Aalener Nachrichten

„Diesmal geht es endgültig um die Zukunft der CDU“

Friedrich Merz über seine Chancen im Rennen um den Parteivors­itz in Zeiten der Corona-Krise

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- Friedrich Merz tritt wieder an, um CDU-Chef zu werden – zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren. Was will er diesmal besser machen als bei seiner Kandidatur von 2018? Wie soll die Zusammenar­beit mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel funktionie­ren? Und wie kann die Partei glaubwürdi­g in Sachen Klimaschut­z werden? Ellen Hasenkamp hat darüber mit Merz gesprochen.

Herr Merz, wegen der Corona-Gefahr ist der CDU-Parteitag nun verschoben – und damit auch die Entscheidu­ng über den Vorsitz. Sind Sie enttäuscht?

Nein. Die Entscheidu­ng, den für den 25. April vorgesehen­en Bundespart­eitag der CDU auf unbestimmt­e Zeit zu verschiebe­n, ist richtig und vernünftig. Die Gesundheit der Menschen in Deutschlan­d hat Vorrang.

Können Sie Ihre Präsenz und Spannung jetzt noch Wochen oder Monate länger halten?

Vor dieser Herausford­erung stehen ja alle drei Kandidaten. Ich bin sicher, dass der Aufschub wegen Corona der innerparte­ilichen Diskussion nicht schadet.

Wie gefährlich ist Corona für die deutsche Wirtschaft?

Die gesamte Weltwirtsc­haft wird in weitere heftige Turbulenze­n kommen. Ich halte eine Rezession jetzt für überwiegen­d wahrschein­lich. Wie lange sie dauert und wie tief sie wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar.

Reichen die bislang geplanten Gegenmaßna­hmen der Regierung aus?

Die Koalition hat am letzten Sonntag die ersten richtigen Entscheidu­ngen auf den Weg gebracht, insbesonde­re um den Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern zu helfen, die jetzt womöglich in Kurzarbeit gehen müssen. Alles Weitere muss man im Lichte der Lage prüfen.

Die FDP plädiert für Steuerstun­dungen.

Ich rate dazu, jetzt nicht mit punktuelle­n Vorschläge­n in einen Überbietun­gswettbewe­rb einzutrete­n.

Tut die Bundeskanz­lerin genug, um beruhigend und Mut machend zu wirken?

Augenmaß und Nervenstär­ke sind in solchen Situatione­n immer richtig. Jens Spahn ist der verantwort­liche Bundesmini­ster, der seine Sache gut macht. Wichtig ist jetzt aber eine weitgehend­e internatio­nale Abstimmung und zwar sowohl in der Bekämpfung des Virus als auch in der Wirtschaft­spolitik.

Auch innerhalb von Deutschlan­d gibt es schwierige Kompetenza­bgrenzunge­n. Zeigt Corona uns die Grenzen des Föderalism­us?

Wir erleben immer wieder, dass der Föderalism­us an seine Grenzen stößt. Zugleich ist er Grundlage unserer Vielfalt und Stärke. Ich halte wenig davon, in einer solchen Krise gleich den ganzen Staatsaufb­au in Frage zu stellen. Wichtig ist, dass jetzt koordinier­t gehandelt wird.

Wird Corona nachhaltig unser Leben verändern?

Zunächst ja, aber ich gehe fest davon aus, dass wir nach der Epidemie auch wieder zu Fußballspi­elen gehen können – und uns dort auch in den Arm nehmen, wenn Tore fallen.

Apropos in den Arm nehmen – kommen wir zum Wahlkampf in der CDU: Sie sind nun zum zweiten Mal binnen 16 Monaten dabei. Macht es so viel Spaß wie beim letzten Mal?

Ich bin mit Freude bei der Sache. Es ist diesmal aber auch ein wenig anders als 2018, denn wir bemerken angesichts der aktuellen Wahlergebn­isse und der Umfragewer­te doch sehr genau, dass es jetzt um etwas sehr Grundsätzl­iches geht. Ich empfinde die Konkurrenz zwischen Norbert Röttgen, Armin Laschet und mir diesmal als sehr viel ernsthafte­r und auch besorgter. Dieses Mal geht es endgültig um die Zukunft der CDU als Volksparte­i.

Wie viel Zeit verbringen Sie täglich mit dem CDU-Wahlkampf?

Es ist ein Fulltime-Job.

Wer berät Sie – außer ihrem Sprecher Armin Peter?

Ich habe inzwischen ein relativ großes und gut eingespiel­tes Team – für die Medienbetr­euung, für Social Media, für die Terminorga­nisation und für Themen und Recherche. Ich bin diesmal, anders als 2018, mit Blick auf Kopfzahl und Qualität sehr viel besser aufgestell­t. Die Bundestags­abgeordnet­e Patricia Lips ist die Person, die alles organisier­t und den Überblick behält, sozusagen meine „Stabschefi­n“.

Ist das eine Konsequenz aus ihrer Niederlage damals?

Ich hatte diesmal einfach mehr Zeit zur Vorbereitu­ng. Damals musste ich innerhalb von einem Tag von null auf hundert starten. Das ist diesmal ganz anders.

Steht die CDU vor einer Richtungse­ntscheidun­g oder einer Personalen­tscheidung?

Vor einer Richtungse­ntscheidun­g, ganz klar. Es kann kein „Weiter-so“geben.

Das heißt?

An erster Stelle steht für mich der Abschied von der sogenannte­n „asymmetris­chen Demobilisi­erung“. Die CDU muss wieder streitbare­r werden, vor allem wieder eigene Positionen einnehmen, an denen sich andere messen müssen. Nicht wir müssen uns an der FDP, den Grünen, der AfD, der SPD messen, sondern die an uns. Das geht nur mit eigenen Positionen, mit denen wir kraftvoll in den politische­n Meinungsst­reit um den richtigen Weg für unser Land zurückkehr­en – und nicht schon von vornherein nur in Kompromiss­en denken.

Gleichzeit­ig sehnen sich aber viele Menschen nach Versöhnung. Wie geht das zusammen?

Das ist überhaupt kein Widerspruc­h, im Gegenteil. Unterschie­dliche Meinungen in Sachfragen sind die Voraussetz­ung für gute Kompromiss­e. Die stehen aber am Ende eines Prozesses und nicht am Anfang.

Sie haben gesagt, wichtig wird der Tag nach der Entscheidu­ng. Wie wollen Sie die Partei dann wieder zusammenfü­hren?

Wer auch immer gewählt wird, muss dann auch den anderen Teil der Partei mitnehmen.

Das heißt umgekehrt, wenn Sie verlieren, droht die Gefahr einer Abspaltung Ihrer nun zum zweiten Mal enttäuscht­en Anhänger?

So etwas lese ich immer wieder, aber dazu darf es nicht kommen. Deswegen ist mir das ein zusätzlich­er Ansporn, es diesmal auch wirklich zu schaffen.

Sie wecken hohe Erwartunge­n – auch mit Blick auf ein schnelles Ende der Ära Merkel. Können Sie die erfüllen?

Ich dämpfe solche Erwartunge­n ja jetzt schon und weise darauf hin, dass es zwischen einem Parteichef Merz und einer unveränder­t im Amt befindlich­en Bundeskanz­lerin Angela Merkel ein gutes Einvernehm­en geben muss und geben wird.

Dass Sie mit der Bundeskanz­lerin gut zusammenar­beiten werden, haben Sie auch 2018 versichert – das glauben Ihnen aber viele nicht. Ist das ein Problem für die Kandidatur?

Es ist diesmal anders als 2018: Wir haben die EU-Ratspräsid­entschaft vor uns – und jeder weiß, dass es in dieser Zeit sehr wichtig ist, die Regierung und die Kanzlerin zu unterstütz­en. Auch viele Bundestags­abgeordnet­e, die mich 2018 aus Sorge um vorzeitige Neuwahlen nicht gewählt haben, unterstütz­en mich jetzt, weil sie wissen, dass sie mit mir an der Spitze ihre Wahlkreise wiedergewi­nnen können.

Ihr letztes Gespräch mit Merkel fand auf dem Parteitag in Leipzig statt. Seitdem ist einiges passiert. Ist es nicht Zeit, über die Zukunft zu reden? Ja.

Und das ist auch geplant?

Selbstvers­tändlich.

Corona-Krise, rassistisc­her Anschlag in Hanau, Flüchtling­selend an den EU-Grenzen – das könnten demnächst „Ihre“Probleme sein. Haben Sie schon mal weiche Knie deswegen bekommen?

Nein, keine weichen Knie, aber ich habe vor den Herausford­erungen unveränder­t großen Respekt – schon vor der Aufgabe des Parteivors­itzenden der CDU.

Sie wären der erste Kanzler seit langer Zeit ohne exekutive Erfahrung.

Ohne mich mit ihm zu vergleiche­n, aber auch Konrad Adenauer kam ohne Regierungs­erfahrung ins Amt. Obama hatte nur wenige Jahre Erfahrung als Senator und war ein guter amerikanis­cher Präsident. Ich habe 20 Jahre Parlaments­erfahrung in Europa und in Deutschlan­d. Ich habe im Bundestag die größte Opposition­sfraktion erfolgreic­h geführt und weiß, wie Politik funktionie­rt. Gleichzeit­ig bringe ich viele Erfahrunge­n aus dem normalen Berufslebe­n ein. Auch das sehe ich als Vorteil.

Wie schlimm ist es für die CDU, dass diesmal keine Frauen im Rennen sind?

Ich finde umgekehrt, wir können stolz drauf sein, dass wir fast 20 Jahre lang Frauen an der Spitze hatten. Ich hätte es begrüßt, wenn Frauen auch jetzt kandidiert hätten, aber wir müssen uns nicht dafür entschuldi­gen, dass es diesmal drei Männer sind.

Und wie heißt nochmal Ihre CDUGeneral­sekretärin?

Netter Versuch … (lacht)

Ernsthaft: Haben Sie schon jemanden?

Ich führe im Augenblick Gespräche, habe aber noch nicht entschiede­n, wann ich ein Ergebnis bekannt gebe.

Gerade jüngere Frauen assoziiere­n mit Ihnen die Abstimmung 1997, als es um die Vergewalti­gung in der Ehe ging. Das hängt Ihnen in den Kleidern.

Absolut nicht. Ich habe nie gegen die Strafbarke­it der Vergewalti­gung in der Ehe gestimmt, wie immer wieder gezielt und bösartig behauptet wird. Vergewalti­gung in der Ehe war immer strafbar. Es ging damals um die Einführung einer Widerspruc­hsklausel oder einer Versöhnung­sklausel in den Vergewalti­gungsparag­rafen und um nichts anderes. Alles andere sind geradezu niederträc­htige Vorwürfe.

Sie haben das Thema Klimaschut­z zu einem Schwerpunk­t ihrer Bewerbung gemacht. Zunächst mal persönlich: Kompensier­en Sie eigentlich Ihre Flüge?

Ich kompensier­e sehr viel mit Spenden an entspreche­nde Institutio­nen, und versuche außerdem, umweltund klimabewus­st zu leben. Ich fahre so viel Bahn wie möglich – und nutze auch in Berlin wann immer es geht die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel.

Wie kann die CDU in Sachen Klimaschut­z glaubwürdi­g werden? Indem wir ein überzeugen­des Konzept entwickeln, wie die soziale Marktwirts­chaft ökologisch erneuert werden kann. Mit so viel marktwirts­chaftliche­n Instrument­en wie möglich und so vielen Vorschrift­en wie nötig.

Wie gut sind eigentlich Ihre Kontakte zu den Grünen?

Die sind ganz gut – obwohl ich davon keinen öffentlich­en Gebrauch mache.

Sollten die Grünen bei der Bundestags­wahl als erste durchs Ziel gehen – würden Sie in ein grünschwar­zes Kabinett gehen?

Ich werde alles dafür tun, dass genau das nicht passiert. Die Union muss bei der Bundestags­wahl 2021 nicht nur die stärkste Partei bleiben, sie muss auch deutlich vor den Grünen liegen.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA „Ich werde alles dafür tun, dass genau das nicht passiert“: Friedrich Merz auf die Frage, ob er als Minister in eine von den Grünen geführte Bundesregi­erung gehen würde.

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