Teuber animiert zum Taktieren und Tauschen
Seit 25 Jahren gibt es die „Siedler von Catan“– Das Spiel, das weltweit 30 Millionen Mal verkauft wurde, hat viel mit dem wahren Leben zu tun
Holz gegen Lehm oder doch Wolle und Getreide für ein Erz? Nur wer klug mit Rohstoffen handelt, hat Chancen beim erfolgreichsten Brettspiel der vergangenen Jahrzehnte. Am 2. Februar 1995, vor genau 25 Jahren, präsentierte Klaus Teuber auf der Nürnberger Spielwarenmesse erstmals „Die Siedler von Catan“. Der Beginn eines beispiellosen Siegeszugs. Denn seitdem wurde Klaus Teubers Spiel mit Räubern und Siedlern weltweit über 30 Millionen Mal verkauft.
Schon ein paar Monate später erhielt die Neuerscheinung die Auszeichnung „Spiel des Jahres“, im Herbst folgte der „Deutsche Spiele Preis“. Doch im Unterschied zu den meisten Brettspielen verschwanden die Siedler nach dem Weihnachtsgeschäft nicht in der Versenkung, sondern entwickelten sich zum Longseller. In Deutschland und Europa, schließlich weltweit. Mittlerweile wurden mehr als 30 Millionen Exemplare aus der Catan-Familie verkauft; das Spiel ist in 41 Sprachen übersetzt und wird in 70 Ländern verkauft.
Ein Ende scheint nicht in Sicht: Allein im Vorjahr kamen rund 2,2 Millionen verkaufte Exemplare dazu. Zahlen, die in der Branche vorher als utopisch und unerreichbar galten. Der Stuttgarter KosmosVerlag geht davon aus, dass inzwischen zwei Drittel aller Deutschen schon einmal in der CatanWelt um Rohstoffe gefeilscht, den Räuber gesetzt und Entwicklungskarten gezogen haben. Teuber entwickelte in den Jahren danach die Grundidee weiter, schuf rund ein Dutzend Erweiterungen, übertrug die Prinzipien in historische Szenarien und regionale Zusammenhänge, kreierte eine Weltraumversion, erfand Catan als Karten- und Würfelspiel und setzte es elektronisch um.
„Nein“, sagt Teuber im Rückblick, „mit einem solchen Erfolg hatte ich wirklich nicht gerechnet.“Damals, Anfang der 1990er-Jahre, hatte der Tüftler aus der Odenwaldgemeinde Roßdorf bei Darmstadt nur den Wunsch, mit einem Spiel das Gefühl des Entdeckens fremder Länder und Welten umzusetzen. Jugenderinnerungen an die Abenteuer der Wikinger hatten es ihm angetan. „Ein Jahr lang“, erzählt Ehefrau Claudia, „spielten wir fast jeden Sonntagnachmittag mit unserem jüngsten Sohn die Siedler.“Immer wieder arbeitete der Perfektionist Änderungen ein, variierte Regeln und Abläufe.
Bernward Thole, Mitbegründer und damals Vorsitzender der Jury „Spiel des Jahres“, zeigte sich auch im Nachhinein voll des Lobes über das Ergebnis: Kommunikativ und interaktiv, eine sorgfältig durchdachte und neuartige Regel, ein hervorragendes Layout, das an Abenteuer erinnert und romantische Gefühle weckt: „Alles in allem perfekt.“Die Preisvergabe 1995 sei „die friedlichste gewesen, die die Juroren je trafen“, so Thole.
Der Kölner Sozialwissenschaftler Jürgen
Fritz erklärte das Phänomen so: Ein
Spiel enthalte menschliche Motivationen und gebe ihnen Gestalt. Catan entspreche fast genial dem archaischen Bedürfnis, sich auszubreiten: „Es gibt eine historische Linie vom ersten bekannten Brettspiel der Menschheit, dem
4000 Jahre alten Go, zu den Siedlern von Catan.“Metaphorisch werde Raum erobert – entsprechend der Frage des russischen Schriftstellers Leo Tolstoi: „Wie viel Erde braucht der Mensch?“Der eigene Lebensentwurf werde spielbar.
Für Teuber gehört Spielen zum Menschen wie Geburt und Tod. „Diejenigen, für die diese Facette angeblich keine Bedeutung hat, spielen oft mit Geld und Menschen.“Schon in der Steinzeit, sagt er, waren Spiel, Tanz und Theater unverzichtbare Bestandteile des Lebens – und sind bis heute „immer auch ein Stück Transzendenz“. Es gehe auch um Toleranz, das Akzeptieren von Regeln, die Bewältigung von Niederlagen. Und er erfahre beim Spiel „mehr über meine Mitmenschen als durch jahrelangen Small Talk“.
Sein eigenes Leben hat sich mit der 25-jährigen Erfolgsgeschichte indes kaum geändert. Nachdem der Zahntechniker vor rund 20 Jahren den Beruf an den Nagel hängen und das Hobby zum Beruf machen konnte, modellierte er nur noch in den eigenen vier Wänden. Straßen statt Brücken. An die 40 Stunden pro Woche investiert der inzwischen mit 67 im Rentenalter Angekommene immer noch in „das große Baby“Catan – „obwohl es mir eigentlich aus den Ohren rauskommen müsste.“Tut es aber offenbar nicht: „Spiele entwickeln gibt mir viel Glück und macht mir Freude“.
Während Teubers Tochter Wert auf ein siedlerfreies Leben legt, arbeiten die beiden Söhne seit einigen Jahren in der von ihm ins Leben gerufenen Catan GmbH mit. Der Jüngere entwickelt neue Produkte mit, der Ältere lebt in Kalifornien und kümmert sich um den US-amerikanischen Markt. Dort schwappte die Siedler-Welle erst in den Jahren ab 2005 an die Ufer, als sich Promis wie Komiker Jimmy Fallon und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als Fans outeten. Die „Washington Post“schrieb über die Siedler und der „New Yorker“über „The man who built Catan“. Der Spruch vom „Monopoly-Killer“machte die Runde – auch wenn er wirtschaftlich falsch ist. Aber inzwischen findet abwechselnd in den USA und Europa sogar alle zwei Jahre eine Catan-Weltmeisterschaft statt. Obwohl Teubers Talent bekannt ist und er vier „Spiele des Jahres“entwickelte – außer Catan „Barbarossa“, „Adel verpflichtet“sowie „Drunter und Drüber“–, lehnt selbst sein Haus-und-Hof-Verlag die Veröffentlichung einer neuen Kreation ab, wenn er die Verkaufschancen für schlecht hält. „Mein Vorteil ist nur, dass ein Spiel von mir schneller und gründlicher behandelt wird. Mehr nicht.“Anders als bei Büchern könne man Spiele nicht einfach nach dem Namen des Autors kaufen. Deshalb sei auf der Schachtel auch „der Titel groß und der Name klein“.
Um Privates und Berufliches besser trennen zu können, wurden aus Teubers kleinem Reihenhaus inzwischen zwei. In seinem Reich finden sich in alten Schränken Lötkolben, Zangen und Säge, in Schubkästen Würfel, Chips, Perlen, Karten, Spielgeld und Figürchen, daneben Knete, Klebstoff und Lacke. Im Arbeitszimmer steht ein in die Jahre gekommener Tisch mit sechs einfachen Stühlen. „Ist doch alles da“, sagt Teuber. „Hier können sechs Leute spielen und testen.“Am Abend kommen drei alte Kumpel. Doppelkopf ist angesagt. Räuber und Rohstoff-Karten bleiben in der Schachtel.
Mit einem solchen Erfolg hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Klaus Teuber über den Siegeszug der „Siedler von Catan“