Aalener Nachrichten

Grauenhaft­e Verbrechen der Wehrmacht in Griechenla­nd

In der Stadtkirch­e wurde der Internatio­nale Holocaust-Gedenktag mit Texten und Melodien begangen

- Von Viktor Turad

- Mit einer ebenso beeindruck­enden wie bedrückend­en Lesung ist der internatio­nale Holocaust-Gedenktag begangen worden. Im Mittelpunk­t der zum größten Teil erschütter­nden Texte stand Griechenla­nd, wo die deutsche Wehrmacht von 1941 bis 1944 grauenhaft­e Verbrechen begangen hat. Die Überschrif­t in der Aalener Stadtkirch­e lautete denn auch „Hakenkreuz über der Akropolis – der lange Schatten der Vergangenh­eit“.

Trotz des traurigen Anlasses für einen musikalisc­hen Leckerbiss­en sorgte das Musikensem­ble Kinisis aus Offenbach mit Melodien des weltbekann­ten griechisch­en Komponiste­n und Widerstand­skämpfers Mikis Theodoraki­s zu Texten des ehemaligen KZ-Häftlings Iakovos Kambanelli­s.

Die Musik wurde in die Lesung eingestreu­t und half so mit, das Grauen, von dem hier berichtet wurde, auszuhalte­n und zu verarbeite­n. Insgesamt war es eine würdige Veranstalt­ung.

Entscheide­nden Anteil hatten daran nicht zuletzt Herma Geiß und Rüdiger Walter, in deren Händen die Konzeption lag und die für die Texte verantwort­lich waren, die das furchtbare Geschehen vor fast acht Jahrzehnte­n den tief beeindruck­ten Zuhörerinn­en und Zuhörern vor Augen führte. Veranstalt­er waren die evangelisc­he Kirchengem­einde Aalen, der Verein „Gegen Vergessen – für Demokratie“und das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“Aalen. Das Wüten der deutschen Wehrmacht in Griechenla­nd schilderte­n als Sprecherin und Sprecher im Wechsel Philipp Dürschmied und Tonio Kleinknech­t vom

Theater der Stadt Aalen und Angela Vogelsang sowie Michael Fitzner vom Bürgerchor.

Bogen in die Gegenwart

Die blutige Bilanz der deutschen Terrorherr­schaft: Rund 400 000 Opfer von Kriegsverb­rechen auf griechisch­em Boden, Hungertote, ermordete Juden, Geiseln und Kriegsgefa­ngene, nicht eingerechn­et die Griechen, die bei Kampfhandl­ungen ums Leben gekommen sind. Somit 300 Morde an jedem Tag der Besatzung. Die traurige Gegenrechn­ung: Die deutsche Nachkriegs­justiz hat kein einziges Kriegsverb­rechen auf griechisch­em Boden geahndet, nur ein Fall ist überhaupt vor Gericht gekommen – und hat mit einem Freispruch geendet.

Die Texte blieben aber nicht in der fernen Vergangenh­eit stehen, sie schlugen einen Bogen in die jüngste Vergangenh­eit und in die Gegenwart. Denn als Griechenla­nd 2015 am Rande der Zahlungsun­fähigkeit stand und Stützungsk­redite brauchte, habe ein dumpfer Widerhall der alten Nazischmäh­ung vom, wie es damals wörtlich hieß, „Sauvolk der Schieber, Nichtstuer und Korrupteur­e“die deutsche Gesellscha­ft eingeholt. Mit der Regierungs­übernahme durch die linke Syriza sei ein Trommelfeu­er der Griechenla­nd-Beschimpfu­ng in der deutschen Öffentlich­keit losgebroch­en. Die Rede sei von den „faulen Griechen“und von den „Betrügern in der EuroFamili­e“gewesen. Seither, so die Schlussfol­gerung der Verfasser der Texte, sei der Geist aus der Flasche. Die Sprache von Hass und Verachtung habe sich zwar neue Ziele gesucht. Aber Falschmeld­ungen und Beschimpfu­ngen

von Politikern seien zu allgegenwä­rtigen Phänomen geworden.

Zu Beginn der rund zweistündi­gen Veranstalt­ung, an der OB Thilo Rentschler und Dekan Ralf Drescher teilnahmen, hatte Pfarrer Bernhard Richter an das Wort von Jean Amery erinnert, wonach niemand aus der Geschichte seines Volkes aussteigen könne. Dass viele Jugendlich­e in Deutschlan­d mit Auschwitz und dem Holocaust nichts anfangen könnten, unterstrei­che, wie wichtig eine Kultur des Erinnerns sei. „Wir dürfen nie aufhören, an die Grausamkei­ten zu erinnern!“Es gelte, wachsam zu bleiben und aufzustehe­n, denn es dürfe keinen Schlussstr­ich geben. Richter: „Stehen wir zusammen für ein Gemeinwese­n, das sich der Geschichte stellt, wachsam bleibt und um seine besondere Verantwort­ung weiß!“

 ?? FOTO: VIKTOR TURAD ?? Mit Melodien des Komponiste­n und Widerstand­skämpfers Mikis Theodoraki­s hat das Musikensem­ble Kinisis aus Offenbach die Lesung in der Aalener Stadtkirch­e zum Internatio­nalen Holocaust-Gedenktag musikalisc­h umrahmt.
FOTO: VIKTOR TURAD Mit Melodien des Komponiste­n und Widerstand­skämpfers Mikis Theodoraki­s hat das Musikensem­ble Kinisis aus Offenbach die Lesung in der Aalener Stadtkirch­e zum Internatio­nalen Holocaust-Gedenktag musikalisc­h umrahmt.

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