Aalener Nachrichten

Bahnchaos verfolgt Hermann

Verkehrsmi­nister rechtferti­gt sich im Landtag und verteidigt sich gegen Rücktritts­forderunge­n

- Von Daniel Hadrys

- Zugausfäll­e, Verspätung­en, überfüllte Waggons: BadenWürtt­embergs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) steht derzeit heftig in der Kritik. Die wurde in den vergangene­n Tagen immer lauter und schwoll bis zu Rücktritts­forderunge­n an – die auch aus den Reihen des Koalitions­partners CDU kamen. Kritiker werfen Hermann vor, die Schuld für das Bahnchaos auf andere abzuwälzen. Am Donnerstag musste sich Hermann den Vorwürfen im Stuttgarte­r Landtag stellen. Dort wies er die Verantwort­ung von sich und schloss persönlich­e Konsequenz­en aus. Er kündigte zudem Entschädig­ungen für betroffene Fahrgäste an.

Die Kritik entzündet sich vor allem an der Überlastun­g des Regionalve­rkehrs auf mehreren Bahnstreck­en im Land. Auf der Filstalbah­n zwischen Stuttgart und Ulm beispielsw­eise fallen seit Monaten Züge aus. Pendler klagen über überfüllte Bahnen und massive Verspätung­en.

Fehler bei Ausschreib­ung?

Ein Grund: 2019 hatte der private Betreiber Go Ahead dort den Betrieb von der Deutschen Bahn übernommen. Die Landesregi­erung hatte diesen ausgeschri­eben und sich für Go Ahead entschiede­n. Der Zugherstel­ler Stadler hatte die Züge jedoch erst kurz vor Beginn des neuen Fahrplans ausgeliefe­rt. Wie sich herausstel­lte, hatten diese technische Probleme. Kritiker werfen Hermann Fehler bei der Ausschreib­ung vor.

Doch nicht nur daran entzündet sich der Ärger von Opposition, CDU und den Landkreise­n. Am Mittwoch vergangene­r Woche hatte der Verkehrsau­sschuss des Landtags über die Zustände auf den Schienen in Baden-Württember­g

diskutiert. Hermann hatte an dieser Sitzung nicht teilgenomm­en. Er ließ sich von seinem Ministeria­ldirektor vertreten, da er selbst als Referent bei einer Veranstalt­ung in Ravensburg aufgetrete­n war.

AfD-Fraktionsc­hef Bernd Gögel unterstell­te Hermann, „frierende Kinder, sich sorgende Arbeitnehm­er und ein katastroph­ales Bild des baden-württember­gischen Verkehrs“seien ihm nicht wichtig gewesen. Das, so beteuerte Hermann am Donnerstag, sei ein Fehler gewesen. Im Ministeriu­m wolle man dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr vorkomme. Zudem wolle er sich in weiteren Veranstalt­ungen der Debatte stellen.

Die übrigen Vorwürfe wies Hermann von sich. „Ich lasse mir nicht alle Probleme, die in diesem System vorhanden sind, in die Schuhe schieben“, sagte Hermann. Es sei „doch lächerlich, dass ein Verkehrsmi­nister Schweißnäh­te und Fahrpläne überprüfen oder Lokomotivf­ührer spielen soll“. Hermann betonte, es sei ärgerlich, wenn Betreiber nicht einhielten, was sie vertraglic­h zugesicher­t hätten. Man habe sich sogar regelmäßig von den Hersteller­n berichten lassen – und die Firmen hätten „falsch informiert“. Der Zugherstel­ler Bombardier, der den privaten Bahnbetrei­ber Abellio bedient, habe bis heute „maximal die Hälfte“der bestellten Züge geliefert, und Stadler Exemplare mit „jeder Menge Mängel“. Daher sei es „doch völlig klar“, dass Züge und Sitzplätze nicht ausreichen. Deswegen gibt es auch auf der Strecke Stuttgart-Mannheim Probleme.

Derzeit wolle man daher Züge nachbestel­len, „wenn es auf dem Markt möglich ist“. Um Personalen­gpässe auszugleic­hen, bilde man Flüchtling­e zu Zugführern aus, um einen „Lokführerp­ool“zu bilden. Auf den können die Betreiber beispielsw­eise bei Krankheits­fällen zurückgrei­fen.

Mit einem Bonus-Malus-System wolle man zudem besonders pünktliche Betreiber belohnen und unzuverläs­sige Anbieter zur Kasse bitten. Von Zugausfäll­en und Verspätung­en betroffene Pendler sollen eine einmalige Entschädig­ung erhalten. Anspruch darauf haben Menschen mit einer Zeitkarte rückwirken­d für ein halbes Jahr.

Neben der AfD, die erneut den Rücktritt Hermanns forderte, gingen auch CDU, FDP und SPD mit dem Verkehrsmi­nister hart ins Gericht. „Sie sind der König der Ausreden“, sagte Martin Rivoir, verkehrspo­litischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er warf Hermann vor, blauäugig und mit seinem Amt überforder­t zu sein und zudem Fehler bei der Ausschreib­ung gemacht zu haben.

Der Koalitions­partner CDU kritisiert­e Hermann ebenfalls scharf. „Jetzt steigen die Menschen endlich um, aber von der Schiene aufs Auto – so haben wir uns das nicht vorgestell­t“, sagte deren verkehrspo­litische Sprecher Thomas Dörflinger. Das Chaos mache die CDU-Fraktion fassungslo­s. Auch er warf Hermann vor, Unternehme­n, Betreiber und Verkehrsmi­nisterium würden die Schuld hin- und herschiebe­n.

CDU-Generalsek­retär Manuel Hagel machte den Schuldigen für sich bereits aus. Hagel postete auf Facebook: „Das Chaos hat einen Namen: Winfried Hermann.“

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Der private Betreiber Go Ahead hat derzeit technische Probleme.
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FOTO: DPA Winfried Hermann musste sich den Vorwürfen stellen.

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