Maria nimmt im Islam zentrale Position ein
Junger Theologe überrascht in Sankt Maria mit auffallenden Parallelen zwischen Koran und Bibel
(jm) - Die Besucher von Sankt Maria kamen am Montagabend nicht mehr aus dem Staunen heraus, denn was der Moslem-Theologe Samet Er über Maria, die Mutter Jesu, aus dem Koran zu erzählen wusste, war den Christen aus der Bibel nicht unbekannt. Kein Wunder, denn der Referent zeigte überraschende Parallelen auf. Zahlreiche Zuhörer beider Religionen verfolgten den Vortrag gebannt.
Samet Er bezog seine Kenntnisse aus seinem vierjährigen Studium an der Universität Tübingen, eine der ersten, die einen Lehrstuhl für IslamTheologie eingerichtet hat. Der aus der Türkei stammende Moslem zählt offensichtlich zu denen, die bereit waren, über den Koran offen zu reflektieren und klare Front gegenüber den Fundamentalisten zu beziehen.
Er promoviert gerade, schreibt Bücher über interreligiösen Dialog und ist beruflich in der Gewaltforschung tätig. So ist er also in vielerlei Hinsicht der richtige Referent, den die evangelische und katholische Erwachsenenbildung, die evangelische Kirchengemeinde Unterkochen/Ebnat, der AAkademieverein Aalen und die Kirchengemeinde Sankt Maria eingeladen hatten.
Herauspicken einzelner Koranstellen führt in die Irre
Diakon Thomas Bieg und Pfarrer Manfred Metzger mussten sich nicht lange bemühen, in ihren Grußworten Interesse zu wecken. Es war beim erwartungsvollen Publikum spürbar vorhanden. „Der Koran ist als Gesamtwerk zu verstehen, der über 23 Jahre hinweg entstanden ist“, machte Samet Er gleich zu Anfang klar. Das Herauspicken einzelner Stellen aus ihrem Zusammenhang führe in die Irre.
Dass Männer ihre Frauen schlagen sollen und dass gegenüber Ungläubigen Gewalt anzuwenden sei, müsse aus der jeweiligen Situation und Zeit sowie aus kulturellen Traditionen zu verstehen sein. Damit gab Er sich als Anhänger der historischkritischen Schule zu verstehen, wie sie in Tübingen auch in der christlichen Theologie gelehrt wird.
Wenn Maria als einzige Frau im Koran erwähnt werde und neben Mohammed und Jesus am meisten genannt werde, zeige das ihre zentrale Position. Durch ihre Auserwählung von Gott und ihre Bereitschaft, den göttlichen Willen, die Geburt Jesu, zu erfüllen, sei sie ein „Zeichen für die Welt“. Sure 21 spreche von „jener gesegneten Frau“, durch die den Menschen Gottes Gnade zu Teil werde. „Der Geschichte Mariens werden 176 und Jesus 33 Koranverse gewidmet, registrierte der Theologe.
Neuerdings würden im Islam sogar Dialoge darüber geführt, in Maria eine Prophetin zu sehen und sich der christlichen Trinitätslehre anzunähern, wusste Samet Er. In einer sogenannten „Weihnachtsliturgie Jesu“sei mehrfach vom „Friedenstag“die Rede. In der lebhaften Diskussion ging es auch um die Stellung der Frau im Islam. Mohammed habe sie, die in der heidnischen Gesellschaft nur als Objekt und als Pfand galt, das man anderen Männern verleihen konnte, zum Subjekt eigener Würde erhoben.
Jugendreferent Martin Kronberger entpuppte sich mit Stimme und Gitarre als waschechter Interpret türkischer Lieder und Rhythmen im Trio mit Jugendlichen aus Anatolien. Die AAkademie-Leiterin Metap Derin lud gastfreundlich zu türkischen Spezialitäten ein. Dabei fand der interreligiöse Austausch noch lange kein Ende.