Südwesten ohne Scheuers Bau-Turbo
Ein Gesetz soll Infrastrukturprojekte beschleunigen – Baden-Württemberg ist nicht dabei
- Die Bundesregierung will die teils jahrzehntelangen Planungsund Genehmigungsverfahren im Land beschleunigen: Der Bundestag verabschiedete am Freitag mit breiter Mehrheit zwei entsprechende Gesetze. Das erste soll dafür sorgen, dass beim schlichten Ersatz bestehender Bauten kein aufwendiges Planfeststellungsverfahren losgetreten wird. Das zweite mit dem sperrigen Namen „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz“(MGVG) geht deutlich weiter: Es schafft für zunächst bundesweit 13 Schienen- und Wasserwegprojekte in Deutschland die Möglichkeit, Baurecht über eigene Gesetze zu schaffen – statt wie bisher über Verwaltungshandeln. Das soll Planungszeit verkürzen, hoffen die Befürworter. Kritiker befürchten das Gegenteil.
Dass die Planung schneller werden muss, ist dabei weitgehend Konsens: Zwar hat der Staat die Töpfe zur Sanierung der teils maroden Infrastruktur aufgefüllt. Doch „Geld allein reicht nicht“, sagte CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer am Freitag im Bundestag. Man müsse „Großprojekte von der Standspur auf die Beschleunigungsspur bringen“.
Vorbild Dänemark
Vorbild für das MGVG ist Dänemark. Dort hat das Parlament den Bau der Fehmarnbeltquerung als wichtige Verbindung zwischen Deutschland und Skandinavien ebenfalls gesetzlich festgelegt. Seitdem schreitet der Bau – anders als auf deutscher Seite – schnell voran.
Nun will die Bundesregierung das Modell kopieren: Scheuer spricht davon, dass die MGVG-Projekte „über ganz Deutschland verteilt“seien. Doch das stimmt so nicht. Zwar finden sich neben Nord- und Ostdeutschland auch süddeutsche Vorhaben wie der Ausbau der Bahnstrecken von München nach Freilassing und von Hof nach Obertraubling sowie die Fahrrinnenvertiefung des Untermains. Doch Baden-Württemberg fehlt komplett auf der Liste.
Das liegt am grünen Landesverkehrsminister Winfried Hermann, klagt der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Dörflinger. Scheuer habe sogar ausdrücklich angeboten, die Gäubahn von Zürich nach Stuttgart ins MGVG aufzunehmen. Doch das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg verweigerte im Dezember im Bundesrat ein Ja zum MGVG, weil die Koalitionspartner uneins sind.
Die CDU will das Gesetz, die Grünen sind dagegen. „Hermann hat mit seinem Abstimmungsverhalten die Umsetzung des Gäubahn-Ausbaus aus ideologischen Erwägungen auf die lange Bank geschoben. Das muss er allen erklären, die schon lange auf den Ausbau warten“, klagt Dörflinger.
Hermann warnt vor Bau
Der Grünen-Politiker Hermann hat das Gesetz abgelehnt, weil er eine große Gefahr darin sieht. Der Grund: Das MGVG soll vor allem die Klagerechte von Bürgern und Verbänden einschränken. So wäre nur noch eine Verfassungsbeschwerde gegen ein vom MGVG gedecktes Vorhaben möglich, was Hermann schlicht für verfassungswidrig hält.
Seiner Ansicht nach könnten Bundesverfassungsgericht oder Europäischer Gerichtshof per Grundsatz entscheid die gesamten Projekte kippen. „Damit besteht auch die Gefahr, dass Projekte wie die Gäubahn stark verzögert werden, falls sie in das Gesetz aufgenommen würden und gegen dieses Gesetz dann geklagt wird“, warnte Hermann.
Sein Alternativvorschlag: mehr Personal in den Planungsbehörden und mehr politischer Mut. „Wir brauchen keine akademischen Diskussionen über Europa- und Verfassungsrecht, sondern einfach nur jemanden, der den Spaten in die Hand nimmt“, heißt es aus dem Stuttgarter Verkehrs ministerium.
Für Hermanns Parteikollegen Stephan Kühn ist das MGVG sowieso nicht mehr als „alter Wein in neuen Schläuchen“. Bereits nach der Deutschen Einheit seien entsprechende Beschleunigungs instrumente kaum genutzt worden. Was vernünftig klinge, sei nur der Versuch, Bedenken unterzupflügen. „Wir schaffen keine Akzeptanz, wenn wir die Rechte der Bürgerinnen und Bürger beschneiden“, warnte er.
Das sehen die Regierenden in Berlin anders. Durch eine Pflicht zur frühzeitigen Bürger beteiligung weitem an die Mitbestimmung aus, statt sie zu beschneiden, sagte die SPD Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann.
Ihr Parteifreund Johannes Saathoff sieht im MGVG sogar ein Muster für andere Projekte wie den Ausbau der Stromnetze. Den Kollegen mit „alpinem Hintergrund“riet der Ostfriese im Bundestag zu mehr Offenheit. Der Widerstand gegen neue Stromnetze „wird für den Süden teuer“, warnte Saathoff.