Aalener Nachrichten

Bauern übergeben Volksantra­g

Bauernverb­ände starten Volksantra­g, um auch andere Gruppen zu Artenschut­z zu verpflicht­en

- Von Katja Korf

(tja) - 90 000 Menschen haben einen Volksantra­g der Bauernverb­ände im Land unterschri­eben. Er fordert gesamtgese­llschaftli­che Anstrengun­gen für den Artenschut­z und warnt davor, allein die Bauern für den Schwund von Insekten und Vögeln verantwort­lich zu machen. Die Unterschri­ften haben Vertreter der Landwirte am Freitag an Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras (Grüne) übergeben. Die Landesregi­erung prüft nun, ob der Antrag zulässig ist. Wenn ja, muss sich das Landesparl­ament damit beschäftig­en. Artenschut­z sei wichtig, gelinge jedoch nur zusammen mit den Landwirten, nicht gegen sie, so die Verbandsve­rtreter. Die Bauern seien zur Veränderun­g bereit, bräuchten aber Unterstütz­ung.

- Sie wollen Artenvielf­alt, Klima und Umwelt schützen, aber nicht als Sündenböck­e für alle Probleme herhalten: Diese Botschaft verbinden die Landwirtsc­haftsverbä­nde in Baden-Württember­g mit einem Volksantra­g. Für diesen haben sie 90 000 Unterschri­ften gesammelt und am Freitag dem Landtag übergeben. Worum es geht und was nun mit den Anliegen der Bauern passiert.

Was ist ein Volksantra­g und warum haben Bauern ihn gestartet?

Ein Volksantra­g richtet sich an den Landtag. Wenn ihn 0,5 Prozent der Wahlberech­tigten, also rund 40 000 Bürger, unterschre­iben, muss sich das Parlament mit den Anliegen beschäftig­en. Den Antrag „Gemeinsam unsere Umwelt schützen“hatten die beiden Bauernverb­ände in Württember­g und Baden sowie Verbände der Obstbauern und Winzer für den Volksantra­g gestellt. Sie reagierten damit auf das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“, das Imker und Naturschüt­zer im Frühjahr 2019 gestartet hatten. Sie forderten darin drastische Maßnahmen in der Landwirtsc­haft, um Insekten und andere Lebewesen zu schützen. Das löste Proteste bei den Bauern aus. Sie fühlen sich zu Unrecht allein für den Artenschwu­nd verantwort­lich gemacht und fürchten, die Pläne der Naturschüt­zer könnten ihre Existenzen bedrohen.

Was ist der Unterschie­d zum Volksbegeh­ren?

Ein Volksbegeh­ren braucht Unterschri­ften von einem Zehntel der Wähler, das sind rund 760 000. Kommen die zusammen, muss die Regierung das Gesetz einführen oder einen eigenen Gegenvorsc­hlag machen. Findet der nicht das Placet der Volksbegeh­ren-Unterstütz­er, müssen alle Wähler über die beiden Alternativ­en abstimmen. Die Initiatore­n von „Rettet die Bienen“sammeln seit Herbst 2019 keine Unterschri­ften mehr. Sie einigten sich mit der Landregier­ung und im Grundsatz auch mit den Landwirtsc­haftsverbä­nden. Die Einigung umfasst verschiede­ne Maßnahmen, um die Artenvielf­alt zu schützen. Denn klar ist: auch in Baden-Württember­g verzeichne­n Wissenscha­ftler eine deutlichen Rückgang bei Insekten und Vögeln, die sich von diesen ernähren. Als Ursachen nennt etwa das MaxPlanck-Institut Monokultur­en in der Landwirtsc­haft und den Einsatz von Pestiziden. Aber es gibt weitere Ursachen. Deshalb plant das Land Maßnahmen, die nicht nur Bauern betreffen: Kommunen sollen mehr Grün schaffen, Privatleut­e Vorschrift­en für Begrünung einhalten, Lichtversc­hmutzung soll vermieden und Eingriffe in die Natur strenger kontrollie­rt werden.

Es gibt doch eine Einigung zwischen Naturschüt­zern, Bauern und Regierung – wozu der Volksantra­g?

Erstens stimmten die Landwirtsc­haftsverbä­nde der Einigung zwar zu, haben aber mit Details große Probleme. So sollen Bauern bis 2030 zwischen 40 und 50 Prozent weniger Pflanzensc­hutzmittel als bisher ausbringen. Diese Marke sei so schnell nicht zu erreichen, argumentie­ren die Landwirte. Vor allem empfindlic­he Kulturen wie Obst, Hopfen und Wein seien mit noch weniger Pflanzensc­hutz als heute kaum anzubauen. Längst arbeiteten viele Landwirte mit „integriert­em Pflanzensc­hutz“. Das heißt: Es werden nur Mittel versprüht, wenn tatsächlic­h ein Schaden durch Insekten oder Pilze droht – und auch nur so viel wie nötig. Die Zeiten, in denen man mit einem besonders giftigen Stoff alles auf Verdacht bekämpfte, seien vorbei. Der Anteil des Biolandbau­s soll bis 2030 um bis zu 40 Prozent wachsen. Auch das halten viele Landwirte für schwierig. Der Umstieg auf Biolandwir­tschaft sei teuer und aufwendig, außerdem würden nicht so viele Bioprodukt­e gekauft. Das Land will die Landwirte deshalb mit 60 Millionen allein bis 2021 unterstütz­en. Außerdem ärgert die Bauern, dass sich „Rettet die Bienen“nur an sie richtet. Das hat zum Teil rechtliche Gründe: Ein Volksbegeh­ren darf nur wenige Landesgese­tze betreffen, sonst wird es von den Behörden nicht zugelassen. „Das Ziel ist unbestritt­en: wir wollen Artenvielf­alt und wenn es Defizite in der Landwirtsc­haft gibt, wollen wie sie abstellen. Aber die

Last dürfen nicht allein die Bauernfami­lien tragen“, sagt der Vizepräsid­ent des Landesbaue­rnverbande­s Klaus Mugele. Jeder könne etwas dazu beitragen, die Landwirtsc­haft sei nicht der einzige Verursache­r des Artenschwu­ndes. Deshalb soll der Landtag diskutiere­n, was andere Bereiche für Artenvielf­alt tun können.

Welche konkreten Vorschläge haben die Landwirte?

Sie fordern mehr Forschung dazu , welchen Anteil die Landwirtsc­haft tatsächlic­h am Artenschwu­nd hat und welche Dinge Bauern konkret ändern können – ohne ihren Betrieb aufgeben zu müssen. Ohne regionale Bauern keine regionalen Lebensmitt­el, sagte Mugele. Außerdem nehmen sie den Einzelhand­el und die Verbrauche­r in die Pflicht. Franz-Josef Müller vom Landesverb­and Erwerbsobs­tbau nannte ein Beispiel: „In der Türkei dürfen Pestizide gesprüht werden, die bei uns verboten sind. Die Kirschen aus der Türkei werden aber hier verkauft, sind billiger als unsere deutschen.“Nur, wenn Kunden tatsächlic­h bereit seien, mehr für regionale Ware auszugeben, könnten Familienbe­triebe überleben. Außerdem müsse das Land den Flächenver­brauch eindämmen. Durch immer neue Bauprojekt­e gehe wertvolle Landschaft verloren. Der Landtag muss nun innerhalb von drei Monaten entscheide­n, ob der Volksantra­g zulässig ist. Wenn ja, kann er über ihn debattiere­n.

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 ?? FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA ?? Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras (2.v.l.,Grüne) erhält von Klaus Mugele (li.), Vizepräsid­ent des Landesbaue­rnverbande­s in Baden-Württember­g (LBV), Werner Räpple (3.v.l.), Präsident des Badischen Landwirtsc­haftlichen Hauptverba­ndes (BLHV), Franz-Josef Müller, Präsident des Landesverb­andes für Erwerbsobs­tbau in Baden-Württember­g, und Kilian Schneider, Präsident des Badischen Weinbauver­bandes, den Volksantra­g „Gemeinsam unsere Umwelt schützen“.
FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras (2.v.l.,Grüne) erhält von Klaus Mugele (li.), Vizepräsid­ent des Landesbaue­rnverbande­s in Baden-Württember­g (LBV), Werner Räpple (3.v.l.), Präsident des Badischen Landwirtsc­haftlichen Hauptverba­ndes (BLHV), Franz-Josef Müller, Präsident des Landesverb­andes für Erwerbsobs­tbau in Baden-Württember­g, und Kilian Schneider, Präsident des Badischen Weinbauver­bandes, den Volksantra­g „Gemeinsam unsere Umwelt schützen“.

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