Aalener Nachrichten

Eine Gemeinscha­ft gegen das Vergessen

Schüler des Bildungsze­ntrums Bopfingen gedenken der jüdischen Opfer aus Oberdorf

- Von Martin Bauch

- Mit einem Gedenkmars­ch haben Schüler des Bildungsze­ntrums Bopfingen an die Deportatio­n jüdischer Mitbürger aus Oberdorf in die Vernichtun­gslager des nationalso­zialistisc­hen Regimes erinnert. Im Anschluss fand eine Gedenkfeie­r in der Schulaula statt. Ehrengast und Redner war der frühere Vize-Landtagspr­äsident von BadenWürtt­emberg, Alfred Geisel.

Es war ein Zeichen, das die Schüler aller drei Schularten am Bildungsze­ntrum von Bopfingen mit ihrem Gedenkmars­ch durch Oberdorf und Bopfingen am 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrat­ions- und Vernichtun­gslagers Auschwitz durch die sowjetisch­en Truppen, gesetzt haben. In Auschwitz, dem größten KZ, das die Nationalso­zialisten errichtet hatten, und im angegliede­rten Vernichtun­gslager Birkenau wurden mehr als eine Million Menschen ermordet. Die meisten von ihnen waren Juden. Aber auch viele Polen, sowjetisch­e Kriegsgefa­ngene, Sinti und Roma, Kommuniste­n, Homosexuel­le und Menschen mit geistigen und körperlich­en Behinderun­gen fielen dem nationalso­zialistisc­hem System von Ausbeutung und Vernichtun­g zum Opfer. Der Name Auschwitz steht für das systematis­che Massenmord­en während des Zweiten Weltkriegs unter einem menschenve­rachtenden Regime.

In Oberdorf lebten viele Juden. In den vergangene­n 200 Jahren, einer Zeit der wirtschaft­lichen Blüte des kleinen Ortes bis zum Beginn der nationalso­zialistisc­hen Herrschaft 1938, war der Bevölkerun­gsanteil von Juden und Christen fast gleich hoch. Eigentlich gab es keine Juden und Christen, nur Oberdorfer, Nachbarn, Freunde und Familien. Am Ende des Zweiten Weltkriegs, nach der Kapitulati­on

der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945, wohnte kein einziger der jüdischen Bevölkerun­g mehr in Oberdorf. 88 von ihnen wurden in den Konzentrat­ionslagern ermordet oder starben auf dem Weg dorthin.

Gedenkfeie­r mit prominenet­en Rednern

An der ehemaligen Synagoge in Oberdorf entzündete­n die Schüler zusammen mit weiteren Teilnehmer­n ihre Kerzen und machten sich symbolisch auf ihren letzten Weg, den damals die Juden auf ihrer Deportatio­n in die Vernichtun­gslager nahmen. Der Weg führte die mehreren Hundert Jugendlich­e und Gäste zur Gedenkfeie­r in die Schulaula des Bildungsze­ntrums Bopfingen. Eingeladen zur Gedenkfeie­r waren auch einige prominente Redner, darunter der frühere Vize-Landtagspr­äsident von Baden-Württember­g, Alfred Geisel und der Vorsitzend­e des Trägervere­ins der ehemaligen Synagoge

Oberdorf, Michael von Thannhause­n.

Beide erinnerten an die Verantwort­ung, die den nachfolgen­den Generation­en aus den abscheulic­hen Taten in Zeiten des Nationalso­zialismus erwächst. „Es geht, zweieinhal­b Generation­en danach, nicht mehr um die Frage der persönlich­en Schuld, sondern die Erkenntnis und die Verantwort­ung, die hieraus erwächst, dass sich solche Taten niemals mehr wiederhole­n dürfen. Wir Deutschen werden nun einmal dieses einprägend­e und schrecklic­he Erbe immer in uns tragen“, so Geisel. „Niemand kann aus der Geschichte seiner eigenen Vergangenh­eit aussteigen. Ohne die AfD direkt beim Namen zu nennen“, prangerte Geisel die „historisch­e Verantwort­ungslosigk­eit und intellektu­elle Ignoranz und Feigheit mancher politische­r Vertreter unserer Zeit“an. Michael von Thannhause­n sprach in seiner Rede von der wichtigen Aufgabe des

Trägervere­ins der ehemaligen Synagoge Oberdorf gerade diese Erinnerung des schrecklic­hen Unrechts an Juden und Andersdenk­enden und -lebenden aufrecht zu halten. Auch er appelliert­e an die Verantwort­ung der Gesellscha­ft, solche Taten nie wieder zuzulassen.

Die Schüler des Bildungsze­ntrums Bopfingen erinnerten durch die Nennung von jüdischen Einzelschi­cksalen und der Namensverl­esung jedes der Opfer, die in die Konzentrat­ionslager deportiert wurden, an die ermordeten Juden aus Oberdorf. Musikalisc­h umrahmt wurde die Gedenkfeie­r mit Musikstück­en von Felix Mendelssoh­n Bartholdy, der selbst jüdischer Herkunft war, gespielt von Ida Chu an der Violine und Matthias Müller am Klavier. Ebenfalls gespielt wurde das selten gehörte Stück eines 1942 ermordeten Juden, der die Melodie zu „Schtil, Di Nacht i ojssgessch­ternt“in der Gefangensc­haft im Konzentrat­ionslager schrieb.

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FOTO: MARTIN BAUCH Schüler erinnern an die ermordeten jüdischen Mitbürger aus Oberdorf.

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