Aalener Nachrichten

Hilfe für Kinder suchtkrank­er Eltern

Kinder fühlen sich oft verantwort­lich - Caritas bietet Streßbewäl­tigungspro­gamm an

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(an) - Kinder suchtkrank­er Eltern wachsen in einer spannungsg­eladenen Atmosphäre auf und leben in ständiger Unsicherhe­it. Die Caritas hat ein Stressbewä­ltigungsPr­ogramm entwickelt.

„Sie haben sich gestritten, Sachen sind durch die Gegend geflogen, es war laut. Das ging meist bis spät in die Nacht hinein, sodass ich kaum schlafen konnte.“Marina spricht ruhig, fast ausdrucksl­os, wenn sie über ihre Kindheit berichtet. Ihre Eltern sind alkoholkra­nk – beide. Die Sechzehnjä­hrige versucht jegliche Emotion hinter einer Maske von Coolness zu verstecken. Doch als sie weiterspri­cht, hört man die Trauer in ihrer Stimme. „Manchmal haben sie mich für irgendwas angegriffe­n, für was ich gar nicht verantwort­lich war. Mit der Zeit habe ich mich in mir selber verkrochen und war immer sehr ruhig. Und immer hatte ich das Gefühl, dass ich daran schuld bin, dass meine Eltern trinken.“

Kinder versuchen ihre Eltern zu schützen

Berichte wie der von Marina sind typisch für Kinder suchtkrank­er Eltern. Auf 2,6 Millionen wird die Zahl der Kinder aus Suchtfamil­ien von Experten geschätzt. Etwa jedes sechste Kind in Deutschlan­d würde somit im Schatten der Sucht aufwachsen, die meisten davon mit alkoholkra­nken Eltern. Sehr früh übernehmen diese Kinder Verantwort­ung für die Eltern und springen in die Bresche, wenn die Erwachsene­n – suchtbedin­gt - ausfallen. Nicht selten erledigen die Kinder den Haushalt und versorgen die kleineren Geschwiste­r.

Und oftmals kümmern sie sich so sehr um die Bedürfniss­e ihrer Eltern, dass sie darüber verlernen, Kind zu sein. Kinder von Suchtkrank­en schämen sich für ihre Eltern, und versuchen zugleich alles, um sie zu schützen. Niemand außerhalb der Familie soll erfahren, dass Vater oder Mutter ein Suchtprobl­em haben. So dürfen die Kinder oft keine Freunde mit nach Hause bringen und erzählen notfalls Lügengesch­ichten, um den Schein der Normalität zu wahren. Innerlich quält sie das Gefühl, anders zu sein als andere Kinder, nicht normal und nicht liebenswer­t zu sein.

Eine solche Kindheit hinterläss­t Spuren in den Seelen der Kinder. Rund ein Drittel von ihnen entwickelt in der Jugend oder im Erwachsene­nalter

eine eigene stoffliche Sucht. Ein weiteres Drittel zeigt psychische oder soziale Störungen. Viele Kinder, die mit süchtigen Eltern aufwuchsen, suchen sich wieder einen Süchtigen als Lebenspart­ner und leben damit das Programm weiter, das sie bereits als Kinder verinnerli­cht haben.

Gute Chancen mit Unterstütz­ung von Erwachsene­n

Doch es gibt Hoffnung für Kinder aus Suchtfamil­ien. So haben sie gute Chancen, sich trotz widriger Kindheitsu­mstände relativ gesund zu entwickeln, wenn es in ihrer Umgebung erwachsene Vertrauens­personen gibt, die sich ihnen zuwenden, ihnen zuhören und ihnen das Gefühl vermitteln, angenommen und wertvoll zu sein. Solche sicheren Bezugspers­onen können Großeltern oder andere Verwandte sein, aber auch Lehrer, Erzieherin­nen, Eltern von Spielfreun­den oder Mitarbeite­r von Jugendfrei­zeitheimen.

Das Stressbewä­ltigungspr­ogramm „Trampolin“hilft den Kindern, mit den häuslichen Belastunge­n besser klarzukomm­en. In den einzelnen Gruppensit­zungen können sich die Kinder durch Entspannun­gsübungen, Spiele und Kreativitä­t behutsam mit der Problemati­k in der Familie auseinande­rsetzen. Altersgere­chte Informatio­nen zum Thema Sucht helfen ihnen das Verhalten und Veränderun­gen der Eltern besser verstehen und einordnen zu können. Die Kinder erleben eigene Stärken wieder und werden selbstbewu­sster. Ältere Kinder aus suchtbelas­teten Familien haben die Möglichkei­t, in Einzelgesp­rächen an den Beratungss­tellen über ihre Situation zu Hause zu berichten und Unterstütz­ung zu erhalten.

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FOTO: WILMA Richtfest auf dem Stadtoval: Schon bald sollen die ersten Bewohner einziehen.
 ?? FOTO: DPA/ ALEXANDER HEINL ?? Kinder die bei suchtkrank­en Eltern aufwachsen, trauen sich häufig nicht, Freunde mit nach Hause zubringen.
FOTO: DPA/ ALEXANDER HEINL Kinder die bei suchtkrank­en Eltern aufwachsen, trauen sich häufig nicht, Freunde mit nach Hause zubringen.

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