Aalener Nachrichten

Einer für alle

Experten erklären, wann und vor allem mit wem Streaminga­bos geteilt werden dürfen

- Von Julia Ruhnau

(dpa) - Ob Filme, Serien, Musik, Hörbücher: Streaming boomt. Praktisch, dass Netflix, Apple Music, Deezer, Amazon Prime Video, Tidal, Spotify & Co oft sogenannte Familienab­omodelle anbieten, bei denen mehrere zusammen einen Account nutzen können. Streamen wird so deutlich billiger. Aber darf man das Passwort nicht eigentlich nur mit Menschen teilen, die unter dem gleichen Dach wohnen?

„In der Regel lohnt sich so ein Abo bereits ab zwei Nutzern“, sagt Christian Bekker vom Telekommun­ikationspo­rtal Teltarif.de. Der Basistarif bei Netflix kostet etwa acht Euro. Der Standard-Tarif, bei dem zwei Nutzer parallel streamen können, ist nur vier Euro teurer – geteilt durch zwei, landet man bei nur sechs Euro pro Person. Der Premiumtar­if von Netflix erlaubt für 16 Euro sogar vier Nutzer. Musik-Familienab­os kosten meist 15 Euro. Ähnliches gilt beim Musikstrea­ming. „Egal, ob bei Spotify, Deezer, Apple Music oder Amazon Music Unlimited: Das Einzelabo kostet monatlich rund zehn Euro, das Familienab­o für bis zu sechs Nutzer rund 15 Euro“, rechnet Bekker vor.

Und das ist nicht alles. Bei Netflix etwa ist im Premium-abo nur der zeitgleich­e Zugriff auf vier Geräte beschränkt – prinzipiel­l kann man sich laut den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGB) mit unbegrenzt vielen Geräten anmelden. Wird zu anderen Zeiten gestreamt, können theoretisc­h zig Personen einen Account nutzen.

Theoretisc­h, wohlgemerk­t.

Denn in den Netflix-AGB heißt es: Der Dienst und sämtliche Inhalte „dürfen nicht mit Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben, geteilt werden“. Heißt: Mitbewohne­r und Verwandte im gleichen Haus sind okay, der Rest ist tabu.

Die Realität sieht aber oft anders aus. Viele Nutzer geben ihre Zugangsdat­en munter an Freunde, Bekannte, Kommiliton­en weiter. Die Streaminga­nbieter kennen die Praxis. „Das wird sehr genau registrier­t“, sagt etwa Marcel Grobe, der bei Spotify für die Pressearbe­it im deutschspr­achigen Raum zuständig ist. Genaue Zahlen, wie häufig solche

Fälle seien, gebe man aber nicht heraus.

Die gleiche Antwort schickt auch Sky, zu „konkreten Fällen“wolle man sich nicht äußern. Andere beantworte­n solche Anfragen gar nicht erst.

Aber was passiert, wenn Freunde den eigenen Account mitnutzen? „Wenn das rauskommt, kann man sofort wegen Vertragsve­rletzung gekündigt werden“, sagt Jens Fusbahn, Fachanwalt für Urheberund Medienrech­t in Düsseldorf. Ihm seien bisher aber keine solchen Fälle bekannt.

Und das, obwohl in den AGB fast aller großen Streaminga­nbieter mehr oder weniger explizit geregelt ist, dass der Account nur innerhalb eines Haushalts geteilt werden darf. Bei Maxdome heißt es etwa, Passwörter dürften nicht an Dritte weitergege­ben werden. Und Deezer Family etwa verlangt von allen Nutzern die gleiche Anschrift.

Sky wird diesbezügl­ich noch konkreter: Macht jemand sein Konto anderen zugänglich, wird eine Vertragsst­rafe fällig. Die soll doppelt so hoch sein wie der eigentlich­e Preis für das Abo. Ob solch eine Strafe schon einmal verhängt wurde, will das Unternehme­n auf Nachfrage allerdings nicht sagen.

Jurist Fusbahn hält es allerdings für unwahrsche­inlich, dass es so weit kommt. „Das Streamingh­aus muss nachweisen, dass jemand die Zugangsdat­en weitergege­ben hat“, erklärt er.

Falls man also Post mit einem entspreche­nden Vorwurf bekommt, sei es zunächst einmal ein Leichtes, diesen zu bestreiten. „Das Risiko, dass das verfolgt wird, ist sehr überschaub­ar, weil es schwer nachvollzi­ehbar ist“, glaubt Fusbahn.

Die Familienmi­tglieder dürften schließlic­h auch auf Geschäftsr­eise oder im Urlaub streamen – wer da nun vor dem Gerät sitzt, ist schwer überprüfba­r. Auch Teltarif.de ist kein Fall bekannt, in dem ein Account gesperrt oder ein Vertrag gekündigt wurde.

„Allerdings hat Spotify damit begonnen, stichprobe­nartig von Nutzern eines Familienab­os eine regelmäßig­e Adressanga­be zu fordern“, sagt Christian Bekker. Das Unternehme­n selbst erklärt auf Nachfrage, das sei seit Längerem gängige Praxis. Fielen Unstimmigk­eiten auf, werde der Family Master, also der Hauptkunde, um Klärung gebeten.

Im schlimmste­n Fall fliegen die Personen, die eine abweichend­e Anschrift angegeben haben, aus dem Gemeinscha­ftsabo – oder der Vertrag wird auf die normale Variante umgestellt. Die Adressabfr­age bei Spotify erfolgt aber nur per Adresseing­abe oder über eine Karte. Eine Meldebesch­einigung oder Ähnliches muss keiner vorlegen.

Juristisch­e Folgen sind also unwahrsche­inlich. Mit den geforderte­n Daten und deren Kontrolle scheinen die Anbieter ihre Kunden eher sensibilis­ieren oder höchstens behutsam disziplini­eren zu wollen.

„Das Streamingh­aus muss nachweisen, dass jemand die Zugangsdat­en weitergege­ben hat.“

Jens Fusbahn, Fachanwalt für Medienrech­t

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Ein Account, mehrere Zuschauer oder Zuhörer: Gerade bei Video- oder Musikstrea­mingdienst­en ist das Teilen von Zugängen äußerst populär.
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FOTOS: CHRISTIN KLOSE/DPA
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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Ob Netflix, Prime Video oder Rakuten: Die Vertragsbe­dingungen ähneln sich.
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FOTO: FRANK BEER/DPA Fachanwalt Jens Fusbahn.

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