Auch im Süden schließen die Schulen
Bayern und Baden-Württemberg reagieren auf Corona-Krise – Pläne für leerstehende Kliniken
- Wie mehrere andere Bundesländer schließen auch Bayern und Baden-Württemberg Schulen und Kitas, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Tageseltern dürfen ebenfalls nicht mehr arbeiten. Das gilt in Bayern ab Montag, im Südwesten ab Dienstag. Vorläufig sollen alle Einrichtungen bis nach den Osterferien schließen. Notangebote richten die Länder für Kinder ein, deren Eltern beide in systemkritischen Berufen arbeiten, beispielsweise bei der Polizei, im Gesundheitswesen oder im Lebensmitteleinzelhandel.
Das gaben die Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) am Freitag bekannt. „Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation, wie wir sie bislang nicht erlebt haben“, sagte Kretschmann. Es handle sich um einschneidende Maßnahmen. Sie seien aber notwendig, um dem Gesundheitswesen Zeit zu verschaffen. So seien in Baden-Württemberg nahezu alle 3000 Intensivbetten belegt, sagte Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Das liegt vor allem an der Grippewelle. Die Regierungen hoffen, dass diese bald abebbt. Je langsamer die Zahl der Corona-Patienten wächst, desto mehr freie Betten, lautet das Kalkül. Derzeit steigen die Fallzahlen sehr rasch. Die allermeisten Fälle verlaufen milde. Im Südwesten starben bis dato drei Menschen, in Bayern einer.
Lucha kündigte an, mehr Intensivbetten einzurichten und weitere Kapazitäten in Krankenhäusern zu schaffen. Man denke darüber nach, in leerstehenden Kliniken wie in Spaichingen oder Weingarten übergangsweise wieder Patienten zu betreuen. Das Land bittet Ärzte im Ruhestand um Hilfe bei der Versorgung, 250 haben bislang zugesagt. Das Wissenschaftsministerium prüft den Einsatz von Medizinstudenten, die in den klinischen Semestern sind. Zur Not sollen weniger schwere Fälle in Rehakliniken, Gemeindehallen oder Hotels untergebracht werden.
„Wir alle müssen unsere Sozialkontakte um 50 Prozent senken“, sagte Lucha. Krankenhauspatienten dürfen ab sofort keinen Besuch mehr bekommen, die Besuchszeiten in Pflege- und Altenheimen sind stark eingeschränkt. Die Landesregierungen empfehlen Eltern dringend, ihre Kinder nicht zu den Großeltern in
Betreuung zu geben. Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen zählen zu den Risikogruppen, in denen schwere Verläufe der Atemwegsinfektion wahrscheinlicher sind. Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern sind in geschlossenen Räumen verboten.
Anders als Bayern schließt BadenWürttemberg Schulen und Kitas erst am Dienstag. „Die Bayern haben den Beschluss bereits heute morgen um 9 Uhr gefasst“, begründete Kretschmann. Nun wolle man Lehrern und Schülern Zeit geben, am Montag die notwendigen Informationen auszutauschen und Hausaufgaben zu verteilen. Die Ministerrunde in Stuttgart habe sich nicht früher als 12 Uhr treffen können, weil zuvor eine Krisensitzung mit Wirtschaftsvertretern anstand.
Von Mathias Puddig, Lilia Ben Amor und Katja Korf
- In Bayern schließen alle Schule und Kitas ab Montag, in Baden-Württemberg ab Dienstag. Tageseltern dürfen nicht mehr arbeiten. Das gilt zunächst bis zum Ende der Osterferien. Die wichtigsten Informationen im Überblick.
Wie geht es dann weiter?
Wer zumacht, muss irgendwann wieder aufmachen. Zwar sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Freitag, dass die Zeit nach Ostern nicht planbar sei. Trotzdem steht die Frage im Raum, unter welchen Voraussetzungen die Schulen ihren Betrieb wiederaufnehmen können. Den Virologen zufolge wird Corona nach den Osterferien nicht aus Deutschland verschwunden sein. Die Wiedereröffnung der Schulen bei weit höheren Infektionszahlen als heute dürfte schwer zu vermitteln sein. Allerdings haben die Schulschließungen vor allem ein Ziel: den steilen Anstieg der Infektionsraten zu verlangsamen. Wenn man das nicht schafft, droht eine Überlastung des Gesundheitssystem. Die Regierungen hoffen unter anderem auf das Ende der Grippewelle, mit dem sie in kommenden Wochen rechnen. Dann werden Krankenhausbetten frei.
Ist das verhältnismäßig?
„Schulschließungen sind sinnvoll, um die Ausbreitung zu verlangsamen”, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts am Freitag. Das sehen mittlerweile viele Virologen so. Wielers Kollege Christian Drosten vom Berliner Klinikum Charité hatte zu Wochenbeginn sofortige Schließungen noch als nicht notwendig bezeichnet – ein Zeichen dafür, wie rasch sich die Lage derzeit verschärft.
Wie wird die Betreuung der Kinder organisiert?
Bayern und Baden-Württemberg werden in Kitas und Schulen Betreuung anbieten – aber nur für Kinder, deren Eltern beide in „systemrelevanten“Berufen arbeiten: Das sind Polizisten, Rettungskräfte, Beschäftigte im Gesundheitswesen, Mitarbeiter von Strom- und Wasserversorgern sowie Lebensmittelproduktion und Lebensmitteleinzelhandel. Das Südwest-Kultusministerium will noch entscheiden, ob – und wenn ja welche – Nachweise Eltern erbringen müssen, um einen der knappen Plätze zu bekommen. Die Landesregierung appelliert an alle Unternehmen, ihren Mitarbeitern möglichst flexibel Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen oder geplante Urlaube vorzuverlegen.
Darf ich von der Arbeit fernbleiben, weil ich mich um meine Kinder kümmern muss?
Unter bestimmten Bedingungen ist das für eine kurze Zeit möglich, auch mit Lohnfortzahlung. Eltern müssen vorher geprüft haben, ob es eine andere Möglichkeit der Betreuung gibt. Dazu sollten sie das anstehende Wochenende nutzen. Eine langfristige Lösung kann das allerdings nicht sein. „Hier sollte eine Einigung mit dem Arbeitgeber versucht werden“, erklärt Hans Schwarz, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Es handle sich nach herrschender Rechtsmeinung nicht „um einen Fall eines sogenannten Fernbleibens von der Arbeit aus persönlichen Gründen“. Es empfehle sich, Gespräche mit dem Arbeitgeber zu führen, um möglicherweise Urlaub für diese Zeit zu nehmen. Auch Überstundenabbau oder eine unbezahlte Freistellung seien denkbar.
Was passiert mit den Abitur- und anderen Abschlussprüfungen?
Für alle Arten von Abschlussprüfungen gilt laut Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (CSU), dass faire Bedingungen sichergestellt werden sollen. Wichtig sei auch die Fragen der gegenseitigen Anerkennung der Abschlüsse unter den Ländern. „Da werden wir uns unterstützen durch die Bundesländer“, sagte der bayerische Kultusminister Bayerns am Freitagmorgen. „Wir werden bei der Benotung und Aufgabenstellung eine pädagogisch sinnvolle Vorgehensweise anwenden“, sagte seine baden-württembergische Amtskollegin Susanne Eisenmann (CDU). Sprich: Lehrer sollen berücksichtigen, dass den Schülern zwei Wochen Unterricht fehlen. Ihnen sollen keine Nachteile entstehen. Eisenmann hatte bereits angekündigt, mehr Nachschreibetermine für die Prüfungen zu planen und deshalb auch mehr Aufgaben für den zentralen Pool des Landes zu erarbeiten. Denn alle Abschlussprüfungen im Land finden zentral statt – also an den jeweiligen Schularten gleichzeitig und mit denselben Aufgaben.
Haben Schüler jetzt Ferien?
Nein. Schüler sollen zuhause arbeiten und Aufgaben erhalten. So soll der Lehrplan eingehalten werden. Wie das organisiert wird, ist aber zum Teil noch offen. „Wir haben keine Möglichkeiten, auf digitale Bildungsangebote auszuweichen, weil wir nach wie vor in der Steinzeit sind“, sagte der Vorsitzende des baden-württembergischen Landeselternbeirats, Carsten Rees.
Was heißt das für Studienanfänger?
Die Bildungsminister aus Bund und Ländern versprechen, dass sie keine Nachteile haben. Der Sorge, dass Bafög-Empfänger vorübergehend keine Förderung erhalten, weil die Hochschulen geschlossen sind oder der Semesterstart verschoben wurde, trat Bundesbildungsministerin Anja Karliczek am Freitag entgegen. Per Erlass hat sie dafür gesorgt, dass die Förderung weiter gewährt wird. „Niemand soll sich sorgen müssen“, sagte sie.