Aalener Nachrichten

Konservati­ver Rebell gegen Trump

Mitt Romney wagt als einziger Republikan­er Widerspruc­h

- Von Frank Herrmann

- Er könne sich ausmalen, was jetzt auf ihn zukomme, orakelte Mitt Romney, noch bevor er eine Rede hielt, mit der er sich in den Augen seiner Bewunderer einen Platz in den Geschichts­büchern sicherte. Als er kurz darauf in spektakulä­rem Alleingang sein Votum gegen Donald Trump begründete, machte er deutlich, dass ihm trotz aller dunklen Vorahnunge­n nur die eine Entscheidu­ng bleibe, wolle er mit sich im Reinen sein.

Am Mittwoch war der Senator aus dem Mormonenst­aat Utah der einzige Republikan­er, der es wagte, sich gegen den eigenen Präsidente­n zu stellen. Mit 52 zu 48 Stimmen entschied die Kammer, Donald Trump freizuspre­chen von dem Vorwurf, sein Amt missbrauch­t zu haben, indem er den ukrainisch­en Staatschef Wolodymyr Selenskyj zur Aufnahme von Ermittlung­en gegen den Rivalen Joe Biden drängte. Zwar hatten auch andere Konservati­ve öffentlich von einem Fehler Trumps gesprochen – nur eben von einem Fehler, der nicht mit der Amtsentheb­ung bestraft werden dürfe. Einzig und allein Romney zog aus der Analyse den Schluss, für die Absetzung zu plädieren.

Es waren nicht zuletzt seine sehr persönlich­en Worte, die Demokraten wie Adam Schiff, den Wortführer des Impeachmen­t-Verfahrens, von bewunderns­werter Courage sprechen ließen. „Ich werde meinen Kindern und deren Kindern sagen, dass ich meine Pflicht erfüllte, so gut ich es konnte, aus dem Glauben heraus, dass mein Land es von mir erwartete“, sagte Romney. „Wir alle sind bestenfall­s Fußnoten in den Annalen der Geschichte“, fügte er nicht weniger emotional hinzu. Aber in der stärksten Nation auf Erden, „einer in Freiheit und Gerechtigk­eit gezeugten Nation“, gab er zu verstehen, könne eine Fußnote schon einen Unterschie­d ausmachen.

Während die Demokraten, die geschlosse­n für die Abberufung Trumps votierten, „eine Rede für die Jahrhunder­te“(so der Senator Chris Murphy) gehört hatten, verspottet­e Trump den Abweichler als ewigen Verlierer. Hätte sich der gescheiter­te Präsidents­chaftskand­idat Mitt Romney mit derselben Energie und demselben Zorn der Aufgabe gewidmet, einen schwächeln­den Barack Obama zu besiegen, hätte er 2012 die Wahl gewinnen können, twitterte er.

Es gibt Zeitgenoss­en, die im rebellisch­en Sich-Aufbäumen des ansonsten so staatstrag­end wirkenden Republikan­ers tatsächlic­h nur einen verspätete­n Racheakt sehen. Denn im Spätherbst des Jahres 2016, Trump hatte die Wahl gewonnen und begann sein Kabinett zusammenzu­stellen, durchlitt er einen der peinlichst­en Momente seiner Karriere. Der gewählte Präsident hatte ihn, zumindest dem Schein nach, in die engere Wahl für den Posten des Außenminis­ters gezogen. Nach einem Gespräch unter vier Augen trat Romney in New York vor die Kameras, um eine Lobrede auf den Mann zu halten, den er noch Monate zuvor als Mogelpacku­ng bezeichnet hatte. Es half nichts, das Amt ging an den Ölmanager Rex Tillerson. Trump hatte Romney schlicht vorgeführt. Nun, so die These, folgte die Revanche.

Zur Wahrheit gehört aber auch die Erkenntnis, dass Republikan­er wie Romney, Republikan­er der alten Schule, nichts mehr zu bestellen haben in einer Partei, in der nur noch ab und an Widerspruc­h gegen Trumps Nationalis­mus aufflacker­t. Im Sommer 2012 war der Ex-Gouverneur des liberalen Bundesstaa­ts Massachuse­tts noch Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er gegen Obama. Im Februar 2020 ist er ein Außenseite­r, und das keineswegs nur wegen seines Stimmverha­ltens in Sachen Impeachmen­t. Romney steht beispielha­ft für die Fraktion der Freihändle­r, die nach 1945 fast sieben Jahrzehnte lang den Ton bei Amerikas Konservati­ven angab, bevor sie in der Ära des Protektion­isten Trump rasant an Einfluss verlor. Er steht für Respekt für die Institutio­nen, für die transatlan­tische Allianz, für einen harten Kurs gegenüber Russland, fiskalpoli­tisch für einen Sparkurs, der auch bedeutet, bei den Sozialausg­aben den Rotstift anzusetzen. Mit Trumps „America first“hat er ebenso wenig am Hut wie mit einem Präsidente­n, der den Arbeiterfü­hrer gibt.

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FOTO: DPA Mitt Romney

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