Rentschler warnt vor Parallelautobahn
Neue Machbarkeitsstudie bringt den Nordostring wieder ins Gespräch - Auf Aalen könnte eine Lawine zurollen
- Die Diskussion um den Bau eines Nordostrings als Umfahrung der Landeshauptstadt und als Folge davon einer „Parallelautobahn“zwischen Stuttgart und Augsburg, die eine Verkehrslawine auf Aalen zurollen lassen könnte, lebt wieder auf.
Nachdem das Vorhaben jahrelang an massiven ökologischen Bedenken zu scheitern schien, liegt jetzt der Vorschlag auf dem Tisch, den Nordostring als Tunnel zu führen. Der Haken an der Sache sind allerdings die immensen Kosten von geschätzten 1,2 Milliarden Euro, während bislang für die oberirdische vierspurige Straße von 210 Millionen die Rede war. Aalens OB Thilo Rentschler nennt die zur Debatte stehende Summe für die Tunnellösung einen Wahnsinn und warnt vor dem Entstehen einer Parallelautobahn, die vierspurig vom Remstal bis nach Augsburg und damit zur A8 führen würde. Nicht nur dies: Damit würden die Vorteile des Ausbaus der Bundesstraße 29 zunichte gemacht. Rentschler sieht die Gefahr, dass noch mehr Verkehr auf die B 29 gezogen würde. Beispielsweise der, der vom Engelbergtunnel oder vom Stuttgarter Kreuz in Richtung Osten wolle. „Für den Deutschlandoder gar Europaverkehr ist die B29 nicht da!“
Der Nordostring sieht eine Trassenführung von Kornwestheim über Ludwigsburg in Richtung Waiblingen vor mit einer Einmündung in die B29 bei Fellbach. Zu den Befürwortern gehört der Gmünder Abgeordnete Norbert Barthle, der früher sogar den Nordostring als Teil des Gesamtausbaus der Bundesstraße 29 bis nach Augsburg bezeichnet hat.
Gegen den Willen des Landes ist der Nordostring 2016 vom Bundestag im Bundesverkehrswegeplan bis 2030 in die Kategorie „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“eingestuft worden. Das bedeutet: Vorrang haben bis 2030 zwar Projekte des so genannten vordringlichen Bedarfs. Sollte aber eines dieser Vorhaben stocken, könnten andere vorrücken.
Nordostring im Tunnel würde die Landschaft schonen
Dass dies der Nordostring sein könnte, schien bislang angesichts massiver Bedenken in den vom Ausbau betroffenen Kommunen rund um Stuttgart unwahrscheinlich. Das könnte sich ändern. Denn nun haben der Industrielle Rüdiger Stuhl und der Architekt Hermann Grub eine Machbarkeitsstudie für einen Nordostring im Tunnel vorgelegt. Damit könne man einerseits das Verkehrsproblem lösen, sagen sie, andererseits blieben wertvolle Landschaftsräume erhalten. Hier werde nämlich ein Weg aufgezeigt, wie eine Zersiedlung der Landschaft verhindert werden könnte. Stuhl leitet die „Initiative Landschaftsmodell Nordostring“, zu der die Unternehmen Stuhl, Trumpf und Bosch gehören. Konkret vorgeschlagen wird nach einem Bericht der
Stuttgarter Zeitung, dass die 10,7 Kilometer lange vierspurige Straße bei Kornwestheim „eingehaust“wird und dann in einen in offener Bauweise erstellten Tunnel mündet.
Daran schließt sich ein drei Kilometer langer Tunnel an, der den Neckar unterquert und am Ortsrand von Zofingen endet. Von dort wird die Bundesstraße in weiteren Tunneln bis zum Anschluss an die B 14/B 29 zwischen Fellbach und Waiblingen geführt. Vorgesehen ist dabei keine durchgehende Röhre, vielmehr „taucht“die Straße an den Anschlussstellen auf, so dass auf diese Weise der Tunnel entlüftet wird. Als weitere Vorteile werden ins Feld geführt, dass weniger Fläche verbraucht wird und dass die Lärmbelästigung erheblich reduziert wird.
Belastung könnte um 10 000 Fahrzeuge steigen
Dies alles rechtfertigt nach Stuhls Ansicht die höheren Kosten. „Im Interesse, den Stau zu verhindern und die Landschaft zu erhalten, muss es möglich sein, diese Last zu stemmen!“Berechnungen gehen nämlich davon aus, dass der Nordostring mehr Verkehr anziehen und täglich mehr als 10 000 Fahrzeuge zusätzlich auf die Bundesstraße 29 bringen würde. Die
Belastung würde damit von 67 000 auf 78 000 Fahrzeuge steigen. Fernfahrer auf dem Weg zwischen Karlsruhe und Bayerischem Wald oder sogar zwischen Ost- und Westeuropa könnten die Route über den Nordostring, B29 und Augsburg der vollen A8 mit ihrem mühsamen Albaufstieg vorziehen.
Das Verkehrsministerium des Landes hat bereits einen Faktencheck angekündigt, der sich nicht nur auf den Nordostring fokussiert, sondern verbandsübergreifend Lösungen sucht. Einbezogen werde dabei auch der neue Vorschlag den Amtschef Uwe Lahl als sehr teuer charakterisiert. Während die IHK Region Stuttgart den Vorstoß begrüßt, spricht die Landtagsfraktion der Grünen von einem verkehrspolitischen Irrweg, der nicht finanzierbar sei. Ähnlich sieht es Aalens OB: Statt einer neuen Straßenführung bräuchte es nach seiner Einschätzung im Raum Ludwigsburg/Waiblingen Verbesserungen und nicht den ganzen Verkehr auf der B29.