Zwanzig Minuten wären doch auch schon was
Die Beschleunigungswünsche für die Gäubahn sind bescheiden geworden
- Stuttgart und Zürich sind zwei wirtschaftsstarke Metropolen, doch die Bahnverbindung dazwischen gleicht mehr einer Bummelbahn. Für die Fahrt sind drei Stunden nötig und oft auch ein Umstieg in Singen, weil die von der Deutschen Bahn genutzten IntercityZüge bislang nicht für das Schweizer Schienennetz zugelassen sind.
Zwei Stunden und fünfzehn Minuten sollte die Fahrt in Zukunft nur noch dauern, das versprachen sich die Regierungen von Deutschland und der Schweiz 1996 – vor fast einem Vierteljahrhundert. Die Trasse für solch schnelle Verbindungen auszurüsten, würde aber eine Milliarde Euro kosten, hat eine Studie später ergeben. Offiziell aufgegeben wurde das Ziel aber nicht. „Die Landesregierung hält (...) weiterhin an dem in der deutsch-schweizerischen Vereinbarung von Lugano beschriebenen Ziel einer verkürzten Reisezeit auf zwei Stunden 15 Minuten zwischen Stuttgart und Zürich fest“, heißt es noch immer auf der Internetseite des Verkehrsministeriums. Der Bund hingegen verfolgt das Ziel nicht mehr. Es sei „zu ambitioniert“, heißt es aus dem Berliner Verkehrsministerium auf eine Anfrage von Matthias Gastel, Bahn-Experte der Grünen-Bundestagsfraktion.
Der Interessenverband Gäubahn hat seine Erwartungen, auch mit
Blick auf die Milliardenkosten für eine wirklich schnelle Verbindung, längst heruntergeschraubt. Man strebe eine Fahrzeitverkürzung auf zwei Stunden und 37 Minuten an, gibt der Verbandsvorsitzende, Landesjustizminister Guido Wolf (CDU), als Ziel aus. „Dies würde die Umsteigemöglichkeiten in Stuttgart und Zürich rapide verbessern.“Das Landesverkehrsministerium hatte 2016 berechnet, eine Fahrzeitverkürzung von 20 Minuten sei schon für 285 Millionen Euro zu haben. Da der Ausbau im vordringlichen Bedarf des aktuellen Bundesverkehrswegeplans und auch im Bundesschienenwegeausbaugesetz aufgeführt ist, besteht auch eine Chance auf das Geld – allerdings war die Gäubahn schon einmal in einem früheren Bundesverkehrswegeplan mit gleicher Dringlichkeit eingestuft – es passierte trotzdem nichts.
Wie Wolf hält auch Gastel eine Fahrzeitverkürzung um mindestens eine Viertelstunde für geboten, um die Anschlüsse in Stuttgart und Zürich zu sichern. Er plädiert aber dafür, weitere Ausbaumaßnahmen als die derzeit geplanten kürzeren doppelspurigen Abschnitte zumindest ins Auge zu fassen. „Umso unwahrscheinlicher der Einsatz von Neigetechnikzügen wird, umso notwendiger wird die Prüfung weitergehender Ausbaumaßnahmen, mit denen sich dieses Ziel erreichen lässt“, so Gastel.
Die Neigetechnik wäre für eine starke Fahrzeitverkürzung unentbehrlich. Die Deutsche Bahn will sie im Fernverkehr aber nicht mehr einsetzen – anders als die schweizerische SBB, die den Betrieb auf der Gäubahn aber auch nicht übernehmen will. Eine entsprechende Anfrage von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatten die Schweizer abgelehnt.
In Berlin stimmte unterdessen am Freitag der Bundesrat für ein Maßnahmengesetz zur Beschleunigung bestimmter Großbauvorhaben – die Gäubahn war zum Ärger vor allem der baden-württembergischen CDU nicht darunter. „Aus meiner Sicht sind wir es den leidgeplagten Fahrgästen der Gäubahn schuldig, alles in unserer Macht Stehende zu unternehmen, um schnell zu weiteren Ausbaumaßnahmen zu kommen. Da wäre das Maßnahmengesetz eine weitere Chance gewesen“, so Wolf, der sich von Hermann „mehr Mut und Einsatz“gewünscht hätte. Hermann hatte sich gegen das Gesetz aus dem Haus von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gestellt, unter anderem weil er davon ausgeht, dass es den Ausbau am Ende eher bremsen als beschleunigen würde.