„Frauen haben das Recht, die Hälfte der Positionen zu besetzen“
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther über den Wandel in der CDU
- Die Staatskanzlei in Kiel ist ein hübscher, schlichter 1950er-Jahre-Bau. Unprätentiös geht es auch im ersten Stock zu, wo Daniel Günther (46, CDU), Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, seine Gäste auf dem Flur empfängt und an den Türrahmen gelehnt erst einmal einen kleinen Plausch im Gang hält. Von Günthers Büro aus öffnet sich dann ein grandioser Blick auf die Kieler Förde. Im Verlauf des Interviews ziehen dort mehrere Frachter, diverse Freizeitboote und ein veritables U-Boot vorbei. Daniel Günther bleibt auch im Gespräch mit Ellen Hasenkamp und Mathias Puddig entspannt, am Ende aber drückt er aber aufs Tempo: Seine Laufrunde steht an.
Herr Günther, Sie sind – inzwischen – ein Anhänger der Frauenquote von 50 Prozent in der CDU. Wann kommt die?
Eigentlich bin ich ein Fan von Freiwilligkeit. Aber wir sind damit nicht besonders weit gekommen. Und ich würde jetzt auch nicht unbedingt auf genau 50 Prozent bestehen. Aber 25 Prozent wie in der Bundestagsfraktion ... ... sind natürlich inakzeptabel. Auch in unserer Landtagsfraktion haben wir 21 Männer und vier Frauen. Damit signalisieren wir als Partei: Frauen haben bei uns keine echte Chance. Das geht gar nicht.
Aus der CDU kommt das Argument, es gebe ja auch nur 25 Prozent weibliche Parteimitglieder. Das ist völliger Schwachsinn. Frauen haben das Recht, die Hälfte der Positionen zu besetzen, und das müssen wir hinkriegen. Wir werden in den nächsten Jahren eine verbindliche Quote brauchen.
Sollte die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer das zur Chefinnensache machen?
Sie hat sich ja eindeutig pro Quote positioniert. Ich wünsche mir vor allem mehr Einsatz der Männer. Ich will aber auch nicht so tun, als hätte ich da eine blütenweiße Weste. Ich habe lange gegen die Frauenquote argumentiert. Aber irgendwann ist mir aufgefallen, dass nur Männer dagegen sind oder Frauen, die noch keine Erfahrung in der CDU gesammelt haben. Das sollte einen doch zum Nachdenken bringen.
Muss die CDU auch über die Führungsfrage nachdenken?
Der Parteivorsitz ist besetzt, und wir haben ein klares Verfahren, wie es jetzt weitergeht. Offen ist, wer die Union in die nächste Bundestagswahl führt. Das werden wir am Ende des Jahres entscheiden.
Und gehören Sie weiterhin zum Team Kramp-Karrenbauer?
Ich bin fest davon überzeugt, dass ihre Wahl die richtige Entscheidung war.
CSU-Chef Markus Söder wünscht sich eine Kabinettsumbildung in der Bundesregierung.
Ich finde, dass wir genug Personaldebatten geführt haben, die ziemlich fruchtlos waren. Kabinettsumbildungen macht man und redet nicht drüber.
Schauen wir nach Thüringen. Sie wollten die Debatte über den Umgang mit der Linkspartei schon vor knapp zwei Jahren führen. Jetzt ist das Thema mit Wucht zurück.
Es wäre offenkundig klug gewesen, sich rechtzeitig auf eine solche Situation vorzubereiten. Genau das habe ich damals gefordert. Ich formuliere jetzt sehr vorsichtig, weil mir damals unterstellt wurde, ich hätte eine gewisse Affinität für eine Koalition aus CDU und Linkspartei. Das habe ich nicht.
Aber tolerieren geht?
Die Frage ist doch, was macht die Union, wenn es mit den bisherigen Partnern nicht für eine Mehrheit reicht. Diese Frage wollte die CDU damals nicht diskutieren – und sie will es bis heute nicht. Darunter haben die Kollegen in Thüringen nun zu leiden, denn die können nicht theoretisch reden wie der Bundesvorstand, sondern sie stehen vor der ganz konkreten Situation. Die Bürger fragen: „Ihr habt immer gesagt; erst das Land dann die Partei. Was macht ihr denn jetzt?“
Also ist Verweigerung in Thüringen keine Option?
Es droht ein Vertrauensverlust der Menschen, denn die wollen eine stabile Regierung. Und zum Markenkern der CDU hat es immer gehört, dass wir, egal wie schwierig die Situation war, uns immer in Verantwortung begeben haben. Die Antwort kann nicht sein, dass wir stur Heil in die Opposition gehen. Den Weg hat Mike Mohring in Thüringen klug definiert. Aber die Unterstützung von Bundesebene war überschaubar.
Das Problem ist doch auch, dass eine Öffnung zur Linkspartei auch zu einer Öffnung zur AfD führen könnte.
Es muss immer klar sein, dass niemand in der CDU ernsthaft über eine Zusammenarbeit mit der AfD nachdenkt. Es gibt keine Äquidistanz von der CDU zur Linken und zur AfD. Ich will nicht der Schlauschnacker aus dem Westen sein, aber Bodo Ramelow ist kein auch nur annähernd so problematischer Ansprechpartner für die CDU wie die Thüringer AfD.
Eine weitere Konfliktlinie tut sich zwischen Alt und Jung auf. In der Politik machen gerade – auch international – erstaunlich viele junge Menschen Karriere. Ist Jungsein inzwischen ein Qualitätsmerkmal? Ich kenne furchtbare junge Kollegen und tolle ältere. Ich sehe diesen Gegensatz nicht und ich finde, wir sollten alles tun, damit solche Gegensätze nicht entstehen.
Jetzt müssen wir Ihnen natürlich Ihr Zitat vorhalten, als Sie „älteren Männern“vorwarfen, „alte Rechnungen“begleichen zu wollen.
Sie müssen dieses Zitat in den zeitlichen Zusammenhang stellen: Ich habe das an einem Tag im vergangenen Jahr gesagt, an dem sich die CDUPolitiker Friedrich Merz und Roland Koch sehr despektierlich über die Bundeskanzlerin geäußert haben. Ich fand, dass da mal jemand aus der Partei widersprechen muss. Die gemäßigten Kräfte in der Union, die ich für die deutliche Mehrheit halte, sind aber erstaunlich ruhig geblieben. Deshalb habe ich das dann gesagt – und der Schuss hat gesessen.
Was sagt das über Politik, dass die Moderaten nicht gehört werden? Wie kann sich Politik Gehör verschaffen, ohne zugleich eine Spirale der Heftigkeit in Gang zu setzen? Indem man solche deutlichen Angriffe reduziert. Einmal im Jahr reicht.
Sie haben über Angela Merkel mal gesagt, dass Sie ihre „stoische Präzision“schätzen. Das finden aber viele Menschen langweilig. Wie muss attraktive Politik aussehen? Ich habe Angela Merkel oft in Situationen erlebt, in denen ich dachte, sie muss doch jetzt mal die Fassung verlieren. Das ist nie geschehen. Das bewundere ich. Aber Politik muss heute mehr erklärt werden. Das ist anders als in den letzten 20 Jahren. Wir müssen unsere Argumente vorbringen.
Was für Formate braucht man dafür?
Ich bin schon zu alt für manche Kommunikationswege, zum Beispiel für Twitter. Politik kann man nicht in 280 Zeichen erläutern. Ich habe noch nie irgendwas Schlaues bei Twitter gelesen, da wird höchstens zugespitzt. Persönliche Gespräche helfen – auch wenn das wahnsinnig viel Zeit frisst. Ich habe es oft erlebt, dass wir in direkten Begegnungen überzeugen konnten. Das ist mit einem Newsletter noch nie gelungen.
Sie haben vorhin selbst darauf hingewiesen, dass Sie schon mehrfach Ihre Positionen korrigiert haben. Das ist selten in der Politik. Warum eigentlich?
Viele denken, dass es ihrer Glaubwürdigkeit schadet. Kurskorrekturen werden oft als Schwäche ausgelegt, als fehlende Fähigkeit, sich durchzusetzen.
Welche Ämter wären für Sie noch interessant?
Es bleibt bei meiner Standardantwort: Ich werde bei der nächsten Landtagswahl hier wieder antreten, wenn meine Partei mich aufstellt. Ich habe noch keine Pläne für das, was in vielen Jahren ist.
Sie sind ja noch jung.
Vor allem bin ich sehr glücklich mit dem Amt hier. Denn was auch sehr cool ist: Als Ministerpräsident sind Sie fünf, sechs Tage die Woche abends zu Hause und das ist sehr schön, vor allem, wenn man Kinder hat. Deshalb bin ich daran interessiert, möglichst lange in SchleswigHolstein zu arbeiten.