Tobende Jungfrau im Sitzungssaal
Aalener Theater zeigt ungewöhnliches Drama um Macht, Pflicht und Demokratie
- Der Große Sitzungssaal als Schlachtfeld und als Forum der Demokratie: Dorthin hat das Theater der Stadt Aalen seine Fassung der „Jungfrau von Orleans“verlegt. In dem ungewöhnlichen, aufrüttelndem wie sehenswertem Stück „Johanna im Ratssaal“in der Fassung frei nach Friedrich Schiller und Dagrun Hintze geht es unter anderem darum, wie Krisen bewältigt werden oder auch nicht, um Herrschaftsansprüche, Bürgerrechte und darum, ob Wahlen eigentlich noch zeitgemäß sind.
Zu Wort kommen auch der Aalener Bürgerchor und Gemeinderäte. Die Handlung aus dem „Hundertjährigen Krieg“wird damit multimedial.
Diana Wolf schlüpft in einen Art grauen Feldherrenmantel und in die Rolle dieses Bauernmädchens, dem Heilige aufgetragen haben sollen, gegen die Engländer in den Krieg zu ziehen. Die Fassung des Theaters beschränkt sich auf die Begegnung mit Montgomery, den sie erbarmungslos und kurzerhand ermordet. Da hilft auch das Flehen um Gnade für sich und seine Familie nichts und auch nicht das Eingeständnis, mit seinem Heer in Frankreich wohl am falschen Platz zu sein. Dem englischen Heerführer Lionel (Manuel Flach) droht das gleiche Schicksal. Er hat den Schwert-Zweikampf gegen Johanna verloren und ist ihr ausgeliefert. Sie ihm auch, aber auf andere Weise: Sie hat sich beim Blick in seine Augen verliebt und er sich in sie.
Beseelte, ruppige und energische Jungfrau
Diana Wolf spielt die ruppige, energische Jungfrau beseelt mit ihrer inneren Zerrissenheit, voller glühender Leidenschaft oder in Tränen aufgelöst. „Rette dich“und „töte mich“– diese zwei gerufenen Worte sind eine Art Schlüsselstelle in diesem modernen Drama (Regie: Tina Brüggemann und Tonio Kleinknecht), in dem es zentral um Neigung und Pflicht in der Gesellschaft geht.
Bürgerchor auf den Sitzen der Fraktionen
Der Bürgerchor, der sich von den Sitzen der Fraktionen im Ratssaal erhebt, stimmt Fragen an und nimmt die verschiedenen Facetten von Stimmen und der Stimme in den Fokus. Die Stimmen bei der Wahl. Die Stimmen der Kritik, den Stimmbruch und die Stimmen, die lauter werden. Die Bürgervertreter, die in den Sitzungen hier die Bürger vertreten, kommen per Film zu Wort, aus dem Drama wird so eine Art Doku. Für Gemeinderat Roland Hamm etwa ist der Gemeinderat eine „demokratische Urform“und die „spannendste Demokratieform“, in der Themen vor Ort und mit direkter Rückmeldung behandelt werden. Hermann Schludi erzählt vom Vertrauensbonus, den man vom Bürger bekommen hat. Was zählt, sagt Markus Waidmann, ist nicht der Mehrheitswille des Gremiums, sondern der des Bürgers. Es gibt auch Kritik. Thomas Rühl bemängelt, dass die politische Arbeit immer kleinteiliger werde und damit immer handlungsunfähiger. Ralf Meiser moniert, dass im Gemeinderat
Entscheidungen oft nicht transparent gemacht werden. Das sei schlimm, unterminiere die Demokratie – „und macht sie kaputt.“
Was wird aus der Jungfrau von Orleans? Das soll nicht verraten werden nach der Premiere. Nur so viel: Auf dem Scheiterhaufen landet sie nicht.
Weitere Termine (jeweils 20 Uhr, Rathaus Aalen); 8., 14., 21. und 22. Februar, 8. März (19 Uhr) und 27. März. Karten und Infos: www.theateraalen.de, Telefon 07361 / 522600 oder E-Mail kasse@theateraalen.de