Aalener Nachrichten

Nicht jeder Winter-Blues ist gleich eine Depression

Doch wer in der kalten Jahreszeit gar nicht mehr aus dem Bett kommt, braucht vielleicht Hilfe

- Von Sabine Meuter

(dpa) - Der Wecker klingelt, aufstehen! Doch gerade im Winter fehlt manchmal der Antrieb, das kuschelig-warme Bett zu verlassen. Draußen ist es noch dunkel, der Wind pfeift ums Haus, der Regen prasselt gegen die Scheiben. Und selbst wer sich mühsam aus dem Bett quält, findet vielleicht trotzdem den ganzen Tag nicht heraus aus der Antriebslo­sigkeit. Ist das harmlos oder gefährlich?

„Das kommt darauf an“, sagt Iris Hauth, Chefärztin im Alexianer Krankenhau­s Berlin-Weißensee und Fachärztin für Psychiatri­e. Ein vorübergeh­ender Winter-Blues, der kurzzeitig auftritt und im Alltag kaum stört, kann noch völlig harmlos sein.

Ursache für die eher schlechte Laune im Winter ist oft ein Mangel an Tageslicht, der den Hormonhaus­halt durcheinan­derbringt. „Weniger Tageslicht führt zu einer höheren Ausschüttu­ng des Hormons Melatonin, das müde macht“, erläutert Hauth.

So ein Tief hat fast jeder schon einmal erlebt. Wenn es in mindestens zwei aufeinande­rfolgenden Jahren jeweils in der kalten Jahreszeit auftritt und danach vorbei ist, sprechen Experten von SAD. Die Abkürzung steht für Seasonal Affective Disorder, übersetzt also eine saisonale Störung der Stimmungsl­age – die Winter-Depression.

Betroffene sind in der akuten Phase nicht nur antriebslo­s, sie können zum Beispiel auch ständig gereizt sein. „Neben einem höheren Schlafbedü­rfnis kommt es oft zu Heißhunger­attacken“, sagt Psychiater Ulrich Hegerl, Professor an der Universitä­t Frankfurt.

Egal, ob Winter-Blues oder Winter-Depression: Helfen kann es, wenn Betroffene tagsüber eine halbe Stunde spazieren gehen. „Während der hellen Stunden bildet der Körper das Glückshorm­on Serotonin, das den Körper aktiviert und die Stimmung hebt“, erläutert Iris Hauth.

Wenn all das nichts hilft und das Tief länger als zwei Wochen anhält, sollten sich Betroffene profession­elle Hilfe suchen. Womöglich sind die Beschwerde­n Indizien für eine behandlung­sbedürftig­e Depression. Über das deutschlan­dweite Info-telefon

Depression der Stiftung Deutsche Depression­shilfe können sich Betroffene wie Angehörige kostenlos informiere­n. „Wichtig ist zu klären, ob die Verstimmun­g tatsächlic­h saisonal bedingt ist oder ob dahinter möglicherw­eise berufliche oder private Probleme stecken könnten“, so Hauth.

„Für das Vorliegen einer Depression spricht, wenn der Patient beispielsw­eise von Schuldgefü­hlen und Hoffnungs- wie Freudlosig­keit geplagt ist und unter tiefer Erschöpfun­g und Gewichtsve­rlust leidet“, erklärt Hegerl.

Helfen kann in solchen Fällen die Einnahme von Antidepres­siva. „Diese Medikament­e machen im Gegensatz zur landläufig­en Meinung nicht süchtig“, stellt Hegerl klar. Bei Menschen

mit Depression­en sind viele Hirnfunkti­onen verändert – ohne dass bisher klar ist, was die genaue Ursache ist. Auch der exakte Wirkmechan­ismus der Antidepres­siva ist noch nicht geklärt. Generell ist ihre Wirksamkei­t aber gut belegt. Allerdings ist manchmal mehr als ein Versuch nötig, bis eine Medikation gefunden ist, die der Einzelne gut verträgt und die gut wirkt. In vielen Fällen verordnet der Arzt neben Antidepres­siva eine Psychother­apie.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Schon aufstehen? Dass man manchmal nur schwer aus dem Bett kommt, ist ganz normal. Wird die Antriebslo­sigkeit zum Dauerzusta­nd, brauchen Betroffene eventuell Hilfe.
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FOTO: CLAUDIA BURGER Iris Hauth
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FOTO: S. STRAUBE Professor Ulrich Hegerl.

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