Frankreich lernt im virtuellen Klassenzimmer
Die Schüler im Nachbarland werden zu Hause digital weiter unterrichtet
- Als Emmanuel Macron am Donnerstagabend um kurz nach 20 Uhr die Schließung aller Kindergärten, Schulen und Universitäten verkündete, war der Jubel bei vielen Schülern groß. Doch Bildungsminister Jean-Michel Blanquer dämpfte die Freude schnell: „Das sind keine verlängerten Ferien“, warnte er im Radio. Statt auf der Schulbank müssen die Kinder nämlich ab Montag zu Hause den Unterrichtsstoff lernen. Frankreich hat seit 1939 ein Mittel, um Schüler zu Hause zu unterrichten. Das Nationale Zentrum für Fernunterricht (CNED) wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gegründet, um den Unterricht zu gewährleisten, nachdem die Lehrer eingezogen worden waren. Was damals mit der Post versandt wurde, ist heute im Internet
abrufbar. Für jede Klassenstufe gibt es den Unterrichtsstoff in digitale Päckchen aufbereitet. Gedacht ist „Ma classe à la maison“(meine Klasse zu Hause) vor allem für Kinder, die krank sind oder als Sportler und Künstler viel unterwegs sind.
In den nächsten Wochen soll das Programm nun ein virtuelles Klassenzimmer für alle 12,4 Millionen französischen Schüler werden. Eine Dimension, die so nicht vorgesehen war. Doch das Bildungsministerium versichert, dass bis zu 15 Millionen Schüler gleichzeitig in der digitalen Fernschule lernen können. Bevor es losgeht, müssen die Rektoren den Eltern mitteilen, wie sich ihre Kinder in den Fernunterricht einklinken. Jedes Kind bekommt ein Konto, um einen persönlich abgestimmten Stoff zu bearbeiten. „Ziel ist es nicht, drei Stunden vormittags und drei Stunden nachmittags vor dem Bildschirm zu sitzen“, versichert Blanquer. Deshalb werde es vor allem für Grundschüler Aufgaben geben, die auf Papier zu erledigen sind.
Wer sich freut, ein paar Wochen lang seine Lehrerin nicht zu sehen, wird vom Bildungsminister enttäuscht. Neben dem Stoff, den das CNED für alle Schüler anbietet, werde es einen eigenen Kommunikationskanal mit den Lehrern geben. Über eine Art schulinternes Intranet, das in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut wurde, können die Lehrer mit ihren Schülern in Kontakt bleiben. Sie können chatten, Aufgaben auf einer virtuellen Tafel stellen und Unterricht per Audio- oder Videokonferenz abhalten. Rund 400 000 Schüler in den besonders vom Coronavirus betroffenen Gebieten testeten in den vergangenen Wochen den Fernunterricht bereits.
Den fünf Prozent der Schüler, die keinen Computer zuhause haben, verspricht Blanquer: „Wir werden für jeden eine Lösung finden.“Die Rektoren sollen erfragen, wer betroffen ist und dann eventuell Computer bereitstellen. Wie lange die Schule zu Hause dauern soll, will der Minister nicht sagen.