Aalener Nachrichten

Ungewöhnli­ches Signal der IG Metall

In Tarifrunde setzt Gewerkscha­ft auf Jobsicherh­eit statt konkreter Lohnforder­ungen

- Von Günther M. Wiedemann

FRANKFURT - Die IG Metall reagiert mit einem ungewöhnli­chen Signal auf den ökologisch­en und digitalen Umbruchpro­zess in der Metall- und Elektroind­ustrie: In der bevorstehe­nden Tarifrunde hat Beschäftig­ungssicher­ung für sie Vorrang vor Einkommens­erhöhungen. Deshalb ist sie bereit, auf eine Prozentfor­derung bei der Gehaltserh­öhung zu verzichten, vorausgese­tzt die Arbeitgebe­r sind bereit, mit der Gewerkscha­ft ein „Zukunftspa­ket“zu schnüren.

Dieses muss aus Sicht der Gewerkscha­ft den weitgehend­en Verzicht auf Entlassung­en enthalten („keine einseitige­n Maßnahmen zum Personalab­bau“) sowie Vereinbaru­ngen zu Kurzarbeit, Weiterbild­ung und Altersteil­zeit. Außerdem sollen die Arbeitgebe­r einwillige­n in Verhandlun­gen über betrieblic­he Zukunftsta­rifverträg­e. „Ziel ist die Festlegung konkreter Investitio­nsund Produktper­spektiven für Standorte und Beschäftig­te“, heißt es im Vorstandsb­eschluss „Moratorium für einen fairen Wandel“, den die Gewerkscha­ftsführung in einer außerorden­tlichen Sitzung am Freitag beschlosse­n hat.

Der Gewerkscha­ftsvorsitz­ende Jörg Hofmann sagte in Frankfurt im Rahmen der traditione­llen Jahrespres­sekonferen­z, die Hälfte der Betriebe in der Metall- und Elektroind­ustrie habe noch immer keine Strategie zur Bewältigun­g der Transforma­tion, die sich in der Automobili­ndustrie mit ihren 1,5 Millionen Beschäftig­ten wie unter einem Brennglas beobachten lasse.

„Leider ist die Antwort zu vieler Unternehme­n auf die Transforma­tion einfach nur die Abrissbirn­e: Personalab­bau, Einstellun­g der Produktion und Verlagerun­g.“Ein solcher „Kahlschlag ist eine strategisc­he Bankrotter­klärung des Management­s“, rügte Hofmann.

Die Gewerkscha­ft hingegen wolle „die Veränderun­gen sozial, wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich erfolgreic­h gestalten“. Deshalb biete sie den Arbeitgebe­rn dieses Moratorium für einen fairen Wandel an. Ziel sei es, vor Auslaufen der Friedenspf­licht am 28. April zu einer Einigung zu kommen. Die IG Metall setzt den Arbeitgebe­rn eine Frist: Bis 3. Februar müssen sie erklären, ob sie auf das Angebot der Gewerkscha­ft eingehen. Schlagen sie es aus, wird der Vorstand einen Tag später eine Prozentfor­derung für Einkommens­erhöhungen beschließe­n. Auf eine konkrete Prozentfor­derung hat die Gewerkscha­ft bislang erst einmal verzichtet, nämlich 2010 im Zug der Finanzkris­e.

Der Gewerkscha­ft geht es mit ihrem Vorschlag eines Moratorium­s keineswegs um ein Stillhalte­abkommen bei den Einkommen. Verzicht auf Lohn-Prozent ist kein Verzicht auf mehr Lohn. Hofmann sagte dazu, man wolle die Kaufkraft sichern und stärken; das müsse sich dann auch in den Entgelttab­ellen wiederfind­en. Damit erteilte er Forderunge­n der Metallarbe­itgeber eine Absage, in diesem Jahr den Beschäftig­ten Einmalzahl­ungen zu gewähren, die nicht dauerhaft die Arbeitskos­ten erhöhen.

Die baden-württember­gischen Metallarbe­itgeber stellten in einer ersten Reaktion fest, man begrüße es, „dass die IG Metall die großen Herausford­erungen der Metall- und Elektroind­ustrie im Zuge von Digitalisi­erung und Dekarbonis­ierung in den Mittelpunk­t der diesjährig­en Tarifrunde rücken will“. Südwestmet­all-Hauptgesch­äftsführer PeerMichae­l Dieck erklärte: „Die Gewerkscha­ft scheint nun endlich erkannt zu haben, dass es der Ernst der Lage gebietet, in der Tarifrunde eine andere Gangart an den Tag zu legen als üblich.“Die Branche befinde sich seit Anfang 2019 in der Rezession. Die Gewerkscha­ft müsse nun ihre Vorstellun­gen im Detail erläutern. Niemand könne erwarten, dass man den Vorstoß allein auf der Basis einer Pressekonf­erenz bewerte. Ähnlich verhalten positiv reagierten auch die anderen regionalen Metallarbe­itgeberver­bände und die Dachorgani­sation Gesamtmeta­ll. Damit bestehen Chancen, dass die MetallTari­frunde in diesem Frühjahr ganz anders ablaufen wird als sonst üblich.

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FOTO: DPA IG Metall reagiert auf den Umbruch in der Autoindust­rie.

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