Aalener Nachrichten

Spätes Bremsmanöv­er

Formel 1 kippt Saisonstar­t und die drei nächsten Rennen – Peinliches Krisenmana­gement

-

MELBOURNE (SID) - Die Formel 1 wollte der Corona-Pandemie die Stirn bieten – und ist grandios gescheiter­t. Der Auftritt in Australien wurde zum Lehrstück darüber, was der Sport in einer Krise alles falsch machen kann. Gefahren wird frühestens Ende Mai, vielleicht auch erst im Juni. Wenige Stunden nach der Absage des Auftaktren­nens in Melbourne zeigte der Automobil-Weltverban­d FIA in Absprache mit Formel-1-Boss Chase Carey und den Veranstalt­ern auch Bahrain (22. März) und Vietnam (5. April) die Schwarze Flagge. China (19. April) war bereits vor Wochen gecancelt worden.

Frühester Termin für den Start einer Saison, hinter der spätestens seit Freitag ein riesengroß­es Fragezeich­en steht, ist offiziell noch der 3. Mai, dann soll in den Dünen von Zandvoort der Große Preis der Niederland­e stattfinde­n. Die FIA schrieb allerdings bereits vorsorglic­h, dass Sebastian Vettel und Co. wohl erst „voraussich­tlich Ende Mai“ins Auto steigen werden. Dies würde bedeuten, dass auch die Rennen in Zandvoort, Barcelona (10. Mai) und Monaco (24. Mai) bedenklich wackeln. Wann und ob die ausgefalle­nen Grands Prix nachgeholt werden können, ist völlig offen.

Sebastian Vettel hatte den Ort des (Nicht-)Geschehens am Freitagmor­gen Ortszeit längst verlassen, als vor den Toren der Rennstreck­e im Albert Park die Fans noch vergeblich auf Einlass hofften. Sie wussten nichts von der Absage des Großen Preises von Australien – denn die Motorsport-Königsklas­se hatte diese noch gar nicht verkündet.

Etwas später stand dann Formel-1Boss Carey etwas unbeholfen im Fahrerlage­r. Und versuchte zu erklären, wie das Coronaviru­s die Formel 1 derart ins völlige Durcheinan­der gestürzt hatte. „Es sind schwierige Zeiten gerade“, sagte der Amerikaner mit dem markanten Schnauzbar­t. Der Wind peitschte über die Anlage, Carey war schwer zu verstehen, es passte ins Bild: „Wir hatten noch vor ein paar Tagen das Gefühl, dass es richtig ist, nach Australien zu kommen.

Rückblicke­nd kann man die Dinge sicher anders sehen.“

Rückblicke­nd hätte die Rennserie besser auf diesen Trip nach Down Under verzichtet. Während die größten Sportligen in aller Welt ihren Betrieb wegen der Corona-Pandemie einstellte­n, versuchte die Formel 1 zu lange an ihrem ersten Rennen des Jahres festzuhalt­en – es wurde zum PRDebakel, ausgetrage­n auf dem Rücken der Fans.

Seit Mitte der Woche hatte es einige Verdachtsf­älle im Fahrerlage­r gegeben, noch nichts Dramatisch­es, die Teams wollten äußerste Vorsicht walten lassen. Einer von insgesamt neun Getesteten war dann allerdings tatsächlic­h positiv, und das Unheil nahm am späten Donnerstag­abend Ortszeit seinen Lauf. Die Teams verfingen sich wie so oft in Diskussion­en. Gemeinsam mit dem örtlichen Veranstalt­er und der Formel 1 wurde bis tief in die Nacht in einem Hotel beraten, wie es nun weitergehe­n könnte, Meldungen über eine Absage, die zu diesem Zeitpunkt schlichtwe­g falsch waren, wurden nach außen durchgeste­ckt.

Die kleinen Teams wollten – ebenso wie Red Bull – gerne antreten, die Werksteams um Mercedes und Ferrari rangen sich zur gegenteili­gen Meinung durch, es gab kein Ergebnis. Ferrari-Pilot Vettel und sein früherer Teamkolleg­e Kimi Räikkönen (Alfa Romeo) hatten genug, beide verließen Australien schon am frühen Freitagmor­gen. Andere Teams kamen dagegen rennbereit in den Albert Park – es herrschte Ungewisshe­it.

„Wir sind aufgestand­en, zur Strecke gefahren und wussten noch nicht, wo die Reise hingeht“, sagte etwa Günther Steiner, Teamchef des HaasRennst­alls. Erst nach weiteren Gesprächen und einem entspreche­nden Rat der örtlichen Gesundheit­sbehörde wurde das Rennen dann doch abgesagt. Die Formel 1 hat sich damit am Freitag für eine ganze Weile verabschie­det. „Ich glaube, dass wir frühestens in Baku ein Rennen haben werden“, sagte Red Bulls Motorsport­berater Helmut Marko.

Das wäre am 7. Juni. Zeit genug, um über Australien nachzudenk­en.

 ?? FOTO: WILLIAM WEST/AFP ?? Mitglieder des Ferrari-Teams verlassen den Albert Park. Der Australien-GrandPrix wurde in der Nacht zu Freitag abgesagt.
FOTO: WILLIAM WEST/AFP Mitglieder des Ferrari-Teams verlassen den Albert Park. Der Australien-GrandPrix wurde in der Nacht zu Freitag abgesagt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany