Ein Künstler außerhalb der Norm
Für Ezra Furman ist unglücklich zu sein der Schlüssel zu den besten Songs
- Rund 40 Millionen NetflixNutzer haben die Stimme von Ezra Furman mindestens einmal gehört. Für „Sex Education“, eine Netflix-Serie, hat der 33-jährige US-Amerikaner einen Großteil des Soundtracks geliefert. Eine Serie, die auch zu Furmans Leben passt. Die Irrungen und Wirrungen von revoltierenden Teenagern musikalisch zu untermalen gelingt dem nicht gender-konformen Songschreiber mit seinen eindringlichen, rebellischen Songs ziemlich gut.
Grenzgänger zwischen den Stilen
Für Furman, der sich als „Crossdresser“gerne weiblich kleidet, ist die Einordnung der Menschen in Geschlechter irrelevant. Furman selbst ist ein Grenzgänger zwischen den Stilen und Geschlechtern. „Es ist mir ziemlich egal, ob über mich als ‚er‘ oder ‚sie‘ geredet wird,“sagt der Künstler. Hauptsache sei, man akzeptiere ihn so wie er ist und versuche selbst ein guter Mensch zu sein. „Es ist harte Arbeit, eine gute, ehrliche Person zu werden,“sagt Furman, aber er arbeite immerzu daran. Das ist auch die Botschaft für seine Fans: „Die Echtheit und Ehrlichkeit hat immer Priorität.“Auf seinen Konzerten steht er gerne in eleganten Frauenkleidern auf der Bühne, mit schwarzen Strumpfhosen, Blazer und viel Lippenstift. Dem Musiker geht es dabei nicht um Äußerlichkeiten. Durchtrainierte Körper, teure Markenklamotten und makellose Gesichter sind nicht seine Welt. Es ist die Seele, die gut sein müsse und der Verstand. Auf der Bühne verwandelt sich der sonst so introvertierte Furman zu einem aufgeweckten, fokussierten Musiker: „Bei meinen Auftritten bin ich fast in unmenschlichen Gegenden. So als ob ich in eine andere Welt fliege.“
Die Ausstrahlung des Künstlers aus Chicago ist allerdings auch auf der Bühne eine traurige, eine verzweifelte. Verzweifelt über das Weltgeschehen, die vielen Ungerechtigkeiten und auch über seine innere Zerrissenheit: „Es gibt sehr vieles was mich tiefgreifend besorgt: Die Reichen töten die Armen, soziale Zwänge aller Art und vor allem der Klimawandel. Gäbe es die vielen Missstände nicht, könnte Furman keine so guten Texte schreiben. „Unglücklich zu sein ist manchmal der Schlüssel zu den besten Songs.“Die vielen zerronnenen Träume, die Einsamkeit auf Tour. All die Negativität und Melancholie gebe dem Künstler Energie. „Manchmal muss man es zulassen, sich so schlecht zu fühlen wie man sich fühlt. Und diese Stimmung, diesen Schmerz nutze ich um Songs zu schreiben“, ergänzt der Mann, der den jüdischen Glauben lebt. An Freitagen gibt er deshalb keine Konzerte.
Vorbild Bob Dylan
Furmans Songschreiber-Karriere begann schon früh. Mit zwölf Jahren bekam er seine erste Gitarre und wusste schnell, was zu tun war: „Ich sollte Dinge spielen, die meine Eltern mögen – Bob Dylans Songs. Das kennt ein Zwölfjähriger normalerweise nicht. Aber ich fand es umwerfend.“Es begann eine lange Zeit des Schreibens. Zwischenzeitlich auch für seine damalige Band „The Harpoons“. Furmans Vision ist bis heute die gleiche geblieben, „ich möchte so ein ausgezeichneter Songschreiber sein, wie Dylan.“