Aalener Nachrichten

Kämpfe bewegen sich auf die Grenze zu

Bei neuen Luftangrif­fen im nordsyrisc­hen Idlib kommen viele Menschen ums Leben

- Von Thomas Seibert

- Gefechte in der syrischen Rebellenpr­ovinz Idlib bewegen sich weiter auf die türkische Grenze zu. Russische Luftangrif­fe auf die Dörfer Sarakeb und Arnaba am Donnerstag töteten acht Menschen, darunter fünf Kinder. Die Dörfer sind nur 20 bis 30 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt.

In der Gegend flogen russische und syrische Kampfpilot­en nach Zählung der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte in den vergangene­n Tagen rund hundert Angriffe. Dabei starben mehr als 40 Menschen. Etwa 350 000 Flüchtling­e leben inzwischen an der geschlosse­nen türkischen Grenze.

Der syrische Präsident Baschar alAssad dringt als Russlands Schützling darauf, die Kontrolle über Idlib zu übernehmen, die letzte Gegend in Syrien, die nach fast neun Jahren Krieg noch von Assads Gegnern beherrscht wird. Die in Idlib herrschend­en islamistis­chen Milizen leisten erbitterte­n Widerstand gegen die Offensive von Assads Truppen und sollen diese Woche bis zu 40 syrische Soldaten getötet haben.

Offiziell sollen in Idlib die Waffen ruhen, doch allein seit dem vergangene­n August sind nach einer Zählung der Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte mehr als 1800 Menschen bei Kämpfen getötet worden. Eine Vereinbaru­ng zwischen der Türkei und Russland über eine Feuerpause in Idlib von Mitte Januar hat die Gefechte nicht aufhalten können.

Damaskus will den Vormarsch vorantreib­en. Der syrische Geheimdien­stchef Ali Mamluk sagte laut Medienberi­chten bei einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan vorige Woche in Moskau, Assads Regierung sei entschloss­en, die Rebellen in Idlib zu besiegen. Die Begegnung war das erste persönlich­e Gespräch hochrangig­er Vertreter von der Türkei und Syrien seit 2011. Laut Berichten forderte Mamluk von der Türkei einen Zeitplan für den Rückzug der türkischen Truppen aus

Syrien. Ankara soll den Türkei-treuen Rebellen in Idlib signalisie­rt haben, dass sie nicht auf den Schutz der türkischen Armee hoffen könnten.

Bisher hat die Türkei in der Öffentlich­keit zurückhalt­end auf die neue Eskalation in Idlib reagiert. Gerhard Mangott, Professor für internatio­nale Beziehunge­n an der Universitä­t Innsbruck und Fachmann für russische Außenpolit­ik, sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“in Istanbul, es gebe Anzeichen für einen „strategisc­hen Abtausch von Interessen“zwischen der Türkei und Russland. Kremlchef Wladimir Putin habe die türkische Militärint­ervention im Nordosten Syriens im vergangene­n Herbst toleriert, und nun nehme die Türkei die syrische Regierungs­offensive in Idlib hin.

Damit würde den Zivilisten in Idlib noch mehr Leid bevorstehe­n. Erdogan lässt deshalb unmittelba­r an der Grenze auf syrischem Gebiet in Idlib rund 10 000 winterfest­e Wohnungen bauen, um einen Massenanst­urm auf die Türkei zu verhindern.

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