„Geschwindigkeit ist keine Hexerei“
Jahresempfang der IHK Ostwürttemberg dreht sich um Digitalisierung der Industrie
(tv) - Über die Verschmelzung der realen mit der digitalen Welt hat Jan Mrosik, COO („Chief Operating Officer”) von Siemens Digital Industries, beim Jahresempfang der IHK Ostwürttemberg in Heidenheim berichtet. 300 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft waren gekommen – 100 weniger, als sich angemeldet hatte. Grund war das Coronavirus.
Gut 76 000 der weltweit rund 385 000 Mitarbeiter des SiemensKonzerns arbeiten im Geschäftsbereich Digital Industries, der sich der Automatisierung, Digitalisierung und Transformation für die Industrie verschrieben hat. Sprich: Mrosik und seine Kollegen beschäftigen sich heute mit der Industrie von morgen, die vor allen Dingen datenbasiert funktioniert und fast ein bisschen nach Sciene-Fiction klingt, wenn beispielsweise die reale mit der virtuellen Welt verschmilzt, um in einer Simulation neue Erkenntnisse zu gewinnen, die in die neue Produktgeneration einfließen.
All das geht nicht ohne die passende Technik, die mit der Funktechnologie 5G im Anmarsch ist. Erst sie ermöglicht virtuelle Anwendungen, die Mrosik in seinem Vortrag skizziert, den er mit „Digitalisierung und IoT (Internet der Dinge, Anm. d. Red) im industriellen Bereich“überschrieben hat. „5G wird eine erhebliche Rolle für Unternehmen spielen“, sagt Mrosik, für den das Zusammenspiel
von Digitalisierung, Automatisierung und Technologie – eine voll digitale Wertschöpfungskette – die Antwort auf eine Vielzahl von Fragen ist: Wie kann die Industrie nachhaltiger werden? Wie die höchste Qualität sichern? Indem man in der virtuellen Welt entwickelt und simuliert.
Oft höre man, Deutschland und Europa hätten die erste Halbzeit der Digitalisierung verschlafen – „wie sehen Sie das?“, will IHK-Geschäftsführerin Michaela Eberle von Mrosik wissen. „Wir haben keinen Grund, unser Licht unter den Scheffel zu stellen“, antwortet der und mahnt Unternehmen, bei diesem Thema nicht zu warten. „Was wünschen Sie sich von der EU der Zukunft?“, fragt Eberle dann. „Europa ist alternativlos“, sagt der COO von Digital Industries, die ihren Sitz in Nürnberg hat. Was schade sei, denn schließlich gebe es auch bestens geeignete Gewerbeflächen in Ostwürttemberg, meint IHK-Präsident Markus Maier, der beim Jahresempfang bewusst aufs Händeschütteln verzichtet. Der Grund: das Coronavirus, das am Jahresempfang der IHK nicht spurlos vorübergegangen ist. „Rund 100 Gäste haben sich abgemeldet“, sagt Maier.
„Unsere Auslandhandelskammern in China melden, dass es kein einziges Mitgliedsunternehmen gibt, das nicht von dem Ausbruch betroffen wäre. 90 Prozent gehen von mittlerer bis hoher Intensität aus“, fährt Maier fort. Auch die IHK habe ein
Stimmungsbild erhoben. Demnach treffe alles, was für das Bundesgebiet gelte, auch für Ostwürttemberg zu. China falle für viele temporär als Markt aus. Das Ende ist offen.
Corona, Brexit, US-Wirtschaftspolitik – wie es wirtschaftlich weitergeht, lasse sich nicht beantworten. „Die Unsicherheiten sind groß“, sagt Maier, der dennoch auf ein zumindest bescheidenes Wachstum hofft.
Auch wenn angesichts dessen die Themen Ostwürttembergs klein wirken, sieht Maier Verbesserungsbedarf, insbesondere bei der Infrastruktur und dem Tempo, mit dem hier agiert wird. Auf der A7 etwa. Man müsse sich beim VirngrundTunnel „die Augen reiben“. Für die zwei Röhren, 468 Meter lang, seien 17 Monate für Baumaßnahmen vorgesehen. „Warum beansprucht dies einen derart langen Zeitraum? Geschwindigkeit ist keine Hexerei“, fordert der IHK-Präsident, der auch Positives anspricht: die geplante Verkehrskonferenz für Oberkochen/ Königsbronn. Wissen aus der Region mit externem Know-how zu verschmelzen sei ein hervorragender Ansatz.
Und allem Anschein zum Trotz müsse man dennoch nicht allzu sorgenvoll in die Zukunft schauen. „Wir dürfen auf unsere Industrie, auf unser Können, auf unser Wissen, auf unsere Technik, auf unsere Produkte vertrauen – und vor allen Dingen auf unsere Menschen.“