Der Rekord-Handelsüberschuss ärgert die USA
Ausland drängt Deutschland dazu, wieder einen größeren Ausgleich von Ein- und Ausfuhren zu suchen
- Auch 2019 hat Deutschland wieder einen Rekordüberschuss in der Leistungsbilanz erzielt. Mit 262 Milliarden Euro oder 293 Milliarden Dollar war der sogar der weltgrößte weit vor Japan (194 Milliarden Dollar) und China (183 Milliarden Dollar). Das hat das Münchner ifo-Institut ausgerechnet. Das könnte zu Schwierigkeiten führen, denn das Ausland drängt Deutschland seit Langem dazu, wieder einen größeren Ausgleich etwa von Aus- und Einfuhren zu suchen.
Obwohl die Weltwirtschaft im vergangenen Jahr wegen der Handelskonflikte und der Brexit-Sorgen nicht gut lief, verkauften die deutschen Unternehmen vornehmlich im zweiten Halbjahr mehr Produkte ins Ausland, vor allem in die Vereinigten Staaten. Denn dort machte ein schwächerer Euro die deutschen Produkte billiger. Großbritannien nahm mehr deutsche Waren ab als ein Jahr zuvor. Aber auch die Rezession in der deutschen Industrie sei ein wichtiger Grund, sagte Christian Grimme, Konjunkturexperte am ifoInstitut: „Denn dadurch sind die Importe von Waren langsamer gestiegen.“Denn die deutsche Industrie benötigt viele Vorleistungsprodukte für die Herstellung etwa von Investitionsgütern, und die bezieht sie manchmal sogar zu mehr als der Hälfte aus dem Ausland. Und schließlich fließen auch die „Primäreinkommen“mit in die Leistungsbilanz ein. Das sind vor allem Erträge aus Vermögen im Ausland, seien das Direktinvestitionen oder Wertpapieranlagen. Dieses Auslandsvermögen habe Deutschland in den vergangenen Jahren stark aufgebaut, sagte Grimme.
„Dadurch erhält es jetzt regelmäßig relativ hohe Einkommen und Zinseinnahmen, die schon mehr als ein Drittel des Überschusses in der Leistungsbilanz erklären.“Der entspricht insgesamt einem Anteil von 7,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – 2018 waren es noch 7,3 Prozent gewesen.
Nach den Vorstellungen der Europäischen Union soll der Überschuss der Leistungsbilanz jedoch nicht mehr als sechs Prozent sein. Der Internationale Währungsfonds plädiert sogar für höchstens zwei bis drei Prozent. Denn der Überschuss eines Landes gehe zulasten der anderen Länder, erklärt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Solche Überschüsse seien auch kein Grund, stolz zu sein, mahnt der DIW-Präsident, weil es eine Schwäche in der deutschen Volkswirtschaft deutlich mache: „Wir sparen zu viel und investieren zu wenig in die Zukunft.“Dass der Staat zu wenig investiere, das sehe man an Brücken, Schulgebäuden oder Straßen: „Ich befürchte, mit einer Politik der schwarzen Null wird man es nicht schaffen, diese riesigen Überschüsse abzubauen und Zukunftsinvestitionen zu tätigen.“Stattdessen verleihe Deutschland Geld an ausländische Konsumenten, an ausländische Staaten und an ausländische Unternehmen.
So verliere Deutschland langfristig an Wettbewerbsfähigkeit: „Das ist meine große Sorge.“Fratzscher sieht hier die Politik in der Pflicht: Sie müsse die Bedingungen für Investitionen in Deutschland verbessern. Es sei zwar zunächst positiv, wenn deutsches Kapital im Ausland investiert werde, das dann Zinsen und Einnahmen bringe, meint Konjunkturexperte Grimme vom ifo-Institut. „Aber solche Investitionen sollten auch rentabel sein.“Wenn andere Staaten verstärkt auf Kredite angewiesen seien, stelle sich die Frage, ob sie diese dann auch zurückzahlen könnten.
Die hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands ärgern die europäischen Nachbarn, vor allem aber den amerikanischen Präsidenten. Donald Trump könnte deshalb ernst machen mit den angedrohten Autozöllen gegen Europa, fürchtet Fratzscher, und das womöglich noch vor den Präsidentschaftswahlen im November. Mit gezielten Strafzöllen etwa gegen Luxuslimousinen könne er vor allem Deutschland treffen: „Ich befürchte, das wird er versuchen. Er wird versuchen, Europa zu spalten.“Denn in Europa gebe es unterschiedliche Interessen. Es sei sehr wichtig, dass Europa sich nicht spalten lasse.