Klare Absage an Anfeindungen
OB Dambacher: Corona-Betroffene müssen in der Quarantäne schon genug leiden
- Die Menschen sind zutiefst verunsichert. So hat es Thomas Steidle, Leiter des Ellwanger Ordnungsamts, auf den Punkt gebracht. Aber was bringt Menschen dazu, andere Menschen, die erkrankt sind, am Telefon zu beleidigen?
„Ich bedaure sehr, dass die Corona-Patientinnen solche massiven Anfeindungen erfahren“, betont Landrat Klaus Pavel. „Das Coronavirus kann schließlich jeden von uns bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten treffen – sei es im Familien-, Verwandten- oder Freundeskreis oder auch bei der Arbeit und im Verein. Wir sollten in der jetzigen Situation empathischer miteinander umgehen.“
Dass die im Raum Ellwangen am Coronavirus Erkrankten am Telefon belästigt und beleidigt werden, hat Bürgermeister Volker Grab am Donnerstag im Gemeinderat öffentlich gemacht. Er verurteilte die Anrufe. OB Michael Dambacher hält sie für „bedauerlich“. Die Betroffenen müssten in Quarantäne schon genug mitmachen, sagt er. „Es kann jeden treffen.“
Der OB stellt klar, dass sich die erkrankten Frauen pflichtgemäß und vorbildlich verhalten haben, um die Infektion einzudämmen.
Sie seien unschuldig, betont er. Umso unverständlicher sind für ihn die Anrufe „und die Art und Weise“. Die Betroffenen wollen sich selbst übrigens nicht äußern.
Die Patientinnen waren schriftlich darüber informiert worden, wie sie mit der Erkrankung umzugehen haben. Mit dieser Anordnung im formaljuristischen Amtsdeutsch wollte die Stadt sie aber nicht alleine lassen, wie OB Dambacher betont. „Wir fühlen mit.“Also habe Bürgermeister Grab als zuständiger Dezernent mit den Patientinnen persönlich telefoniert.
Eigentlich wollten Dambacher und Grab im Gemeinderat gar nichts zu den Anfeindungen sagen, wie der OB weiter sagt. Aber als das Coronavirus zur Sprache gekommen sei, hätten sie sich kurzerhand umentschieden.
Zwei der betroffenen Corona-Patientinnen sind an der Ellwanger SanktAnna-VirngrundKlinik beschäftigt. Der Vorstandsvorsitzende der Kliniken Ostalb, Professor Ulrich Solzbach, verurteilte im Gespräch mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichten“die Anfeindungen gegen die Patientinnen. „Ich stelle mich als Chef vor die Mitarbeiterinnen“, sagte er.
Auch der Corona-Patientin, die sich wahrscheinlich bei einer Karnevalsveranstaltung im nordrheinwestfälischen Heinsberg angesteckt hatte, könne man keinen Vorwurf machen.
Es gehöre zur menschlichen Art, Gemeinschaft zu suchen und auch gemeinsam zu feiern, so Solzbach. „Das macht uns Menschen aus, das ist die Art, wie wir miteinander umgehen.“
Der Mediziner ergänzt: „Die Hysterie ist ein Teil der Problematik.“Realistisch betrachtet, sei die Sterblichkeitsrate bei Corona-Patienten bis zum sechzigsten Lebensjahr etwa mit der der normalen Virusgrippe zu vergleichen. Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen seien natürlich stärker gefährdet. Zur Panik bestehe allerdings kein Anlass, sagte Solzbach.
Ellwangens evangelischer Pfarrer Martin Schuster hat auch eine klare Meinung zu den Anrufen. Sich irgendwo anzustecken, sei keine bewusste und aktive Tat, für die man moralisch Verantwortung trage – und auch auch kein Akt der Fahrlässigkeit. „Diese Menschen sind Opfer einer Krankheit.“
Für Schuster steht fest: Die Erkrankten hätten Sorge getragen, dass sie niemanden infizieren. Die Beschimpfungen sind für ihn nicht nachzuvollziehen. „Das ist keine hilfreiche Aktion.“Angesprochen auf seine zurückhaltende Wortwahl, sagt der Pfarrer: Er wolle die verbale Unbeherrschtheit dieser Zeit nicht weiter anheizen.