Ein Held aus einer anderen Zeit
Zum Tod von Kirk Douglas
Als er am 9. Dezember 1916 geboren wurde, tobte noch der 1. Weltkrieg. Als er 1960 als Sklavenanführer im gleichnamigen Film „Spartacus“brillierte, hieß der US-Präsident Dwight Eisenhower. Nun ist Schauspieler Kirk Douglas gestorben – im Alter von 103 Jahren. Er war ein Held aus einer anderen Zeit, eine Hollywood-Legende.
Er war der letzte große Star des klassischen Hollywood. Und doch repräsentiert er in vieler Hinsicht schon dessen Neuanfänge und die Zukunft nach dem Ende des Studiosystems: Kirk Douglas, der jetzt im biblischen Alter von 103 Jahren in Hollywood gestorben ist.
Der Sohn eines Lumpensammlers wurde 1916 in Amsterdam geboren, nicht in Hollands Metropole, sondern der Industriemetropole im Staat New York. Sein Geburtsname Issur Danielovitch Demsky verweist auf die Herkunft der Eltern: Einwanderer der ersten Generation, jüdische Weißrussen, die aus dem vorrevolutionären Zarenreich vor antisemitischen Pogromen geflohen waren.
Diese Herkunft hat ihn geprägt. Es war der schwere, harte Weg. Eine bettelarme Kindheit, in der dem einzigen Sohn neben sechs Schwestern nichts geschenkt wurde – oder eben doch, in anderer Weise: ein festes, wertkonservatives Weltbild ohne große religiöse Bindung. Dies hinderte die jüdische Gemeinde des Viertels nicht, dem begabten Jungen ein Stipendium zu zahlen, damit er eine höhere Schule besuchen und studieren konnte. Zusätzlich verdingte er sich als professioneller Ringer, als Kellner und Hotelpage. Bald wechselte er auf die Schauspielschule.
Es gab erste Broadwayauftritte, doch dann begann auch für Amerika der Zweite Weltkrieg und Douglas, wie er jetzt hieß, wurde noch im Dezember 1941 zur Navy eingezogen. Als der Krieg vorbei war, ging er wieder zurück nach New York. Bis er als Schauspieler überleben konnte, dauerte es aber. Begonnen hatte seine Hollywood-Karriere ein Jahr später angeblich auf Empfehlung von Laureen Bacall, die auf der American Academy of Dramatic Arts seine Klassenkameradin war. Sehr früh und schnell gab es markante Auftritte. Etwa in „Die seltsame Liebe der Martha Ivers“(1946) als Alkoholikergatte von Barbara Stanwyck. Und in Jacques Tourneurs Film-Noir-Klassiker „Out of the Past“(1947) als Gegenspieler von Robert Mitchum.
Schon 1951 spielte er dann einen Hollywoodstar: Unter Vincente Minnellis Regie in „The Bad and the Beautiful“, einer der raren HollywoodSelbstparodien, einen skrupellosen Filmproduzenten.
In den Folgejahren arbeitete er mit fast allen Großen seiner Zeit zusammen, außer mit Minnelli auch mit Billy Wilder („Reporter des Satans“), Otto Preminger („In Harms Way“) und gleich zweimal mit Stanley Kubrick im Kriegsfilm „Wege zum Ruhm“und dann unvergesslich in der Titelrolle von „Spartacus“.
Douglas war ein gut aussehender, zugleich aber sehr spezieller Typ. Mit seinem kantigen
Kinn und dem Grübchen in dessen Mitte, den strahlend blauen Augen, den nach hinten gesträhnten aschblonden Haaren spielte er als einer der wenigen sowohl Helden wie Bösewichte. Und immer brachte er in die eine Seite
etwas von der anderen mit hinein: Seine Schurken hatten Charme, seine Helden einen brutalen Zug – es war die Zärtlichkeit der Kannibalen. Er spielte Wilde, Proletarier, Krieger, Sklaven, immer wieder Harte, Konsequente, Einzelgänger; Charaktere, mit denen man nicht gut reden konnte, die Gehorsam einforderten, bestenfalls Gefolgschaft, aber nie Teamplayer waren. Was sie antrieb, war eine archaische Urkraft, ebenso Eros wie Todestrieb.
Man könnte all das aber auch als schillernd beschreiben. Es ist wahrscheinlicher, dass dieses Leinwandimage des Schauspielers Kirk Douglas nicht besonders viel mit seinem Träger, mit der Person dahinter zu tun hatte. Was beide verbindet, war aber wohl Gier. Gier nach Leben, nach Wissen, nach Erfahrung, nach allem, worin er sich zu kurz gekommen fühlte.
„Lust for Life“, wie sein zweiter Film mit Minelli heißt, in dem er Vincent van Gogh spielte, jenen Maler am Rande des Nervenzusammenbruchs, der in Hollywood für Kunst an sich steht, also den Universalkünstler und seine Verbindung von Genie und Wahnsinn. Die schien kein Zweiter so auszudrücken wie Douglas, wie sein Stahlblick und sein Kinn. Und man tritt Kirk Douglas wohl nicht zu nahe, wenn man bemerkt, dass ihm diese Rolle schon besonders wichtig war. Seinen dritten Sohn nannte er Vincent, und der Film wurde in den folgenden Jahren immer dann vorgeführt, wenn Douglas irgendeine wichtige Ehrung fürs Lebenswerk bekam, den Ehrenbär 2001 etwa, bei der Abschiedsberlinale von Moritz de Hadeln.
Der Mensch Kirk Douglas war schon früh immer an mehr interessiert als am Schauspiel allein. Er sollte ein Werk schaffen, etwas hinterlassen, was über den Tag hinaus Bestand haben könnte. Er sprang als Produzent ein, wenn ein Film schwer zu finanzieren war, er interessierte sich für Inhalte – manchmal mehr, als den Regisseuren lieb war.
Politisch war Kirk Douglas einerseits immer ein Linker in Hollywood, das alles in allem viel reaktionärer ist als sein Ruf. Aber er war nie ein Prinzipienreiter. So engagierte er sich für Obdachlose und gegen Waffenfreizügigkeit und holte den in der McCarthy-Zeit auf die Blacklist gesetzten Autor Dalton Trumbo zurück nach Hollywood. Aber er half auch dem Regisseur Elia Kazan zu einer Zeit, als dieser im linksliberalen Hollywood der 60er-Jahre gerade verfemt war, weil man ihm seine persönliche Feigheit während der McCarthy-Ära vorwarf.
So ist mit Kirk Douglas, der aus zwei Ehen vier Söhne hat und von seiner deutschstämmigen hundertjährigen Gattin Anne überlebt wird, nicht nur der letzte große Star aus Hollywoods Glanzzeit gestorben, sondern auch eine vielschichtige, engagierte Künstlerpersönlichkeit.