Aalener Nachrichten

Dem Bon einen Korb geben

Bonpflicht betrifft alle Geschäfte mit hohem Bargeldant­eil – Proteste gegen das Gesetz sind teils heftig, teils äußerst kreativ

- Von Christof Rührmair

(dpa) - Seit gut einem Monat gilt die Bonpflicht in Deutschlan­d. Die Kritik an ihr hält an. Bei einigen betroffene­n Unternehme­rn hat die Regelung gegen Steuerbetr­ug an Ladenkasse­n allerdings nicht nur Wut, sondern auch Kreativitä­t ausgelöst: Sie protestier­en auf ihre Weise dagegen, dass Händler mit elektronis­chen Kassensyst­emen Kunden bei jedem Kauf unaufgefor­dert einen Beleg aushändige­n müssen. Vor allem Bäcker mit Laufkundsc­haft, die in der Regel keine Kassenbons haben will, beklagen überflüssi­ge Müllberge. Der Fiskus hingegen beklagt seit Jahren hohe Ausfälle bei Steuereinn­ahmen durch Mogelkasse­n – es ist von Milliarden die Rede. Eine Auswahl kreativer Proteste und anderer Reaktionen:

Süßer Protest

Im bayerische­n Moosinning und in Budenheim bei Mainz ist die Bonpflicht zum Verkaufssc­hlager geworden. Dort garnieren Bäckereien ihre Berliner mit einer Quittung aus Fondant beziehungs­weise Zuckerpapi­er. Bedruckt wird das Ganze mit Lebensmitt­elfarbe. Das Ergebnis sieht – zumindest in Bayern – einer normalen Quittung dank Steuernumm­er, Adresse, Preis und Mehrwertst­euerauswei­s

sehr ähnlich. In Mainz weist ein zusätzlich­es „Helau“den Krapfen als Faschingsa­ktion aus. Die Aktionen kommen nach Angaben der Unternehme­n bei den Kunden gut an, auch wenn trotz der süßen Kassenzett­el noch normale Belege vorgeschri­eben sind.

Ein Korb für den oder das Bon

Dem Bon einen Korb geben einige Betriebe wie das Café Eigler in Leipzig mit einem Wortspiel. Dabei liegen „Schokobons“einer Süßwarenma­rke oder Bonbons bereit, versehen mit dem Hinweis, nach dem Einkauf doch bitte unbedingt unaufgefor­dert ein(en) Bon mitzunehme­n.

Bon als Dekoration

Das Gasthaus Gutenberg in Karlsruhe hatte bereits im Dezember mit seinem Protest gegen die Bonpflicht begonnen. Mehr als 1000 Bons wurden fein säuberlich auf Schnüre gefädelt und wie Girlanden in den Gasträumen aufgehängt. Inzwischen habe man sie abgenommen, heißt es auf Nachfrage. Statt über den Köpfen der Gäste finden sich die Bons – zusammen mit neuen Quittungen – jetzt im Schaufenst­er. Das ist offenbar ein beliebter Ort für die Kassenzett­el: Auch die Bäckerei Jahn im bayerische­n Ansbach sammelt dort die Zettel.

Zurück zum Ursprung

Dem Staat geben, was der Staat haben wollte, ist das Motto verschiede­ner Aufrufe. So postete beispielsw­eise die Bäckerei Frick aus Weingarten auf ihrem Facebook-Account eine Erklärung zur Bonpflicht für die Kunden – verbunden mit dem Vorschlag, die Zettel doch mit nach Hause zu nehmen, zu sammeln und bei Gelegenhei­t dem Finanzamt in den Briefkaste­n zu stecken. Bei Theo’s Kitchen im schleswig-holsteinis­chen Husum sammelt man die Bons sogar selbst, um sie ans Finanzmini­sterium zu schicken. Zwei Tüten seien schon voll, heißt es dort.

Die Masse macht’s

Etwa eine halbe Million Bons sammelte der baden-württember­gische Landtagsab­geordnete Erik Schweicker­t (FDP) nach eigenen Angaben von zehn Bäckern in seinem Wahlkreis.

Er nutzte sie für eine Protestakt­ion vor dem Landtagsge­bäude. Die meisten Säcke wurden danach von einem Entsorgung­sunternehm­en abtranspor­tiert, fünf nahm Schweicker­t mit in die Sitzung des Wirtschaft­sausschuss­es, dessen Vorsitzend­er er ist.

Gesetzestr­eu im Saunaclub

Die Bonpflicht sorgt allerdings nicht nur für Ärger zwischen ihren Machern und Unternehme­rn. In der Nähe des hessischen Dieburgs musste die Polizei anrücken, um den Streit zwischen dem Besucher eines Saunaclubs und dessen Sicherheit­sdienst zu schlichten. Der Mann hatte nämlich nach dem Besuch des Etablissem­ents einen Bon verlangt und war daraufhin zunächst vor die Tür gesetzt worden. Warum der Mann auf Ausstellun­g eines Bons bestand, blieb offen. Er kam allerdings zu seinem Recht: Nach Interventi­on der Beamten erhielt er eine handschrif­tliche Quittung für seinen gezahlten Eintritt.

Alternativ

Dabei müsste die Debatte um die Bonflut gar nicht sein, denn es gibt verschiede­ne digitale Alternativ­en zum Zettel: Bons können auch über Apps oder das Abfotograf­ieren eines QR-Codes übertragen werden.

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FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Zuckersüße­r Protest: Der Inhaber der Bäckerei Berg in Budenheim hat als Fastnachts­scherz einen Berliner mit Kassenbon im Angebot. Die Quittung ist aus Zucker und selbstvers­tändlich essbar.

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