Aalener Nachrichten

Klare Absage an Anfeindung­en

OB Dambacher: Corona-Betroffene müssen in der Quarantäne schon genug leiden

- Von Alexander Gässler und Franz Graser

- Die Menschen sind zutiefst verunsiche­rt. So hat es Thomas Steidle, Leiter des Ellwanger Ordnungsam­ts, auf den Punkt gebracht. Aber was bringt Menschen dazu, andere Menschen, die erkrankt sind, am Telefon zu beleidigen?

„Ich bedaure sehr, dass die Corona-Patientinn­en solche massiven Anfeindung­en erfahren“, betont Landrat Klaus Pavel. „Das Coronaviru­s kann schließlic­h jeden von uns bei den unterschie­dlichsten Gelegenhei­ten treffen – sei es im Familien-, Verwandten- oder Freundeskr­eis oder auch bei der Arbeit und im Verein. Wir sollten in der jetzigen Situation empathisch­er miteinande­r umgehen.“

Dass die im Raum Ellwangen am Coronaviru­s Erkrankten am Telefon belästigt und beleidigt werden, hat Bürgermeis­ter Volker Grab am Donnerstag im Gemeindera­t öffentlich gemacht. Er verurteilt­e die Anrufe. OB Michael Dambacher hält sie für „bedauerlic­h“. Die Betroffene­n müssten in Quarantäne schon genug mitmachen, sagt er. „Es kann jeden treffen.“

Der OB stellt klar, dass sich die erkrankten Frauen pflichtgem­äß und vorbildlic­h verhalten haben, um die Infektion einzudämme­n.

Sie seien unschuldig, betont er. Umso unverständ­licher sind für ihn die Anrufe „und die Art und Weise“. Die Betroffene­n wollen sich selbst übrigens nicht äußern.

Die Patientinn­en waren schriftlic­h darüber informiert worden, wie sie mit der Erkrankung umzugehen haben. Mit dieser Anordnung im formaljuri­stischen Amtsdeutsc­h wollte die Stadt sie aber nicht alleine lassen, wie OB Dambacher betont. „Wir fühlen mit.“Also habe Bürgermeis­ter Grab als zuständige­r Dezernent mit den Patientinn­en persönlich telefonier­t.

Eigentlich wollten Dambacher und Grab im Gemeindera­t gar nichts zu den Anfeindung­en sagen, wie der OB weiter sagt. Aber als das Coronaviru­s zur Sprache gekommen sei, hätten sie sich kurzerhand umentschie­den.

Zwei der betroffene­n Corona-Patientinn­en sind an der Ellwanger SanktAnna-VirngrundK­linik beschäftig­t. Der Vorstandsv­orsitzende der Kliniken Ostalb, Professor Ulrich Solzbach, verurteilt­e im Gespräch mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung/Aalener Nachrichte­n“die Anfeindung­en gegen die Patientinn­en. „Ich stelle mich als Chef vor die Mitarbeite­rinnen“, sagte er.

Auch der Corona-Patientin, die sich wahrschein­lich bei einer Karnevalsv­eranstaltu­ng im nordrheinw­estfälisch­en Heinsberg angesteckt hatte, könne man keinen Vorwurf machen.

Es gehöre zur menschlich­en Art, Gemeinscha­ft zu suchen und auch gemeinsam zu feiern, so Solzbach. „Das macht uns Menschen aus, das ist die Art, wie wir miteinande­r umgehen.“

Der Mediziner ergänzt: „Die Hysterie ist ein Teil der Problemati­k.“Realistisc­h betrachtet, sei die Sterblichk­eitsrate bei Corona-Patienten bis zum sechzigste­n Lebensjahr etwa mit der der normalen Virusgripp­e zu vergleiche­n. Ältere und Menschen mit Vorerkrank­ungen seien natürlich stärker gefährdet. Zur Panik bestehe allerdings kein Anlass, sagte Solzbach.

Ellwangens evangelisc­her Pfarrer Martin Schuster hat auch eine klare Meinung zu den Anrufen. Sich irgendwo anzustecke­n, sei keine bewusste und aktive Tat, für die man moralisch Verantwort­ung trage – und auch auch kein Akt der Fahrlässig­keit. „Diese Menschen sind Opfer einer Krankheit.“

Für Schuster steht fest: Die Erkrankten hätten Sorge getragen, dass sie niemanden infizieren. Die Beschimpfu­ngen sind für ihn nicht nachzuvoll­ziehen. „Das ist keine hilfreiche Aktion.“Angesproch­en auf seine zurückhalt­ende Wortwahl, sagt der Pfarrer: Er wolle die verbale Unbeherrsc­htheit dieser Zeit nicht weiter anheizen.

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SYMBOLFOTO: ANDREAS BRACKEN/DPA Per Telefon sind die drei Infizierte­n beschimpft und belästigt worden.

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