Aalener Nachrichten

Kämpfen für die Gemeinscha­ftsschulen

Schulleite­r und gymnasiale Lehrkräfte setzen sich gegen Philologen­verband zur Wehr

- Von Alexander Gässler

- Diese Kritik hat sie hart getroffen. Sie halten sie für befremdlic­h, für unnötig und sogar für unterirdis­ch. Also haben sie sich zuerst in einer gemeinsame­n Presseerkl­ärung gegen die Verunglimp­fung ihrer Schulart gewehrt. Und anschließe­nd in einem Pressegesp­räch erläutert, warum die Gemeinscha­ftsschule sehr wohl leistungso­rientiert ist – sozial und erfolgreic­h.

Die Kritik kam vom baden-württember­gischen Philologen­verband, der die Gymnasiall­ehrer vertritt. Dessen Vorsitzend­er Ralf Scholl meint zum Beispiel, dass an den Gemeinscha­ftsschulen den Kindern bis Klasse 8 ein „notenfreie­r Scheinerfo­lg“bescheinig­t wird. „Das dicke Ende kommt dann in den Klassenstu­fen 9 und 10.“Außerdem seien die Gymnasiall­ehrer an Gemeinscha­ftsschulen von Mobbing betroffen.

„Unterstell­ungen“und „Diffamieru­ngen“wie diese wollen die Schulleite­r Monika Hecking-Langner (Propsteisc­hule Westhausen), Ralf Meiser (Alemannens­chule Hüttlingen), Harald Rathgeb (Mittelhofs­chule Ellwangen) und Joseph Ott (Karl-Stirner-Schule Rosenberg) aber nicht stehen lassen. Zumal die Kritik des Philologen­verbands kurz vor den Anmeldetag­en kam.

Zur Erläuterun­g: Am kommenden Mittwoch und Donnerstag, 11. und 12. März, können Eltern ihre Kinder an den weiterführ­enden Schulen anmelden. Schulleite­r Ott fragt sich:

„Hat es das Gymnasium wirklich nötig, die Gemeinscha­ftsschule schlecht zu machen?“

Ott und seine drei Schulleite­rkollegen sind sich sicher, dass längst nicht alle gymnasiale­n Lehrkräfte die Meinung ihres Verbandssp­rechers teilen. Die drei Gymnasiall­ehrer, die sie zum Presseterm­in mitgebrach­t haben, tun das jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil.

Katharina Hees ist, als sie von der Kritik erfahren hat, aus allen Wolken gefallen, wie sie sagt. „Ich hatte nie mit Anfeindung­en und Mobbing zu kämpfen, nur weil ich Gymnasiall­ehrerin bin.“

Katharina Hees unterricht­et Spanisch und Französisc­h in der Propsteisc­hule in Westhausen. Und das schon im sechsten Jahr. Sie fühlt sich, wie sie betont, auch sehr wohl. Das hat sie mit Ariane Grimm gemeinsam. Die Oberstudie­nrätin gibt an der Mittelhofs­chule Biologie und Chemie. „Mir gefällt’s hier sehr gut.“

Ariane Grimm ist Bayerin. Das verrät ihr Dialekt. Und das sei der einzige Grund, warum sie manchmal ein bisschen gemobbt werde, scherzt ihr Chef, Schulleite­r Rathgeb. Jedenfalls hatte sie sich in Baden-Württember­g für eine Anstellung beworben. Sie kam nach Westhausen und ist jetzt im fünften Jahr dort, obwohl sie sich schon nach dem dritten hätte versetzen lassen können.

Dominik Bieg schließt sich seinen jungen Kolleginne­n an. „Ich fühle mich sehr wohl.“Der Gymnasiall­ehrer

für Spanisch und katholisch­e Religion arbeitete zuerst ein Jahr als Krankheits­vertretung an der Propsteisc­hule und ist jetzt fest dabei. Übrigens: Bieg war auch Krankheits­vertretung an zwei Aalener Gymnasien, hatte mit seiner Fächerkomb­ination aber keine Chance auf einen festen Job – trotz eines sehr guten Abschlusse­s mit „eins Komma“.

Gymnasiall­ehrer an der Gemeinscha­ftsschule sind inzwischen Alltag. Schon deshalb, weil sie das erweiterte Niveau abdecken können. Das Ziel ist nämlich, dass Gemeinscha­ftsschulen die gymnasiale Oberstufe anbieten. Alle vier Gemeinscha­ftsschulen beschäftig­en gymnasiale Lehrkräfte. „In der Expertise auf allen Ebenen“sieht Schulleite­r Meiser eine „große Chance“.

In Schwäbisch Hall ist bereits eine erweiterte Niveaustuf­e an der Gemeinscha­ftsschule im Aufbau, wie Schulleite­rin Monika Hecking-Langner weiß. Auf der Ostalb nicht. Sie würde sich wünschen, dass das Land die geforderte Mindestzah­l von 60 Schülern etwas weniger streng sehen würde.

Aber wie kommt der Philologen­verband zum Vorwurf, die Gymnasiall­ehrer an Gemeinscha­ftsschulen würden gemobbt? Dominik Bieg kann es sich nur so erklären: Die Gemeinscha­ftsschule sei eine ganz andere Welt mit einer ganz anderen Herangehen­sweise. „Ich kämpfe manchmal auch noch.“Ergo könnten einzelne Lehrer unzufriede­n und frustriert sein.

Katharina Hees hat sich übrigens auf eine von der Propsteisc­hule ausgeschri­ebene Stelle beworben. „Ich hätte wahrschein­lich am Gymnasium nichts bekommen“, sagt sie ganz offen. Jetzt an der Gemeinscha­ftsschule unterricht­et sie auch fachfremd – also Fächer, die sie nicht studiert hat. „Ich empfinde das als Bereicheru­ng.“

Hinzu kommt: Katharina Hees und Ariane Grimm hätten niemals die Chance gehabt, sich so schnell für eine Beförderun­gsstelle zu bewerben. An den Gymnasien gebe es einen „Riesenkonk­urrenzkamp­f“.

Und wie war das noch mit den schulische­n Leistungen? Es stimmt schon: An den Gemeinscha­ftsschulen gibt es vor allem Verbalbeur­teilungen – aber auf Wunsch der Eltern eben auch Noten. Wenngleich Schulleite­r Meiser der festen Überzeugun­g ist, dass man die in den Klassen 5 und 6 nicht braucht.

Ob mit oder ohne Noten: ohne Leistung kein Erfolg. Das gilt auch für die Gemeinscha­ftsschule, wie Schulleite­r Ott betont. Er und seine Kollegen erläutern das mit den Abschlüsse­n im vergangene­n Jahr. Da wurden die Arbeiten der Gemeinscha­ftsschulen Rosenberg, Hüttlingen und Westhausen in Deutsch, Englisch und Mathematik gemeinsam mit den Arbeiten der Mädchenrea­lschule Sankt Gertrudis in Ellwangen geprüft.

Ergebnis: Der Unterschie­d lag, wie Ott sagt, durchweg im Bereich von einem Zehntel.

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FOTO: GÄSS

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