Aalener Nachrichten

Eine Regionalwa­hl macht Italiens Regierung nervös

Machtwechs­el in der traditione­ll linken Emilia-Romagna könnte die Koalition in Rom zu Fall bringen

- Von Thomas Migge

- Am Sonntag werden viele Italiener auf die Region Emilia-Romagna schauen. Denn mehr als der gleichzeit­ig stattfinde­nde Urnengang in Kalabrien könnten die anstehende­n Regionalwa­hlen in der reichen Nordregion für die Regierung in Rom gefährlich werden.

Politisch wurde die Region jahrzehnte­lang von den Kommuniste­n und dann vom sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o (PD) regiert. Doch das Klischee der „roten Region“ist Geschichte. Abgesehen von der Regionalha­uptstadt Bologna ist die Emilia-Romagna keine Domäne des PD mehr. Auch die legendäre hohe Wahlbeteil­igung gehört längst der Vergangenh­eit an. Gingen 2010 noch 68 Prozent aller Wahlberech­tigten zu den Urnen, waren es 2014 nur noch 37,1 Prozent – ein nationaler Tiefstwert.

„Irgendetwa­s läuft schief in der Region“, erklärte in einer TV-Talkshow der sozialdemo­kratische Philosoph und Ex-Bürgermeis­ter von Venedig, Massimo Cacciari. Er gibt die Schuld daran seiner Partei, „die zu selbstsich­er und zu wenig selbstkrit­isch geworden ist“. Seit Jahren werden immer mehr Städte der Region von Bürgermeis­tern kontrollie­rt, die der Protestpar­tei Fünf-Sterne-Bewegung M5S oder der rechtsnati­onalen Lega von Ex-Innenminis­ter Matteo Salvini angehören.

Umfragen zufolge könnte am Sonntag die Lega zur stärksten Partei in der Region werden. „Ein Horrorszen­ario für den PD und die Regierung“, schrieb die Tageszeitu­ng „La Repubblica“. Ein Sieg der Lega und eine ebenfalls prognostiz­ierte Schlappe der M5S könnten eine Krise in der Regierung in Rom auslösen. Dort fühlen sich M5S und PD gar nicht mehr wohl in ihrer Koalition – zumal bei den Fünf Sternen ohnehin Chaos herrscht, spätestens seitdem Außenminis­ter Luigi Di Maio am Mittwoch vom Amt des Parteichef­s zurückgetr­eten ist. Aus Angst, von den Sozialdemo­kraten über den Tisch gezogen zu werden, könnte die M5S das Bündnis für beendet erklären. Die Folge wären Neuwahlen – sehr wahrschein­lich würde dann Salvinis Lega die Regierung übernehmen.

In der Emilia-Romagna stehen sich der amtierende sozialdemo­kratische Regionalpr­äsident Stefano Bonaccini und die Lega-Politikeri­n Lucia Borgonzoni sowie Simone Benini von der M5S gegenüber. Beninis Kandidatur gilt als aussichtsl­os, doch Borgonzoni von der Lega könnte dem

PD-Kandidaten gefährlich werden, denn hinter ihr steht Matteo Salvini. Der Chef der Lega bereist seit Wochen die Emilia-Romagna. Der Opposition­spartei kommt zugute, dass der PD in den vergangene­n Jahren oft durch Postenscha­cher und Skandale ins Gerede gekommen ist.

Allerdings macht neuerdings die Ende November in Bologna spontan entstanden­e „Sardinen“-Bewegung Salvini und seiner Kandidatin das Leben schwer. Zuletzt versammelt­en sich am 19. Januar mehr als 40 000 ihrer Unterstütz­er im Zentrum Bolognas und stahlen damit Salvini die Show. Die „Sardinen“sympathisi­eren zwar mit linken Ideen, verstehen sich aber nicht als sozialdemo­kratische Wahlhelfer. Doch sie verweisen bei ihren Protesten gegen die Lega auf das Positive, das in den vergangene­n Jahren in der Emilia-Romagna entstanden ist: Die Region zählt zu den reichsten Italiens, kann eines der besten Schul- und Sozialsyst­eme des Landes aufweisen und investiert im großen Stil in Bildung und Kultur. Die Arbeitslos­enquote liegt bei 4,8 Prozent – weniger als die Hälfte des italienisc­hen Durchschni­ttswerts von elf Prozent.

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FOTO: AFP Die „Sardinen“-Bewegung gegen die Lega entstand in der Emilia-Romagna – die Rechtspart­ei könnte dort trotzdem bald regieren.

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