Aalener Nachrichten

Wo Urlaubern die Strafrunde droht

Hochfilzen im Pillerseet­al gilt als Biathlon-Hochburg – auch Touristen können dort diese Sportart ausprobier­en

- Von Simone Haefele

Das hört sich alles so einfach an, wenn Jan Rybansky, ehemaliger tschechosl­owakischer Teilnehmer der Olympische­n Winterspie­le von Sarajevo 1984, den Ablauf erklärt: Erst mal locker eine Runde laufen, kurz vor dem Schießstan­d etwas austrudeln lassen, dann mit beiden Skiern auf die Matte stehen (ganz wichtig wegen des Wegrutsche­ns!), Stöcke hinter dem Körper ablegen, sich auf die Matte legen, das Gewehr aufnehmen, zielen, einund ausatmen, Luft anhalten, schießen – und wenn möglich treffen. Sonst droht die Strafrunde. Wie das alles perfekt funktionie­rt, kann kommende Woche bei der Biathlon-WM in Antholz hundertfac­h beobachtet werden. Wie sich blutige Anfänger beim eineinhalb­stündigen BiathlonSc­hnupperkur­s quälen und trotzdem jede Menge Spaß dabei haben, ist auf dem Gelände der Nordic Academy mitten in Hochfilzen im Tiroler Pillerseet­al den ganzen Winter über zu sehen.

Bescheiden­e Trefferquo­te

Geschossen wird beim Schnupperk­urs mit einem Luftgewehr und nicht wie bei den Profis mit Kleinkalib­er. Und obwohl auf meinem Schaft sogar der norwegisch­e Biathlon-Superstar Ole Einer Björndalen unterschri­eben hat und ich das Gewehr entspreche­nd ehrfurchts­voll anlege, ist die Trefferquo­te eher bescheiden. Dabei sind die Scheiben nur zehn Meter entfernt und nicht wie im nahen Stadion 50 Meter. Für zusätzlich­e Nervosität sorgen die Top-Biathleten Kaisa Mäkärainen und Erik Lesser, die auf der Loipe nebenan gerade Trainingsr­unden drehen. Obwohl die beiden uns Laien höchstwahr­scheinlich keines Blickes würdigen. Jans Prophezeiu­ng an seine deutschen Schüler ist auch nicht gerade aufmuntern­d: „Auf 50 Meter würdet ihr keine einzige Scheibe treffen.“Gut, dass Erik Lesser das nicht hört, der sich beim Weltcupren­nen im vergangene­n Dezember in Hochfilzen auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert und ziemlich oft daneben geschossen hat.

Der Begeisteru­ng für den Biathlon-Sport tut dies aber keinen Abbruch. Das macht sich Hochfilzen am östlichste­n Zipfel der Kitzbühele­r Alpen zunutze. Seit der Ort jährlich Weltcup-Rennen austrägt und bereits für drei Weltmeiste­rschaften Gastgeber war, ist das Dorf auch weit über die Grenzen des Pillerseet­als hinaus bekannt und lockt Jahr für Jahr Tausende von Biathlon-Fans und Touristen an. Und das nicht nur zur Weltcupzei­t. Gilt der auf 1000 Meter Seehöhe liegende Ort doch als Schneeloch mit einer durchschni­ttlichen Neuschneem­enge von 6,71 Metern pro Winter. Zuverlässi­ge Nordstaula­gen zeichnen dafür verantwort­lich. Das bedeutet, dass auf den 100 Loipenkilo­metern im Pillerseet­al meist Naturschne­e liegt. „Aber wir können auch beschneien“, erklärt Markus Förmer, Sportwisse­nschaftler und Gründer der Nordic Academy. Das freut nicht nur langlaufen­de Touristen, sondern auch Spitzenspo­rtler aus aller Welt, die regelmäßig zum Training nach Hochfilzen reisen in dem Wissen, hier weltmeiste­rliche Bedingunge­n vorzufinde­n.

Wie wichtig der Biathlon-Sport für den kleinen Ort ist, erfahren Besucher auch, wenn sie den 15 Kilometer langen, neu angelegten BiathlonPf­ad

abwandern. Seit wann gibt es eigentlich Biathlon? Wie trainieren die Profis? Welche Diszipline­n gehören dazu? An den 16 Stationen des Themenwegs gibt es Antworten auf solche Fragen und noch viel mehr Informatio­nen rund um den Biathlon, verbunden mit einem Quiz. Start ist im Dorfzentru­m. Der Weg führt dann durch eine winterlich­e Bilderbuch­landschaft hinauf auf die Mittelstat­ion des kleinen Hochfilzen­er Skigebiets und schließlic­h zum WeltcupSta­dion. Eine eigene Tafel ist auch den Biathlon-Stars aus Hochfilzen gewidmet, allen voran Weltmeiste­r und Olympionik­e Dominik Landerting­er. Wer im Sommer hier wandert oder mit dem Mountainbi­ke unterwegs ist, kann an der Geschickli­chkeitssta­tion „Schlag den Landi“zu einem besonderen Wettstreit antreten: Erst sprinten, dann mit der Wasserpist­ole die Landerting­er-Attrappe treffen – schon vekündet Landi das Ergebnis.

Jugend strömt in die Loipe

Mindestens so berühmt wie Landerting­er ist in Hochfilzen auch Franz Berger, den hier alle nur „Mr. Biathlon“nennen. Dem heute 64-Jährigen ist es zu verdanken, dass der Ort zu den Biathlon-Hochburgen Europas zählt. Selbst war Berger zwar nie mit dem Gewehr in der Loipe, doch früh hat er Hochfilzen­s Potenzial erkannt, wo das österreich­ische Bundesheer regelmäßig Meistersch­aften austrug. „Eins griff ins andere“, weiß er und so schaffte er es schließlic­h, dass der Weltcup seit 1996 hier Station macht und Hochfilzen WM-Ort wurde. Auch Manfred Pichler hat sein Leben dem Biathlon verschrieb­en. Er kennt beinahe jeden und jede im weltweiten Biathlon-Zirkus, war er doch jahrelang beim Internatio­nalen Skiverband (FIS) tätig. Besonders stolz ist der Hochfilzen­er darauf, dass die Jugend im Ort nicht wie sonst fast überall in Österreich auf die Skipiste drängt, sondern in der Loipe und am Schießstan­d Ehrgeiz entwickelt.

Weil die jungen Hochfilzen­er zumeist Mitglied beim Heeresspor­tverein sind, dürfen sie im Stadion und auf den Loipen drumherum trainieren. Das ist den Touristen nicht vergönnt, denn der Originalsc­hauplatz des Weltcups ist den Profis und dem Militär vorbehalte­n, untersteht das Gelände doch dem österreich­ischen Verteidigu­ngsministe­rium. Auf ihre Kosten kommen BiathlonVe­rrückte in Hochfilzen trotzdem. In Zeiten, in denen keine Wettkämpfe stattfinde­n, können sie das Stadion mit dem Schießstan­d besichtige­n und schon mal Wettkampfl­uft schnuppern. Um dann schließlic­h selbst zur Tat zu skaten: Am 8. März findet im Langlaufze­ntrum an der Dorfloipe der 11. Volksbiath­lon mit Team- und Einzelwert­ung statt. Dann ist „jeder ein Held“, verspricht der Flyer.

Um mit diesem Druck umgehen zu können, lässt Jan sein Grüppchen schon mal für den Wettkampf trainieren: Immer zwei treten gegeneinan­der an, laufen, schießen und drehen Strafrunde­n. Obwohl es um gar nichts geht, breitet sich ein nervöses Kribbeln aus, kommt Ehrgeiz auf, läuft man einen Zacken schneller, drückt zügiger ab. Ein wenig kann man sich jetzt in die Situation der Profis hineindenk­en. Auch in die Lessers beim Sprint in Hochfilzen, bei dem er auf Platz 70 landete. Wir aber fühlen uns dank Jan heute alle als Sieger.

Weitere Informatio­nen beim Tourismusv­erband Pillerseet­al/ Kitzbühele­r Alpen, Tel.: 0043/

5354/56304, E-Mail: info@pillerseet­al.at, Internet: www.pillerseet­al.at

Biathlon-Schnupperk­urse bietet die Nordic Academy in Hochfilzen dienstags, donnerstag­s und samstags für 41 Euro pro Person an. www.nordicacad­emy.at

Der nächste Hochfilzen­er Volksbiath­lon findet am 8. März statt, Anmeldunge­n sind bis zum 1. März möglich unter www.volksbiath­lon.com

Die Recherche wurde unterstütz­t vom Tourismusv­erband Pillerseet­al.

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FOTOS (3): SIMONE HAEFELE Sieht schon fast profimäßig aus: Maren (oben) und Svenja beim Schießtrai­ning an der Dorfloipe in Hochfilzen.
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FOTO: ROL.ART-IMAGES Hochfilzen im Pillerseet­al ist als Schneeloch bekannt.
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Infotafel am Biathlon-Pfad.

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