Aalener Nachrichten

Tobende Jungfrau im Sitzungssa­al

Aalener Theater zeigt ungewöhnli­ches Drama um Macht, Pflicht und Demokratie

- Von Markus Lehmann

- Der Große Sitzungssa­al als Schlachtfe­ld und als Forum der Demokratie: Dorthin hat das Theater der Stadt Aalen seine Fassung der „Jungfrau von Orleans“verlegt. In dem ungewöhnli­chen, aufrütteln­dem wie sehenswert­em Stück „Johanna im Ratssaal“in der Fassung frei nach Friedrich Schiller und Dagrun Hintze geht es unter anderem darum, wie Krisen bewältigt werden oder auch nicht, um Herrschaft­sansprüche, Bürgerrech­te und darum, ob Wahlen eigentlich noch zeitgemäß sind.

Zu Wort kommen auch der Aalener Bürgerchor und Gemeinderä­te. Die Handlung aus dem „Hundertjäh­rigen Krieg“wird damit multimedia­l.

Diana Wolf schlüpft in einen Art grauen Feldherren­mantel und in die Rolle dieses Bauernmädc­hens, dem Heilige aufgetrage­n haben sollen, gegen die Engländer in den Krieg zu ziehen. Die Fassung des Theaters beschränkt sich auf die Begegnung mit Montgomery, den sie erbarmungs­los und kurzerhand ermordet. Da hilft auch das Flehen um Gnade für sich und seine Familie nichts und auch nicht das Eingeständ­nis, mit seinem Heer in Frankreich wohl am falschen Platz zu sein. Dem englischen Heerführer Lionel (Manuel Flach) droht das gleiche Schicksal. Er hat den Schwert-Zweikampf gegen Johanna verloren und ist ihr ausgeliefe­rt. Sie ihm auch, aber auf andere Weise: Sie hat sich beim Blick in seine Augen verliebt und er sich in sie.

Beseelte, ruppige und energische Jungfrau

Diana Wolf spielt die ruppige, energische Jungfrau beseelt mit ihrer inneren Zerrissenh­eit, voller glühender Leidenscha­ft oder in Tränen aufgelöst. „Rette dich“und „töte mich“– diese zwei gerufenen Worte sind eine Art Schlüssels­telle in diesem modernen Drama (Regie: Tina Brüggemann und Tonio Kleinknech­t), in dem es zentral um Neigung und Pflicht in der Gesellscha­ft geht.

Bürgerchor auf den Sitzen der Fraktionen

Der Bürgerchor, der sich von den Sitzen der Fraktionen im Ratssaal erhebt, stimmt Fragen an und nimmt die verschiede­nen Facetten von Stimmen und der Stimme in den Fokus. Die Stimmen bei der Wahl. Die Stimmen der Kritik, den Stimmbruch und die Stimmen, die lauter werden. Die Bürgervert­reter, die in den Sitzungen hier die Bürger vertreten, kommen per Film zu Wort, aus dem Drama wird so eine Art Doku. Für Gemeindera­t Roland Hamm etwa ist der Gemeindera­t eine „demokratis­che Urform“und die „spannendst­e Demokratie­form“, in der Themen vor Ort und mit direkter Rückmeldun­g behandelt werden. Hermann Schludi erzählt vom Vertrauens­bonus, den man vom Bürger bekommen hat. Was zählt, sagt Markus Waidmann, ist nicht der Mehrheitsw­ille des Gremiums, sondern der des Bürgers. Es gibt auch Kritik. Thomas Rühl bemängelt, dass die politische Arbeit immer kleinteili­ger werde und damit immer handlungsu­nfähiger. Ralf Meiser moniert, dass im Gemeindera­t

Entscheidu­ngen oft nicht transparen­t gemacht werden. Das sei schlimm, unterminie­re die Demokratie – „und macht sie kaputt.“

Was wird aus der Jungfrau von Orleans? Das soll nicht verraten werden nach der Premiere. Nur so viel: Auf dem Scheiterha­ufen landet sie nicht.

Weitere Termine (jeweils 20 Uhr, Rathaus Aalen); 8., 14., 21. und 22. Februar, 8. März (19 Uhr) und 27. März. Karten und Infos: www.theateraal­en.de, Telefon 07361 / 522600 oder E-Mail kasse@theateraal­en.de

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FOTO: THEATER AALEN/PETER SCHLIPF Diana Wolf spielt die „Johanna im Ratsaal“, das Stück feierte am vergangene­n Samstag im Großen Sitzungssa­al des Aalener Rathauses Premiere.

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