Borreliose besser erforschen
Krankheit wird von Zecken übertragen - Wie die Südländer sie bekämpfen
(tja) - Borreliose ist die häufigste Infektionskrankheit Europas, die von Zecken übertragen wird. Patientenverbände beklagen, man wisse zu wenig über Ausbreitung und Verlauf. Deshalb fordern sie eine Meldepflicht. Diese ist im Südwesten umstritten. In Bayern werden die Fälle seit 2014 erfasst.
- Zwischen 3000 und 5000 Menschen pro Jahr erkranken in Bayern an Borreliose. Für das Nachbarland Baden-Württemberg liegen keine Zahlen vor. Warum das so ist, welche Kritik sich rührt und wie gefährlich die Erkrankung ist.
Was ist Borreliose und wie gefährlich ist die Krankheit?
Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit in Europa. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Das Risiko einer Infektion steigt, je länger die Zecke sich vollsaugt. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) erhöht sich die Gefahr nach 12 Stunden deutlich. Eine Borreliose verläuft je nach Patient unterschiedlich. Am häufigsten rötet sich die betroffene Hautstelle, diese sogenannte Wanderröte breitet sich aus. Viele Betroffene leiden unter grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen. Ernster wird es, wenn die Borreliose das Nervensystem befällt. Das führt zu starken Schmerzen und Ausfallerscheinungen wie Sehstörungen oder Taubheitsgefühlen. Die Gelenke können sich entzünden. Eine Schutzimpfung existiert nicht. Wird sie früh erkannt, lässt sich Borreliose mit Antibiotika gut behandeln. Wer einmal infiziert war, kann erneut erkranken.
Wie häufig ist die Krankheit?
Dazu gibt es in Deutschland keine exakten Zahlen. In Baden-Württemberg und sechs weiteren Ländern müssen Ärzte Borreliosefälle nicht dem Gesundheitsamt melden. In Bayern ist das seit 2014 anders. Schätzungen reichen laut RKI von jährlich 80 000 bis zu mehr als 21 000 Fällen in Deutschland. In Bayern gab es 2019 laut Landesgesundheitsamt rund 4250 neue Fälle. Seit 2014 schwankt die Zahl zwischen 3000 und 5000. Eine Auswertung von Daten ergab, dass in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und dem Saarland rund elf Fälle auf 100 000 Einwohner kommen. Im Norden und in der Mitte Deutschlands, sind es weniger als zehn Fälle. Bis zu fünf Prozent jener Menschen mit einem Zeckenstich infizierten sich mit Borreliose. Nicht bei jedem davon bricht die Krankheit aus.
Warum hat Bayern eine Meldepflicht?
Bayern hat sie 2013 testweise eingeführt und den Versuch nun bis 2024 verlängert. „Die Meldepflicht bietet die Möglichkeit, kontinuierliche, vergleichbare und flächendeckende
Informationen zur Lyme-Borreliose zu gewinnen. Dadurch können Erkrankungszahlen überwacht, Trends analysiert und besonders betroffene Regionen oder Gruppen identifiziert werden. Mit diesem Wissen können die Gesundheitsbehörden die Bevölkerung gezielt aufklären und die Ärzteschaft sensibilisieren“, heißt es aus dem Münchner Gesundheitsministerium.
Warum hat Baden-Württemberg keine Meldepflicht?
Dort beruft man sich auf den Bund, der keine nationale Meldepflicht vorsieht. Die Krankheit werde nicht von Mensch zu Mensch übertragen wie etwa die Grippe oder die vom Coronavirus übertragene Infektionskrankheit CoVid-19. Bei solchen Erkrankungen dient die Meldepflicht dazu, Infektionsherde zu erkennen und die Ausbreitung einzudämmen. Außerdem sei Borreliose bei rechtzeitiger Diagnose gut zu behandeln. Eine Meldepflicht bedeute zusätzlichen Aufwand für Ärzte und Gesundheitsämter.
Es sei sinnvoller, Zeit und Geld in Forschung, Therapie und die Aufklärung zu investieren. Wer Bescheid wisse, könne sich vor Stichen schützen oder wissen, dass man Zecken am Körper rasch entfernen müsse. Die EU fordert seit 2018 Daten zur Borreliose von ihren Mitgliedern. Aber, so Land und Bund unisono: Die Erhebung von Daten sei in Europa höchst unterschiedlich, die Zahlen nicht vergleichbar und damit keine Grundlage für neue Erkenntnisse. „Die Einführung einer Meldepflicht hätte keine weiteren Konsequenzen für die Betroffenen“, so eine Antwort des Stuttgarter Gesundheitsministeriums an die SPD.
Was sagen Betroffene und die Opposition?
Mehrere Verbände vertreten die Interessen jener Patienten, die von Borreliose und anderen von Zecken übertragenen Krankheiten betroffen sind. Sie fordern eine bundesweite Meldepflicht. Die Krankheit werde oft unterschätzt. Die Diagnose sei nicht einfach, weil sowohl Betroffene als auch Ärzte Muskelschmerzen oder Fieber oft anderen Ursachen zuschrieben. Das führe zu einer hohen Dunkelziffer nicht erkannter Fälle. Selbst bei einer angemessenen Behandlung litten zwischen fünf und 25 Prozent der Patienten lange weiter unter den Folgen der Borreliose. Das alles verursache auch hohe Kosten durch Arbeitsausfälle und für Behandlungen. Um mehr Erkenntnisse zu gewinnen, sei eine Meldepflicht essentiell. Baden-Württembergs SPD-Gesundheitsexperte Rainer Hinderer kritisiert den zuständigen Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Er gebe den Pro-Argumenten offenkundig nicht genug Gewicht. „Dabei forderte er 2017 noch selbst eine Meldepflicht – heute verlässt er sich lieber auf keinesfalls flächendeckende, unverlässliche statistische Daten.“Der tatsächliche Aufwand einer Meldepflicht und der entstehende Nutzen für die Bevölkerung müssten gewissenhaft geprüft werden.