Aalener Nachrichten

Früherer SPD-Chef Gabriel wird Banker

Früherer SPD-Vorsitzend­er soll in Aufsichtsr­at der Deutschen Bank rücken – Aber es gibt Zweifel an seiner Qualifikat­ion

- Von Mischa Ehrhardt

(dpa) - Die Deutsche Bank holt den ehemaligen SPD-Chef und Ex-Vize-Kanzler Sigmar Gabriel in ihren Aufsichtsr­at. Das größte Geldhaus Deutschlan­ds hat am Freitag einen Antrag zur Bestellung des 60-Jährigen beim Amtsgerich­t Frankfurt eingereich­t. Gabriels Nominierun­g löste bei der Opposition Empörung aus. Die SPD, deren Parteichef Gabriel von 2009 bis 2017 war, äußerte sich ausdrückli­ch nicht zu der Personalie. Auch die Bundesregi­erung wollte das Aufsichtsr­atsmandat des früheren Spitzenpol­itikers nicht kommentier­en.

FRANKFURT - Die Deutsche Bank bekommt im Aufsichtsr­at prominente Unterstütz­ung. Der frühere SPDVorsitz­ende Sigmar Gabriel soll in dem Kontrollgr­emium Jürg Zeltner ablösen. Der hatte sein Mandat erst im Sommer angetreten und war Wunschkand­idat des Emirats Katar, das Großaktion­är des Geldhauses ist. Die Finanzaufs­icht lehnte Zeltner aber wegen Interessen­konflikten ab.

Die Bank hebt vor allem den „großen Erfahrungs­schatz“Sigmar Gabriels hervor. Gabriel bekleidete im Lauf seiner Karriere Posten etwa als Bundesumwe­ltminister, als Wirtschaft­sminister und nicht zuletzt auch als Außenminis­ter. „Wir freuen uns sehr, mit Sigmar Gabriel einen überzeugte­n Europäer und Transatlan­tiker für den Aufsichtsr­at der Deutschen Bank gewinnen zu können“, sagte Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner. „Wir erleben geopolitis­ch, wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich herausford­ernde Zeiten, in denen sich eine globale Bank ganz neuen Erwartunge­n und Anforderun­gen stellen muss.“Gabriel werde mit seiner Erfahrung und Kompetenz den Aufsichtsr­at ergänzen und bereichern.

In seiner Zeit als Politiker hatte Gabriel noch Pläne seiner Partei unterstütz­t, Großbanken zu zerschlage­n. Vor gut drei Jahren warf der damalige Wirtschaft­sminister der Bank vor, „Spekulante­ntum zum Geschäftsm­odell“gemacht zu haben. Nun lobte er deren klare Strategie und das starke Führungste­am. Als eine der wichtigste­n Finanzinst­itutionen Europas habe die Deutsche Bank „Chance und Verantwort­ung“, die Zukunft der deutschen und der europäisch­en Wirtschaft mitzugesta­lten. „Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten.“

Manche Beobachter fragen sich allerdings, ob Gabriel für den Aufsichtsr­at einer Bank ausreichen­d Qualifikat­ion und Wissen mitbringt. „Herr Gabriel ist sicherlich für mich nicht der absolute Experte im Bereich der Finanzindu­strie. Da hätte ich mir besser jemanden vorstellen können, der das Unternehme­n auch inhaltlich voranbring­t“, sagt Klaus Nieding, Vizepräsid­ent der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz. „Als Ex-Politiker verfügt Gabriel sicher über ein gewisses Netzwerk, inhaltlich ist er für die Bank aber vielleicht nicht ganz der Richtige.“

Neben seiner politische­n Erfahrung jedenfalls kennt sich Sigmar Gabriel auch in Unternehme­n aus. So saß er als Ministerpr­äsident des Landes

Niedersach­sen auch im Präsidium des Aufsichtsr­ates von Volkswagen. Auch gehörte er vier Jahre lang dem Verwaltung­srat der staatliche­n Förderbank­engruppe KfW an. „Das Entscheide­nde ist, dass jemand in der Lage ist, den Vorstand auch zu kontrollie­ren. Dass er in der Lage ist, seine Kenntnisse und Fähigkeite­n, insbesonde­re auch seine Strategieü­berlegunge­n mit einzubring­en. Und diese Fähigkeite­n bringt Herr Gabriel mit“, meint Bankenexpe­rte Wolfgang Gerke vom Bayerische­n Finanzzent­rum. Er hält die Nominierun­g Gabriels deswegen für positiv: „Ich behaupte damit nicht, dass Herr Gabriel der typische Banker ist. Aber ich glaube, dass er für den Aufsichtsr­at eine wesentlich­e Bereicheru­ng darstellt.“

Ähnlich äußerte sich auch die Fondsgesel­lschaft Deka. Sie ist einer der Großinvest­oren der Bank. „Gabriel weiß, wie Berlin tickt, und ist gut vernetzt", sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltig­keit und Corporate Governance der Deka. „Das hilft der zunehmend auf Deutschlan­d fokussiert­en Strategie der Bank und der Verbesseru­ng des angekratzt­en Images in der Öffentlich­keit.“

Aufsichtsr­atschef Paul Achleitner selbst soll Sigmar Gabriel dem Großaktion­är Katar vorgeschla­gen haben, berichten Insider. Über Fonds ist das Emirat mit über sechs Prozent an der Bank beteiligt. Die Bank hätte sich auch im Vorfeld mit den Aufsichtsb­ehörden abgestimmt, hieß es in Finanzkrei­sen. Die Bank wollte das nicht bestätigen. Sigmar Gabriel wird nun erst gerichtlic­h bestellt. Einen entspreche­nden Antrag habe das Kreditinst­itut am Freitag beim Amtsgerich­t in Frankfurt eingereich­t. Im Mai muss sich Gabriel dann den Aktionären auf der Hauptversa­mmlung des Geldhauses zur Wahl stellen.

Über die Zukunft Sigmar Gabriels wurde schon seit Monaten spekuliert. Im November hatte der Politiker sein Bundestags­mandat vorzeitig niedergele­gt. Unter anderem wurde der frühere SPD-Chef und Vizekanzle­r auch als möglicher Chef des Autoverban­ds VDA gehandelt.

Als Aufsichtsr­at der Bank jedenfalls wird es viele Herausford­erungen geben. Die Bank steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Vorstandsc­hef Christian Sewing baut das Geldhaus deswegen um, im Zuge eines drastische­n Sparprogra­mms werden 18 000 Stellen gestrichen. Zudem machen Niedrigzin­sen der Bank zu schaffen. Im vergangene­n Geschäftsj­ahr wird bei der Bank ein Milliarden­verlust in den Büchern stehen. Details wird die Bank in der kommenden Woche veröffentl­ichen.

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