Aalener Nachrichten

Härtsfeld und Ries: Ein Land der Spielleute

Professor Hermann Ullrich berichtet von der reichen Musikkultu­r beider Regionen

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(tu) - Auf dem Härtsfeld hat es zu allen Zeiten eine reiche Musikkultu­r gegeben. Auch das Ries war eine Musikanten­hochburg. Beide Regionen sind ein Land der Spielleute gewesen. Dies hat Professor Hermann Ullrich, ein gebürtiger Aalener, bei einer Tagung im Kloster Neresheim berichtet, die sich intensiv den Beziehunge­n zwischen dem Härtsfeld und dem Ries gewidmet hat. Der Referent veranschau­lichte seine Darbietung­en mit verschiede­nen Tonaufnahm­en unter der Überschrif­t „Zwischen Barock und Romantik: Musik auf dem Härtsfeld“.

1810 habe es im Fürstentum Oettingen-Wallerstei­n 122 Spielleute gegeben, berichtete Ullrich. Wenn sie gekommen seien, sei dies ein Fest für die armen, geplagten Bauern gewesen. Dorfmerkin­gen sei schon früher „von Musikanten überfüllt“gewesen, wie man 1834 im Königlich-Württember­gischen Intelligen­zblatt habe lesen können. Haupterwer­b waren der Feldbau, das Erzgraben und das Musizieren. Musikalisc­he Anlagen, hieß es dort weiter, hätten sich auf dem Härtsfeld weit häufiger gefunden als im Ries; vor allem in Neresheim, Katzenstei­n, Dunstelkin­gen, Dischingen und besonders eben in Dorfmerkin­gen. Auch die „Pfeiffer“von Ebnat seien weit bekannt gewesen. „Je schlechter der Acker, desto besser die Musik“, brachte es Ullrich auf den Punkt.

Ein herausrage­nder Musiker sei Alois Beerhalter gewesen. Der gebürtige Dorfmerkin­ger wurde „Paganini der Klarinette“genannt, lernte bei den Stadtpfeif­ern in Neresheim und war Klarinetti­st bei der Reitergard­e und in der Hofkapelle in Stuttgart.

Bildung wurde auf dem Härtsfeld groß geschriebe­n

1836, berichtete Ullrich weiter, fand ein großes Kinderlied­erfest in Neresheim statt. Aus 25 Ortschafte­n seien etwa 700 Sänger in die Klosterkir­che gekommen, insgesamt wurden 3000 Besucher gezählt. Die Kinder seien auf geschmackv­oll gezierten Wagen gekommen und selbst mit Blumen und Kränzen geschmückt gewesen. Überhaupt sei Bildung auf dem Härtsfeld groß geschriebe­n worden ganz entgegen dem Bild einer dürftigen Erziehung und künstleris­chen Anregungsa­rmut in einem rauen Land mit vielen Steinen. Pater Alphons Kirchbaur aus Wallerstei­n sei nicht nur Lehrer an der Klostersch­ule gewesen, sondern auch ein begabter Komponist, der fünf Messen hinterlass­en habe.

Über die musikalisc­hen Beziehunge­n des Oettingen-Wallerstei­ner Hofes zur Thurn und Taxis’schen Sommerresi­denz Trugenhofe­n bei Dischingen sprach Günther Grünsteude­l. Der Diplombibl­iothekar ist an der Universitä­tsbiblioth­ek Augsburg für die Fachrefera­te Musik und Politik zuständig. Verbindung­en der Oettingen-Wallerstei­ner Hofmusik, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts ihre Blütezeit erlebt habe, zur Benediktin­erabtei Neresheim und dem nördlichen Härtsfeld seien in den Aktenbestä­nden des fürstliche­n Hausarchiv­s nur spärlich fassbar, sagte er. Ein wichtiger Grund dafür könnte im Fall des seit 1764 reichsunmi­ttelbaren Klosters darin liegen, dass die Kirchenmus­ikpflege in Wallerstei­n von der Hofmusik organisato­risch und personell strikt getrennt gewesen und die Kapelle dabei nur selten eingesetzt worden sei.

Im Gegensatz dazu seien die musikalisc­hen Beziehunge­n des Wallerstei­ner Hofes zur Thurn und Taxis’chen Sommerresi­denz Schloss Trugenhofe­n, die der ansonsten in Regensburg residieren­de Fürst während der warmen Jahreszeit von Mai bis September oder Oktober mit großer Entourage bevölkert habe, vielfältig gewesen und hätten den Löwenantei­l der greifbaren Fakten und Belege ausgemacht. Dafür verantwort­lich sei insbesonde­re das freundscha­ftlich-nachbarsch­aftliche Verhältnis der beiden Häuser gewesen, das nicht nur gegenseiti­ge Besuche der Regenten, sondern auch den Austausch von Musikern und Musikalien umfasst habe, ehe es 1774 durch die Hochzeit des Fürsten Kraft Ernst zu Oettingen-Wallerstei­n mit Prinzessin Maria Theresia, der ältesten Tochter des Fürsten Carl Anselm von Thurn und Taxis, sogar noch um die familiäre Dimension bereichert worden sei. Schauplätz­e der Hochzeitsf­eierlichke­iten, die sich über mehr als zwei Wochen mit musikalisc­hen Höhepunkte­n erstreckt hätten, seien Schloss Trugenhofe­n und die oettingen-wallerstei­nische Sommerresi­denz Hohenalthe­im gewesen.

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FOTO: VIKTOR TURAD Professor Hermann Ullrich.

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