendwelc­he persönlich­e Vorteile dafür verspreche­n, dass er seine Klagen zurückzieh­t“, schreibt Schönberge­r. „Die Tatsache, dass der Kläger offenbar genug Zeit und Geld hat, um absurde Rechtsstre­itigkeiten vom Zaun zu brechen, darf nicht dazu führen, dass die Stadt davon abrückt, die Erträge der Zeppelin-Stiftung allein zum Wohle der Bürgerinne­n und Bürger Friedrichs­hafens einzusetze­n.“

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Graf Ferdinand von Zeppelin als Denkmal in Friedrichs­hafen am Bodensee: Kontrollie­rt die Stadt Friedrichs­hafen zu Recht die Zeppelin-Stiftung und damit die wertvollen Unternehme­n ZF und Zeppelin, die aus den Aktivitäte­n des Zeppelin-Erfinders hervorgega­ngen sind?
FOTO: DPA FOTO: HAGEN SCHÖNHERR Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin Graf Ferdinand von Zeppelin als Denkmal in Friedrichs­hafen am Bodensee: Kontrollie­rt die Stadt Friedrichs­hafen zu Recht die Zeppelin-Stiftung und damit die wertvollen Unternehme­n ZF und Zeppelin, die aus den Aktivitäte­n des Zeppelin-Erfinders hervorgega­ngen sind?
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