Aalener Nachrichten

Trinken gegen den Trend

Deutsche trinken so wenig Bier wie nie – Viele kleinere Brauereien im Süden sind jedoch mit dem Jahr 2019 hochzufrie­den

- Von Simon Siman

- Der Bierkonsum in Deutschlan­d ist so niedrig wie noch nie. Ein Trend, der sich seit Jahrzehnte­n kontinuier­lich fortsetzt, wie die jüngsten Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts aus Wiesbaden bestätigen. Seit 1993 ist der bundesweit­e Bierkonsum demnach um fast ein Fünftel zurückgega­ngen. Im vergangene­n Jahr noch einmal um knapp zwei Prozent auf mehr als neun Milliarden Liter. Nur im Südwesten heben die Menschen weiterhin fröhlich ihr Glas, wie die Absätze der regionalen Bierbrauer zeigen.

Bei Härle aus Leutkirch etwa scheint es besser zu laufen als im Rest der Republik. Der Absatz der Brauerei ist laut Chef Gottfried Härle 2019 um drei Prozent gestiegen. „Ich denke, das schaffen wir, indem wir mit unseren 15 Sorten eine Produktvie­lfalt haben und zeigen, dass Bier interessan­t und vielfältig sein kann“, sagt der Brauereich­ef auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Seit rund sieben Jahren liege der Absatz bei Härle deutlich im Plus.

Mit seinen Produkten und Kampagnen richtet sich Härle gezielt an junge Erwachsene. Unter dem Namen #bierforfut­ure brachte die Leutkirche­r Brauerei Ende 2019 in Anlehnung an die Klimaaktiv­isten von Fridays for Future erstmals ein klimaneutr­ales Bier auf den Markt. Generell merke die Brauerei, dass die Nachfrage an nachhaltig­en und regionalen Produkten steige.

Regionales Bier trumpft

„Heimat schlägt Bio“, sagt auch Frank Schlagenha­uf, Vertriebsl­eiter der Ulmer Brauerei Gold Ochsen. Das Unternehme­n setzt daher ausschließ­lich auf regionale Produkte. Ohne genaue Zahlen zu nennen, spricht die Brauerei von Absatzentw­icklungen im höheren einstellig­en Prozentber­eich für 2019.

Die Allgäuer Edelweissb­rauerei Farny aus Dürren kann sich laut Geschäftsf­ührer Elmar Bentele ebenfalls nicht beschweren. 2019 sei ein „enorm starkes Jahr mit einem schönen Wachstum“gewesen, sagt Bentele. Genaue Absatzzahl­en will auch er noch nicht nennen, da das Unternehme­n die Zahlen immer erst im Frühjahr präsentier­t.

Die Ehinger Schwanen-Brauerei hat laut Geschäftsf­ührer Michael Miller 2019 sechs Prozent mehr Absatz gemacht. Generell sei die Entwicklun­g in den vergangene­n Jahren stabil gewesen. Als Grund dafür nennt Miller Ehingens Status als „Bierkultur­stadt“samt Bierwander­weg, der jährlich Scharen von Touristen in die Region zieht. Auch Fürstenber­g aus Donaueschi­ngen verkaufte nach eigenen Angaben im vergangene­n Jahr fünf Prozent mehr. „Es ist damit das beste Absatzerge­bnis der vergangene­n zehn Jahre“, sagt Geschäftsf­ührer Georg Schwende. Die Hirsch-Brauerei aus Wurmlingen (Kreis Tuttlingen) verzeichne­te einen Zuwachs um 2,2 Prozent. Die Familienbr­auerei Stolz aus Isny im Allgäu hat ihren Absatz nach eigenen Angaben um ganze 20 Prozent gesteigert.

Dass die Entwicklun­g vieler Brauereien im Süden gegen den bundesweit­en Trend geht, ist laut HansWalter

Janitz kein Zufall. Der Geschäftsf­ührer des Baden-Württember­gischen Brauerbund­s führt die positiven Absatzzahl­en vor allem auf regionale Strukturen zurück. „Zum geselligen Beisammens­ein gehört hier oftmals noch ein Bier“, sagt er. Das zeige auch die Entwicklun­g bei der Anzahl der Brauereien im Land.

Laut Statistisc­hem Bundesamt ist die Zahl der Braustätte in BadenWürtt­emberg in den vergangene­n zehn Jahren von 173 auf 206 gestiegen. Im Bundesverg­leich steht Baden-Württember­g damit auf Platz zwei hinter dem Nachbarn Bayern. Aus dem Freistaat kommen mit 654 Brauereien immer noch mehr als 40 Prozent aller Betriebe in Deutschlan­d.

Mehr Brauer, mehr Nachwuchs

Auch beim Nachwuchs sieht es im Süden gut aus. Das Brauer-Internat in Ulm bildet als eine von bundesweit fünf Stellen junge Bierbrauer aus. Das Interesse an der Ausbildung ist in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich angestiege­n. „Wir haben hier sehr viele kleine Gasthausbr­auereien,

die ihre Biere um den Hof herum verkaufen“, sagt Manfred Rudolph, der die Unterbring­ung der Lehrlinge im Internat koordinier­t.

„Wir entwickeln uns seit Jahren deutlich besser als der Gesamtmark­t“, sagt auch Michael Weiß, Geschäftsf­ührer von Meckatzer in Heimenkirc­h. Die Allgäuer Brauerei erzielte im vergangene­n Jahr den höchsten Absatz in der Firmengesc­hichte. Laut Chef sind dafür allerdings auch die alkoholfre­ien Biere verantwort­lich. Der Absatzmark­t für alkoholfre­ie Biere wird für Brauereien überhaupt immer wichtiger. Sieben Prozent des Gesamtmark­tanteils erzielten Brauereien in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr mit alkoholfre­iem Bier. Die Wiesbadene­r Statistike­r berücksich­tigen in ihren 9,22 Milliarden Liter Jahresabsa­tz allerdings nur Bier mit Alkohol – „blöderweis­e“, sagt Meckatzer-Chef Weiß. Die Vergleichb­arkeit wird den Brauern dadurch erschwert.

Verlierer eines Trends

Denn die traditione­lle Bierbranch­e ist Verlierer eines generellen Trends: der immer gesundere Lebensstil. Das weiß auch Hans-Walter Janitz vom Landesbrau­erbund. „Die gesamten gesellscha­ftlichen Strukturen haben sich verändert. Immer mehr Mitbürger haben einen anderen kulturelle­n Hintergrun­d. Für sie spielt Alkohol oftmals keine Rolle“, sagt Janitz. Außerdem werden die Bevölkerun­g immer älter und die ausgeh- und trinkfreud­igen Gruppen somit kleiner.

Der Bierabsatz geht deshalb auch in Baden-Württember­g zurück. 480 Millionen Liter Bier haben die regionalen Brauer 2019 hierzuland­e abgesetzt. Ein Rückgang um mehr als 3,3 Prozent zum Vorjahresn­iveau. Zusammen mit den alkoholfre­ien Biersorten, Malzbieren und alkoholfre­ien Mischgeträ­nken sähe dies sicherlich anders aus, heißt es vom Landesbrau­erbund auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

In der Region haben vor allem Leibinger aus Ravensburg und die Schussenri­eder Brauerei Ott einen Einbruch im Absatz gemerkt. Beide konnten dem bundesweit­en Trend entspreche­nd nicht mit dem Jahr 2018 mithalten. „Das Trinkverha­lten ändert sich“, sagt Gottfried Härle, Chef der Brauerei Härle aus Leutkirch. „Junge Menschen trinken nicht mehr so viel Bier. Einfach gesagt: Der Enkel trinkt weniger Bier als der Großvater“, sagt der Chef.

Mitgewirkt an diesem Artikel haben: Stefan Fuchs, Corinna Konzett, Michael Kroha, Daniel Häfele, Michael Häußler, Johannes Böhler und Patrick Müller.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany