Zwangspause
DFL unterbricht die Saison – Paderborner hat Coronavirus – Nürnberg sagt Länderspiel ab
(SID/dpa) - Der deutsche Profifußball wollte sich mit aller Macht übers Wochenende retten, doch am „Schwarzen Freitag“zwang das Coronavirus auch die DFL zur Kapitulation. Vier Stunden vor dem angesetzten Auswärtsspiel des SC Paderborn bei Fortuna Düsseldorf wurde der 26. Spieltag in der Bundesliga und 2. Liga komplett abgesagt. Das beschloss das Präsidium der Deutschen Fußball Liga (DFL). Der Spielbetrieb soll bis 2. April ruhen. Auch das deutsche Länderspiel am 31. März in Nürnberg gegen Italien wurde abgesagt. Die Stadt Nürnberg unterrichtete den DFB über eine Verfügung, die die Durchführung der Partie untersagt. Demnach sind in Nürnberg ab sofort Veranstaltungen mit mehr als 100 Menschen verboten. Da durch Teams, Betreuer und Medien mit mehr als 100 Menschen gerechnet werden müsse, sei eine Absage des Spiels unumgänglich, teilte der DFB mit.
Die DFL erklärte zur Ligapause: „Angesichts der Dynamik des heutigen Tages mit neuen Corona-Infektionen und Verdachtsfällen in Zusammenhang mit der Bundesliga und 2. Bundesliga“habe man kurzfristig beschlossen, „den 26. Spieltag in beiden Ligen zu verlegen“. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg (1944/45) ist der Ligabetrieb unterbrochen.
Die Aussetzung bis 2. April soll von den 36 Proficlubs bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Montag in Frankfurt abgenickt werden. Zuvor hatte das DFL-Präsidium noch vorgeschlagen, wegen der Pandemie erst ab Dienstag auszusetzen. Das sture Festhalten am „Geisterspieltag“hatte für heftige Kritik gesorgt. „Fußballer werden in dieser Situation wie Affen im Zirkus behandelt“, twitterte Union Berlins Torhüter Rafal Gikiewicz, Spaniens Mittelfeldspieler Thiago von Bayern München schrieb: „Das ist verrückt. Bitte hört auf herumzualbern und kommt in der Realität an.“
Die Realität sah am Freitag so aus: Paderborns Trainer Steffen Baumgart lag mit typischen Symptomen im Zimmer des Teamhotels – sein CoronaTest fiel aber negativ aus. Spät am Abend wurde bekannt, dass SC-Verteidiger Luca Kilian (20) als erster Erstligaspieler positiv getestet wurde – weitere Spielertests folgen heute. Auch bei Fabian Nürnberger von Zweitligist 1. FC Nürnberg wurde ein positiver Befund bekannt, beide Teams sind in Quarantäne. Paderborn und die Fortuna hatten schon vor der DFL-Erklärung eine Absage des Spiels verlangt. „Die Gesundheit und der Schutz muss absoluten Vorrang vor aktuellen wirtschaftlichen Überlegungen haben“, sagte Fortuna-Chef Thomas Röttgermann.
Während die Saison in Spanien, Italien, Frankreich und nun auch in England wegen der Coronavirus-Pandemie unterbrochen ist und die UEFA auch eine Aussetzung der Championsund Europa-League-Spiele in der nächsten Woche verfügte, ließ die DFL Konsequenzen zunächst vermissen – und erntete dafür Kritik und politischen Widerstand. Die Montagspartie Bremen – Leverkusen war zuvor von der Stadt Bremen abgesagt worden, weil bis zu 3000 Menschen rund ums Weserstadion erwartet wurden – also eine Massenversammlung, die es ja gerade zu vermeiden gilt.
Organisierte Fangruppen kritisierten das anfängliche Festhalten am „Geisterspieltag“. „Das zeigt deutlich, dass es den Machern nur ums Geld und nicht um die Gesundheit der Spieler geht“, sagte Rainer Vollmer, Vorstand der Fan-Interessengemeinschaft
„Unsere Kurve“. Bayern Münchens Vorstandchef Karl-Heinz Rummenigge gab unumwunden zu: „Es geht am Ende des Tages auch im Profifußball um Finanzen.“Wenn die ausstehende Zahlung der TV-Sender ausbleibe, bekämen viele kleinere und mittlere Clubs Liquiditätsprobleme, sagte er: „Es steht ein größerer dreistelliger Millionenbetrag für die 1. und 2. Liga im Feuer.“
Trainer Julian Nagelsmann von RB Leipzig war die Vorfreude auf das Geisterspiel am Samstag gegen Freiburg ohnehin vergangen. „Unterhaltung sollte dann stattfinden, wenn alles Weitere so gegeben ist, dass es einem einigermaßen gut geht. Wenn die Supermärkte leer gekauft werden und man nicht mehr auf die Straße gehen darf, dann ist auch der Unterhaltungswert eines Fußballspiels gegen Null“, sagte der 32-Jährige.
Die Deutsche Fußball Liga in ihrer Erklärung vom Freitag.
Das Ziel der DFL ist weiter, „die Saison bis Sommer zu Ende zu spielen – aus sportlichen Gründen, aber insbesondere auch, weil ein vorzeitiges Ende der Saison für einige Clubs existenzbedrohende Folgen haben könnte.“In der Länderspielpause wolle man das weitere Vorgehen besprechen. Eine Ausweitung des Kalenders bis Ende Juni ist möglich, sofern sich die UEFA dazu durchringt, die EM 2020 um ein Jahr zu verschieben. Sollte es aber nicht wie erhofft weitergehen, würden sich zahlreiche Folgefragen stellen (siehe Text unten).
Die DFL-Spielordnung beinhaltet keinen Paragraphen, der den Abbruch einer Saison regelt. Mit seiner Zwischenlösung „Geisterspiele“konnte sich der deutsche Fußball nicht wie erhofft über Wasser halten. Schnell wurde klar, wie absurd und sinnlos Profi-Spiele ohne Fans wirken. Vor dem Stadion von Mönchengladbach versammelten sich zum Derby gegen Köln Hunderte in Verkennung der Corona-Lage, um ihre Mannschaft dennoch zu unterstützen.