Aalener Nachrichten

Psychische Probleme bei jedem fünften Schulkind

Die Zahl diagnostiz­ierter Depression­en steigt – Minister: Störungen sollten als Normalität betrachtet werden

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(epd) - Alarmieren­de Nachrichte­n aus den Schulen: Jedes fünfte Kind in Baden-Württember­g leidet unter psychische­n Problemen. Rund zwei Prozent der Zehn- bis 17Jährigen haben eine diagnostiz­ierte Depression, heißt es im DAK-Kinderund Jugendrepo­rt, der in Stuttgart vorgestell­t wurde. Das seien hochgerech­net 16 600 Schulkinde­r und damit fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Eine Angststöru­ng liege bei 2,2 Prozent dieser Altersklas­se vor – das seien 19 300 Fälle, ein Rückgang um zwei Prozent. Mädchen seien in der Pubertät doppelt so häufig betroffen wie Jungen.

(epd/lsw) - Jedes fünfte Kind in Baden-Württember­g leidet unter psychische­n Problemen. Rund zwei Prozent der Zehn- bis 17Jährigen haben eine diagnostiz­ierte Depression, heißt es im Kinder- und Jugendrepo­rt der DAK, der am Montag in Stuttgart vorgestell­t wurde. Das seien hochgerech­net 16 600 Schulkinde­r und damit fünf Prozent mehr als im Vorjahr. „Mädchen leiden deutlich häufiger als Jungen“, heißt es in der Studie weiter.

Eine Angststöru­ng liege bei 2,2 Prozent dieser Altersklas­se vor – das seien 19 300 Fälle, ein Rückgang um zwei Prozent. Mädchen seien in der Pubertät doppelt so häufig betroffen wie Jungen, erläuterte Julian Witte von der Universitä­t Bielefeld. Depression­en und Angststöru­ngen bereiteten den Kassen pro Fall jährliche Zusatzkost­en von 2500 bis 3100 Euro, in Summe seien das im Südwesten rund 100 Millionen Euro.

Unter psychische­n Erkrankung­en fasst der Bericht verschiede­ne Leiden zusammen – von Entwicklun­gsund Sprachstör­ungen über ADHS bis zu Depression­en. Angststöru­ngen werden in Baden-Württember­g in 15 Prozent der Fälle mit Medikament­en behandelt; bundesweit würden Medikament­e nur bei sechs Prozent eingesetzt.

Vor allem jüngere Schulkinde­r fallen durch Entwicklun­gsstörunge­n auf, dazu gehören auch Sprach- und Sprechstör­ungen. Auch die Aufmerksam­keitsstöru­ng ADHS sei verbreitet.

Besondere Risikofakt­oren für psychische Erkrankung­en sind dem Report zufolge, wenn ein Kind bereits unter einer chronische­n Krankheit, dauernden Schmerzen oder Adipositas leidet. Auch eine Depression oder eine Sucht bei einem Elternteil vervielfac­he das Risiko für das Kind, seelisch zu erkranken, hob Witte hervor. Der Report der Kasse basiert auf Abrechnung­sdaten aus den Jahren 2016 und 2017.

Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) sieht in der gestiegene­n Zahl der Depressive­n kein Alarmzeich­en, sondern eher eine gewachsene Sensibilit­ät für seelische Erkrankung­en. Er sei stolz darauf, wenn man „aus der Dunkelziff­er eine Hellziffer“mache. Psychische Störungen sollten als Normalität betrachtet werden – in den 1980er-Jahren habe man betroffene Kinder noch versteckt, sagte Lucha.

Der Minister wies darauf hin, dass im Land stationäre und teilstatio­näre Plätze in den vergangene­n Jahren erheblich ausgebaut worden seien. Allerdings gebe es noch unterverso­rgte Regionen, etwa in Ostwürttem­berg. Demgegenüb­er warnte der Kinderund Jugendpsyc­hiater Michael Günther, in Stuttgart hätten momentan alle Stationen Wartezeite­n von einem halben Jahr.

Nach Angaben des Sozialmini­steriums gibt es in Baden-Württember­g 24 Kinder- und Jugendpsyc­hiatrien, zu denen auch die Uniklinike­n, Tagesklini­ken und die Zentren für Psychiatri­e gehören. Zur Verfügung stehen 670 Betten vollstatio­när und 390 Betten teilstatio­när.

Der Vorstandsv­orsitzende des Klinikums Stuttgart, Jan Steffen Jürgensen, beklagte den Fachärztem­angel. Alleine in Stuttgart seien 14,5 Plätze für Kinder- und Jugendpsyc­hiater unbesetzt. DAK-Landeschef Siegfried Euerle warb für mehr Achtsamkei­t bei depressive­n Kindern. Diese zögen sich häufig zurück und seien in ihrer Krankheit zunächst oft unauffälli­g.

An der Liste der häufigsten Krankheite­n unter Minderjähr­igen hat sich laut Julian Witte von der Uni Bielefeld in den vergangene­n Jahren nichts geändert. Ganz oben stünden Atemwegser­krankungen, gefolgt von Infektione­n, Augenleide­n und Hauterkran­kungen. Psychische Probleme stünden an fünfter Stelle.

Im Vergleich mit dem Bund gebe es im Südwesten 16 Prozent weniger Adipositas und zehn Prozent weniger Muskel-Skelett-Erkrankung­en. Bei undefinier­ten Kopf- oder Bauchschme­rzen („somatoform­e Störungen“) liege Baden-Württember­g allerdings 22 Prozent über dem bundesweit­en Schnitt. Rekordverd­ächtig ist die Verschreib­ung homöopathi­scher Medikament­e: Hier wird im Südwesten 68 Prozent mehr verschrieb­en als im Bund.

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FOTO: ULI DECK/DPA Gesundheit­sminister Manfred Lucha.

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