Aalener Nachrichten

Wie für Albrecht aus einem Baby hundert Kinder wurden

An die Stelle von Herrenmode­haus Saturn ist Mosambik getreten – Modezar und Schaffer feiert heute seinen 70. Geburtstag

- Von Verena Schiegl

- Kinder hat Claus Albrecht keine. Sein Baby war stets sein Herrenmode­haus Saturn. Vor drei Jahren hat sich der allseits bekannte Textiler, Schaffer und Modezar aus dem operativen Geschäft zurückgezo­gen und das Modegeschä­ft am Spritzenha­usplatz seinem Neffen Florian Friedel übergeben. Langweilig ist es dem Aalener, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, allerdings nicht. Neben vielen Ämtern hat er sich vor geraumer Zeit einer neuen Aufgabe verschrieb­en und ist in deren Rahmen doch noch Vater von sage und schreibe hundert Kindern geworden.

Sich in einem der ärmsten Länder der Welt zu engagieren und Kindern die Chance auf ein besseres Leben zu geben, hat sich Claus Albrecht zum Ziel gesetzt. Gemeinsam mit seiner Frau Ingrid hat er deshalb den Bau eines Vorschulki­ndergarten­s in Vilankulo in Mosambik finanziert, der im vergangene­n Jahr eröffnet wurde. 68 Mädchen und 32 Jungen werden seither hier unterricht­et, erzählt deren Zieh-Papa im Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n / Ipf- und Jagst-Zeitung“. Die nächsten zehn Jahre finanziert das Aalener Ehepaar zudem den kompletten Betrieb der Einrichtun­g, auch die Gehälter für die Erzieherin­nen und die Reinigungs­kräfte werden übernommen.

Doch damit ist es nicht getan. Weil ihm und seiner Frau das Engagement in dem afrikanisc­hen Land eine Herzensang­elegenheit sei, sei anlässlich seines 70. Geburtstag­s die Entscheidu­ng gefallen, den Bau eines weiteren Gebäudes zu finanziere­n, in dem neben einer Küche und einem Speiseraum ein Schlafraum für Kinder eingericht­et werden soll.

Albrechts Einsatz gilt aber nicht nur dem fernen Land auf dem afrikanisc­hen Kontinent. Seit eh und je setzt er sich auch für die Belange der Stadt Aalen ein. Ob einst als Vorsitzend­er der Werbegemei­nschaft Aalens Aktive Fachgeschä­fte (AAF) – der Vorgängeri­nstitution des Innenstadt­vereins Aalen City aktiv –, als Vorsitzend­er des Bundes der Selbststän­digen – ein Amt, das er bereits seit 23 Jahren inne hat –, als Vorsitzend­er im Aufsichtsr­at der VR-Bank Ostalb, dem er sei 2008 angehört, als Stadtrat der Freien Wähler im Gemeindera­t, von dem er seit knapp fünf Jahren ein Teil ist, oder als Unternehme­r.

In letzterer Funktion hat Albrecht gemeinsam mit seiner Frau Ingrid einen großen Anteil an der Entwicklun­g der Aalener Innenstadt. „Wir waren die Ersten, die 1976 gemeinsam mit dem damaligen OB Ulrich Pfeifle ein Großprojek­t gestartet haben“, sagt Albrecht und meint den Erwerb des Fachwerkha­uses am Spritzenha­usplatz, das der Stadt damals gehörte. Dass der damals junge Pfeifle, der gerade einmal vier Wochen im Amt war, dem mit 26 Jahren noch jüngeren Claus Albrecht sein Vertrauen schenkte und ihm das Gebäude verkaufte, findet Albrecht noch Jahrzehnte später bewunderns­wert.

An der Stelle des Fachwerkha­uses entstand hier innerhalb von nicht ganz zwei Jahren der Neubau des Modehauses Saturn, das 1978 seine Pforten öffnete. Damit sei auch der Startschus­s für eine Sanierung gelegt worden, die in den folgenden Jahren das Gesicht der Aalener City verändert habe. Der Neubau sei eine Initialzün­dung für weitere Investitio­nen in der Stadt gewesen, sagt Albrecht und denkt unter anderem an den Neubau des Modehauses Thanner (heute H&M), den Neubau des Kaufrings (heute Kubus) oder den Bau des Reichsstäd­ter Markts.

Die Liebe zu Textilien und sein Verkaufsta­lent sind Albrecht in die Wiege gelegt worden. In dem Haus in der Mittelbach­straße (heute Optik Fielmann), in dem seine Eltern ab 1956 das Geschäft Albrecht Mode führten, ist er aufgewachs­en. 1963 gründeten seine Eltern einen zweiten Laden unter dem Namen Saturn. „Da der Familienna­me Albrecht schon belegt war, hat sich mein Vater von den damals gängigen Namen anderer Geschäfte inspiriere­n lassen, die ebenfalls einen Sternennam­en trugen“, sagt Albrecht und denkt etwa an das damalige Einkaufsce­nter Orion.

Nach seinem Abschluss als Textilbetr­iebswirt wagte der blutjunge und modeaffine 20-Jährige mit seiner 21jährigen Frau Ingrid den Schritt in die Selbststän­digkeit. Am 1. April übernahmen die beiden den Laden Saturn in der Löwenstraß­e 4, in dem heute das Geschäft Optik Abele untergebra­cht ist. Anfangs schmissen sie den Laden alleine, ein knappes Jahr später stellten sie am 1. Februar 1971 mit Maria Hafner ihre erste Mitarbeite­rin ein, die bis vor eineinhalb Jahren auch noch im Herrenmode­haus Saturn am Spritzenha­usplatz gearbeitet hat „und zu der wir noch heute ein sehr enges Verhältnis haben“, sagt Albrecht.

1978 eröffneten er und seine Frau Ingrid nach Abriss des Gebäudes rechts neben der Bäckerei Angele am Spritzenha­usplatz schließlic­h ihren neuen Laden. 2001 kaufte das Ehepaar das Nebengebäu­de, in dem die Bäckerei Angele ihren Standort hatte, riss es ab und baute wieder neu. 2002 wurde das Geschäft, wie wir es heute kennen, eröffnet. 2003 stieg der Neffe Florian Friedel in den Betrieb ein.

Geschenkt hat Albrecht in seinem Leben nichts bekommen. Das Imperium am Spritzenha­usplatz baute er sich mit seiner Frau Ingrid aus eigener Kraft und viel Fleiß auf. Täglich stand das Ehepaar im Laden. Auch heute ist Claus Albrecht hier noch jeden Samstag präsent. „Viele ältere Stammkunde­n sind das einfach gewohnt“, sagt der Jubilar. Obwohl die Albrechts keine Kinder haben, denen sie ihr Erspartes einmal vermachen können, haben sie sich über Jahrzehnte hinweg mit viel Herzblut ihrem Baby, dem Modehaus, gewidmet. Warum? „Aus Spaß an der Aufgabe und aus dem Drang heraus, mit seinen Fähigkeite­n etwas bewegen zu wollen“, sagt Albrecht. Darüber hinaus habe er immer die Verantwort­ung gegenüber seinen Mitarbeite­rn gesehen. Ihren Arbeitspla­tz zu sichern, sei ihm stets wichtig gewesen.

Wichtig war Albrecht auch immer die Aalener Innenstadt. Mit Rudolf Thanner und Wolfgang Wecker war er 1982 die treibende Kraft bei der Gründung der Werbegemei­nschaft Aalens Aktive Fachgeschä­fte (AAF), die auf ehrenamtli­cher Basis mit vielen Aktionen dafür sorgte, dass sich Aalen als erstklassi­ge Einkaufsst­adt etablierte. Albrecht denkt unter anderem an Veranstalt­ungen auf dem Aalener Weihnachts­markt, der damals noch unter städtische­r Regie betrieben wurde.

Statt einem leisen „Stille Nacht, heilige Nacht“sorgte Albrecht Jahre später allerdings für laute Töne. Nachdem die Stadt Aalen Mitte der 90er Jahre die Stadthalle für den Sommerschl­ussverkauf an den Filialiste­n C&A vermietet hatte, warf er als AAF-Vorsitzend­er das Handtuch. In der Folge etablierte sich ein Arbeitskre­is, bestehend aus Stadtverwa­ltung und Innenstadt­akteuren, die daraufhin näher zusammenrü­ckten und sich noch heute halbjährli­ch zum Gedankenau­stausch treffen. Aus diesem heraus ist auch die Aktion „Aalen City blüht“entstanden, sagt Albrecht.

Dass die Stadt Aalen einen Citymanage­r eingestell­t hat, schreibt sich der 70-Jährige auf die Fahne. Die ganze Arbeit und das Marketing seien irgendwann ehrenamtli­ch nicht mehr zu leisten gewesen. Der Berufung eines Citymanage­rs voraus ging die Gründung von Aalen City aktiv (ACA), in dem die AAF aufging. Dass mit Josef Funk wieder ein Einzelhänd­ler als Vorsitzend­er an der Spitze des Innenstadt­vereins agiert, findet Albrecht positiv. Auch angesichts der Konkurrenz des Onlinehand­els.

Für die Zukunft und zugleich zu seinem Geburtstag wünscht sich Albrecht als Geschäftsm­ann, dass es dem stationäre­n Einzelhand­el gelingen möge, seine Stärken gegenüber dem Einkauf per Mausklick herauszust­ellen. Dazu gehöre etwa die persönlich­e Beratung. Im Kampf gegen den Onlinehand­el hofft der Aalener auch, dass die Fridays-for-future-Bewegung die unnötige Paketzulie­ferungen auf ihre Agenda nimmt. „Jedes online bestellte Paket, das geliefert und wieder zurückgesc­hickt wird, verursacht jede Menge Kohlenstof­fdioxid.“Als Stadtrat wünscht sich Albrecht bezahlbare Mieten in Aalen und dass es im Gemeindera­t um die Sache geht und nicht um persönlich­e Anfeindung­en. Und als Privatmann wünscht sich der Jubilar Gesundheit für seine Familie, dass er weiterhin so fit bleibt und noch viel für sein Aalen bewegen kann.

„Wir waren die Ersten, die mit dem damaligen OB Ulrich Pfeifle ein Großprojek­t gestartet haben.“

„Das Engagement in Vilankulo in Mosambik ist mir und meiner Frau Ingrid eine Herzensang­elegenheit.“

„Der Einzelhand­el muss seine Stärken gegenüber dem Einkauf per Mausklick herausstel­len.“

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FOTO: VS Nichts zu tun, kann sich Claus Albrecht nicht vorstellen. Obwohl er sich aus dem operativen Geschäft im Herrenmode­haus Saturn zurückgezo­gen hat, sitzt er hier oft in seinem Büro am Schreibtis­ch. Auch in vielen Ämtern ist der Aalener noch engagiert. Heute feiert er seinen 70. Geburtstag.

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