Ehepaar in Sontheim gefesselt und bedroht
Unheilvolles Gespann: Erpresser und Opfer oder gemeinschaftlich handelnde Kumpel?
- Der brutale Überfall auf ein Ehepaar in Sontheim an der Brenz hat im August 2019 Schlagzeilen gemacht. Ein maskierter Mann war in ihr Haus eingedrungen, hatte die Eheleute mit einer Pistole und einem Messer bedroht und sie mit Kabelbinder ans Bett gefesselt. Der 20-Jährige behauptet, er sei von einem zehn Jahre älteren Mittäter dazu angestiftet worden. Seit Mittwoch müssen sich die beiden mutmaßlichen Täter vor der Zweiten Großen Jugendkammer am Ellwanger Landgericht wegen schwerem Raub, gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung verantworten.
Es war der frühe Morgen des 23. August 2019, als die Eheleute vom Gebell ihres Hundes geweckt wurden. Kurz darauf klopfte jemand an die Kellertür. Der Hausbesitzer öffnete und sah sich einem maskierten Mann gegenüber, der ihn mit einer Taschenlampe auf den Kopf schlug und ihm eine blutende Platzwunde zufügte. Die hinzugekommene Ehefrau erlitt einen Schock. Zwei Stunden blieb der Unbekannte im Haus. Als er ging, nahm er 100 Euro mit. Wenig später kehrte er zurück und flüchtete, denn das Ehepaar hatte sich inzwischen befreit, im Bad verbarrikadiert und die Polizei gerufen. Im Oktober nahm die Polizei die beiden mutmaßlichen Täter fest.
Im Großen und Ganzen habe es sich so zugetragen, gestand der 20Jährige. Er gab außerdem zu, danach noch mehrmals versucht zu haben, in das Wohnhaus einzubrechen. Das alles sei jedoch nicht aus eigenem Antrieb geschehen. Vielmehr sei er von einem 30-Jährigen, den er an einer Tankstelle kennengelernt und aufgrund seines ungepflegten Äußeren im Drogenmilieu verortet habe, dazu angestiftet worden. Weil er den Älteren nach Drogen gefragt habe, habe dieser ihn psychisch unter Druck gesetzt, manipuliert und zu den Einbrüchen gezwungen. Er sollte das Ehepaar fesseln und es wehrlos dem anderen überlassen: „Es ging um Einschüchterung, nicht um Geld.“Dass der 30-Jährige der ExFreund der Tochter des Ehepaars war und mit diesem noch eine Rechnung offen hatte, habe er erst später erfahren. „Sie hatten genügend Zeit, zu sich zu kommen und zur Polizei zu gehen“, mahnte der Vorsitzende Richter Bernhard Fritsch. „Zwang hebt die Eigenverantwortlichkeit nicht auf. Sie waren vor Ort allein und müssen Verantwortung übernehmen. Wo hätten Sie die Grenze gezogen?“
Er habe den Jüngeren nicht angestiftet, so der ältere Angeklagte: „Beide haben sich einvernehmlich verständigt, die Familie zu drangsalieren“, heißt es in einer Erklärung seines Verteidigers, Rechtsanwalt Timo Fuchs. Sein Mandant habe bis Ende 2016 eine Beziehung mit der Tochter der Sontheimer Eheleute gehabt, die sie auf Drängen ihrer Mutter und ihres Stiefvaters beendete: „Es hat in ihm geköchelt“, so Fuchs. Heute sei sein Mandant „erschrocken“darüber, was er angerichtet habe.
Um das Haus der Familie zu „observieren“, wurden Personen aus dem Umfeld des 20-Jährigen instrumentalisiert: „Meine Freunde wollten mir helfen“, so der Angeklagte. Dennoch verprügelte er sie und fand Gefallen daran, sie zusammen mit dem Älteren mit einem Elektroschocker zu traktieren, wenn die „Bimbos“, wie er sie nannte, ihre Aufgabe nicht zufriedenstellend erfüllten.
Die Kammer muss nun klären, ob es sich bei den Angeklagten um einen Erpresser und sein Opfer oder nicht doch um Kumpel handelt, die rechtschaffene Leute grundlos quälten. Manches, so Fritsch, spreche dafür. Der 20-Jährige habe seine Ausbildungsstelle verloren und sich ohne jeden Gewinn in eine Sackgasse manövriert.
Die Verhandlung wird am Montag mit der Vernehmung der Tochter des Ehepaars fortgesetzt.