Eine Gemeinschaft gegen das Vergessen
Schüler des Bildungszentrums Bopfingen gedenken der jüdischen Opfer aus Oberdorf
- Mit einem Gedenkmarsch haben Schüler des Bildungszentrums Bopfingen an die Deportation jüdischer Mitbürger aus Oberdorf in die Vernichtungslager des nationalsozialistischen Regimes erinnert. Im Anschluss fand eine Gedenkfeier in der Schulaula statt. Ehrengast und Redner war der frühere Vize-Landtagspräsident von BadenWürttemberg, Alfred Geisel.
Es war ein Zeichen, das die Schüler aller drei Schularten am Bildungszentrum von Bopfingen mit ihrem Gedenkmarsch durch Oberdorf und Bopfingen am 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die sowjetischen Truppen, gesetzt haben. In Auschwitz, dem größten KZ, das die Nationalsozialisten errichtet hatten, und im angegliederten Vernichtungslager Birkenau wurden mehr als eine Million Menschen ermordet. Die meisten von ihnen waren Juden. Aber auch viele Polen, sowjetische Kriegsgefangene, Sinti und Roma, Kommunisten, Homosexuelle und Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen fielen dem nationalsozialistischem System von Ausbeutung und Vernichtung zum Opfer. Der Name Auschwitz steht für das systematische Massenmorden während des Zweiten Weltkriegs unter einem menschenverachtenden Regime.
In Oberdorf lebten viele Juden. In den vergangenen 200 Jahren, einer Zeit der wirtschaftlichen Blüte des kleinen Ortes bis zum Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1938, war der Bevölkerungsanteil von Juden und Christen fast gleich hoch. Eigentlich gab es keine Juden und Christen, nur Oberdorfer, Nachbarn, Freunde und Familien. Am Ende des Zweiten Weltkriegs, nach der Kapitulation
der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945, wohnte kein einziger der jüdischen Bevölkerung mehr in Oberdorf. 88 von ihnen wurden in den Konzentrationslagern ermordet oder starben auf dem Weg dorthin.
Gedenkfeier mit promineneten Rednern
An der ehemaligen Synagoge in Oberdorf entzündeten die Schüler zusammen mit weiteren Teilnehmern ihre Kerzen und machten sich symbolisch auf ihren letzten Weg, den damals die Juden auf ihrer Deportation in die Vernichtungslager nahmen. Der Weg führte die mehreren Hundert Jugendliche und Gäste zur Gedenkfeier in die Schulaula des Bildungszentrums Bopfingen. Eingeladen zur Gedenkfeier waren auch einige prominente Redner, darunter der frühere Vize-Landtagspräsident von Baden-Württemberg, Alfred Geisel und der Vorsitzende des Trägervereins der ehemaligen Synagoge
Oberdorf, Michael von Thannhausen.
Beide erinnerten an die Verantwortung, die den nachfolgenden Generationen aus den abscheulichen Taten in Zeiten des Nationalsozialismus erwächst. „Es geht, zweieinhalb Generationen danach, nicht mehr um die Frage der persönlichen Schuld, sondern die Erkenntnis und die Verantwortung, die hieraus erwächst, dass sich solche Taten niemals mehr wiederholen dürfen. Wir Deutschen werden nun einmal dieses einprägende und schreckliche Erbe immer in uns tragen“, so Geisel. „Niemand kann aus der Geschichte seiner eigenen Vergangenheit aussteigen. Ohne die AfD direkt beim Namen zu nennen“, prangerte Geisel die „historische Verantwortungslosigkeit und intellektuelle Ignoranz und Feigheit mancher politischer Vertreter unserer Zeit“an. Michael von Thannhausen sprach in seiner Rede von der wichtigen Aufgabe des
Trägervereins der ehemaligen Synagoge Oberdorf gerade diese Erinnerung des schrecklichen Unrechts an Juden und Andersdenkenden und -lebenden aufrecht zu halten. Auch er appellierte an die Verantwortung der Gesellschaft, solche Taten nie wieder zuzulassen.
Die Schüler des Bildungszentrums Bopfingen erinnerten durch die Nennung von jüdischen Einzelschicksalen und der Namensverlesung jedes der Opfer, die in die Konzentrationslager deportiert wurden, an die ermordeten Juden aus Oberdorf. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier mit Musikstücken von Felix Mendelssohn Bartholdy, der selbst jüdischer Herkunft war, gespielt von Ida Chu an der Violine und Matthias Müller am Klavier. Ebenfalls gespielt wurde das selten gehörte Stück eines 1942 ermordeten Juden, der die Melodie zu „Schtil, Di Nacht i ojssgesschternt“in der Gefangenschaft im Konzentrationslager schrieb.