Wo Urlaubern die Strafrunde droht
Hochfilzen im Pillerseetal gilt als Biathlon-Hochburg – auch Touristen können dort diese Sportart ausprobieren
Das hört sich alles so einfach an, wenn Jan Rybansky, ehemaliger tschechoslowakischer Teilnehmer der Olympischen Winterspiele von Sarajevo 1984, den Ablauf erklärt: Erst mal locker eine Runde laufen, kurz vor dem Schießstand etwas austrudeln lassen, dann mit beiden Skiern auf die Matte stehen (ganz wichtig wegen des Wegrutschens!), Stöcke hinter dem Körper ablegen, sich auf die Matte legen, das Gewehr aufnehmen, zielen, einund ausatmen, Luft anhalten, schießen – und wenn möglich treffen. Sonst droht die Strafrunde. Wie das alles perfekt funktioniert, kann kommende Woche bei der Biathlon-WM in Antholz hundertfach beobachtet werden. Wie sich blutige Anfänger beim eineinhalbstündigen BiathlonSchnupperkurs quälen und trotzdem jede Menge Spaß dabei haben, ist auf dem Gelände der Nordic Academy mitten in Hochfilzen im Tiroler Pillerseetal den ganzen Winter über zu sehen.
Bescheidene Trefferquote
Geschossen wird beim Schnupperkurs mit einem Luftgewehr und nicht wie bei den Profis mit Kleinkaliber. Und obwohl auf meinem Schaft sogar der norwegische Biathlon-Superstar Ole Einer Björndalen unterschrieben hat und ich das Gewehr entsprechend ehrfurchtsvoll anlege, ist die Trefferquote eher bescheiden. Dabei sind die Scheiben nur zehn Meter entfernt und nicht wie im nahen Stadion 50 Meter. Für zusätzliche Nervosität sorgen die Top-Biathleten Kaisa Mäkärainen und Erik Lesser, die auf der Loipe nebenan gerade Trainingsrunden drehen. Obwohl die beiden uns Laien höchstwahrscheinlich keines Blickes würdigen. Jans Prophezeiung an seine deutschen Schüler ist auch nicht gerade aufmunternd: „Auf 50 Meter würdet ihr keine einzige Scheibe treffen.“Gut, dass Erik Lesser das nicht hört, der sich beim Weltcuprennen im vergangenen Dezember in Hochfilzen auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert und ziemlich oft daneben geschossen hat.
Der Begeisterung für den Biathlon-Sport tut dies aber keinen Abbruch. Das macht sich Hochfilzen am östlichsten Zipfel der Kitzbüheler Alpen zunutze. Seit der Ort jährlich Weltcup-Rennen austrägt und bereits für drei Weltmeisterschaften Gastgeber war, ist das Dorf auch weit über die Grenzen des Pillerseetals hinaus bekannt und lockt Jahr für Jahr Tausende von Biathlon-Fans und Touristen an. Und das nicht nur zur Weltcupzeit. Gilt der auf 1000 Meter Seehöhe liegende Ort doch als Schneeloch mit einer durchschnittlichen Neuschneemenge von 6,71 Metern pro Winter. Zuverlässige Nordstaulagen zeichnen dafür verantwortlich. Das bedeutet, dass auf den 100 Loipenkilometern im Pillerseetal meist Naturschnee liegt. „Aber wir können auch beschneien“, erklärt Markus Förmer, Sportwissenschaftler und Gründer der Nordic Academy. Das freut nicht nur langlaufende Touristen, sondern auch Spitzensportler aus aller Welt, die regelmäßig zum Training nach Hochfilzen reisen in dem Wissen, hier weltmeisterliche Bedingungen vorzufinden.
Wie wichtig der Biathlon-Sport für den kleinen Ort ist, erfahren Besucher auch, wenn sie den 15 Kilometer langen, neu angelegten BiathlonPfad
abwandern. Seit wann gibt es eigentlich Biathlon? Wie trainieren die Profis? Welche Disziplinen gehören dazu? An den 16 Stationen des Themenwegs gibt es Antworten auf solche Fragen und noch viel mehr Informationen rund um den Biathlon, verbunden mit einem Quiz. Start ist im Dorfzentrum. Der Weg führt dann durch eine winterliche Bilderbuchlandschaft hinauf auf die Mittelstation des kleinen Hochfilzener Skigebiets und schließlich zum WeltcupStadion. Eine eigene Tafel ist auch den Biathlon-Stars aus Hochfilzen gewidmet, allen voran Weltmeister und Olympionike Dominik Landertinger. Wer im Sommer hier wandert oder mit dem Mountainbike unterwegs ist, kann an der Geschicklichkeitsstation „Schlag den Landi“zu einem besonderen Wettstreit antreten: Erst sprinten, dann mit der Wasserpistole die Landertinger-Attrappe treffen – schon vekündet Landi das Ergebnis.
Jugend strömt in die Loipe
Mindestens so berühmt wie Landertinger ist in Hochfilzen auch Franz Berger, den hier alle nur „Mr. Biathlon“nennen. Dem heute 64-Jährigen ist es zu verdanken, dass der Ort zu den Biathlon-Hochburgen Europas zählt. Selbst war Berger zwar nie mit dem Gewehr in der Loipe, doch früh hat er Hochfilzens Potenzial erkannt, wo das österreichische Bundesheer regelmäßig Meisterschaften austrug. „Eins griff ins andere“, weiß er und so schaffte er es schließlich, dass der Weltcup seit 1996 hier Station macht und Hochfilzen WM-Ort wurde. Auch Manfred Pichler hat sein Leben dem Biathlon verschrieben. Er kennt beinahe jeden und jede im weltweiten Biathlon-Zirkus, war er doch jahrelang beim Internationalen Skiverband (FIS) tätig. Besonders stolz ist der Hochfilzener darauf, dass die Jugend im Ort nicht wie sonst fast überall in Österreich auf die Skipiste drängt, sondern in der Loipe und am Schießstand Ehrgeiz entwickelt.
Weil die jungen Hochfilzener zumeist Mitglied beim Heeressportverein sind, dürfen sie im Stadion und auf den Loipen drumherum trainieren. Das ist den Touristen nicht vergönnt, denn der Originalschauplatz des Weltcups ist den Profis und dem Militär vorbehalten, untersteht das Gelände doch dem österreichischen Verteidigungsministerium. Auf ihre Kosten kommen BiathlonVerrückte in Hochfilzen trotzdem. In Zeiten, in denen keine Wettkämpfe stattfinden, können sie das Stadion mit dem Schießstand besichtigen und schon mal Wettkampfluft schnuppern. Um dann schließlich selbst zur Tat zu skaten: Am 8. März findet im Langlaufzentrum an der Dorfloipe der 11. Volksbiathlon mit Team- und Einzelwertung statt. Dann ist „jeder ein Held“, verspricht der Flyer.
Um mit diesem Druck umgehen zu können, lässt Jan sein Grüppchen schon mal für den Wettkampf trainieren: Immer zwei treten gegeneinander an, laufen, schießen und drehen Strafrunden. Obwohl es um gar nichts geht, breitet sich ein nervöses Kribbeln aus, kommt Ehrgeiz auf, läuft man einen Zacken schneller, drückt zügiger ab. Ein wenig kann man sich jetzt in die Situation der Profis hineindenken. Auch in die Lessers beim Sprint in Hochfilzen, bei dem er auf Platz 70 landete. Wir aber fühlen uns dank Jan heute alle als Sieger.
Weitere Informationen beim Tourismusverband Pillerseetal/ Kitzbüheler Alpen, Tel.: 0043/
5354/56304, E-Mail: info@pillerseetal.at, Internet: www.pillerseetal.at
Biathlon-Schnupperkurse bietet die Nordic Academy in Hochfilzen dienstags, donnerstags und samstags für 41 Euro pro Person an. www.nordicacademy.at
Der nächste Hochfilzener Volksbiathlon findet am 8. März statt, Anmeldungen sind bis zum 1. März möglich unter www.volksbiathlon.com
Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband Pillerseetal.