Abbruch, Spiele bis Sommer oder Wertung der aktuellen Tabelle?
Fragen und Antworten zur Situation des Sports in der Corona-Krise – Verschiebungen von EM und Olympia sind wohl alternativlos
(SID/dpa) - Wie geht es weiter mit dem Profisport in Deutschland, Europa und der Welt? Ein Versuch, die Fragen zu beantworten.
Szenario 1 (unrealistisch): Die Spielrunden im europäischen Fußball setzen sich fort
Nach derzeitigem Stand scheint eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs nach dem 2. April eher unmöglich – weder in Deutschland noch in den Ligen in England, Spanien, Italien und Frankreich. Bei den Mannschaften und in deren Umfeld werden sich Fälle von Coronavirus-Infizierten wohl weiter häufen. Bei einer Absage und Verschiebung der EM (ab 12. Juni) würden die europäischen Fußball-Ligen Zeit gewinnen. Bis zum 30. Juni, wenn die Verträge vieler Spieler enden, könnte dann versucht werden, die finalen Spieltage der Ligen durchzudrücken. Das wirkt angesichts der aktuellen Lage und der Rasanz, mit der das Virus grassiert, aber wie ein letzter Strohhalm. Und es ist ein Szenario, das bislang kaum öffentlich thematisiert wird, weil die UEFA sich noch nicht zur paneuropäischen EM in zwölf Ländern offiziell äußerte.
Juventus Turin, Real Madrid, der FC Chelsea und der FC Arsenal stehen nach positiven Tests schon jetzt unter Quarantäne – in Deutschland der SC Paderborn, Hannover 96 und der 1. FC Nürnberg –, weitere Clubs werden folgen. Jeder einzelne Fall wird auch nach einer Pause dafür sorgen, dass (inter)nationale Spiele abgesagt und umgeplant werden müssen. Deshalb wirkt selbst das Zeitfenster bis Ende Juni winzig klein. An eine Rückkehr von Zuschauern in den Stadien ist derzeit sowieso nicht zu denken.
Szenario 2 (wahrscheinlich): Annullierung der Saison nach einem Abbruch
Dieses Szenario würde bedeuten, dass alle Spiele seit August komplett nichtig wären. Der aktuelle Tabellenstand hätte keine Bedeutung, einen Meister gäbe es nicht. So hat zum Beispiel die Deutsche Eishockey Liga in dieser
Woche entschieden. Stattdessen würden kommende Saison die gleichen 18 Clubs wie bisher in der Bundesliga spielen, für eine Europapokal-Teilnahme 2021/22 dürfte dann die Platzierung der vorletzten Saison (2018/19) maßgeblich sein.
Angesichts der Tatsache, dass auch der Spielbetrieb in der 3. Liga und im Amateurbereich eingestellt ist und dort eine reguläres Ende der Spielzeit utopisch scheint, könnte das die erste Option sein, auch wenn es natürlich Verlierer gäbe. Arminia Bielefeld und der VfB Stuttgart würden um einen möglichen Bundesliga-Aufstieg gebracht, der FC Liverpool um seinen ersten Meistertitel seit 30 Jahren. Dass in Deutschland die DFL auf 20 Teams aufstockt, darf bezweifelt werden.
Szenario 3 (unwahrscheinlich): Wertung der aktuellen Tabelle nach einem Abbruch
Bei einem Abbruch würde nicht komplett annulliert, sondern die aktuelle Tabelle herangezogen. Der FC Bayern wäre dann erneut Meister, Werder Bremen würde absteigen, der VfB Stuttgart in die erste Liga zurückkehren. Dies dürfte bei zahlreichen Vereinen aber für noch deutlich mehr Unmut sorgen und könnte Millionenklagen gegen die DFL zur Folge haben.
Derzeit haben nicht einmal alle Bundesligisten die gleiche Anzahl an Spielen, dazu kommen ein unterschiedlich schwerer Spielplan und die Chance, die den Vereinen durch höhere Gewalt für die restliche abgesagte Saison genommen wird. Zudem käme die Frage auf, wie mit offenen Relegationsspielen umgegangen werden würde. Hier eine Grenze zu ziehen, bei der die DFL nicht von mehreren Seiten für Willkür attackiert wird, scheint praktisch nicht möglich.
Aue-Präsident Helge Leonhardt hat bereits Play-offs für den Kampf um die Meisterschaft sowie Relegationen um Auf- und Abstieg angeregt. Auch das wirft Fragen auf: Welche Tabelle wird hierfür herangezogen? Kann nach einem vorzeitigen Abbruch einfach munter in ein paar Play-off-Spielen beendet werden, was regulär nicht mehr durchführbar war?
Was passiert mit den geplanten Test-Länderspielen Ende März?
Die Spiele stehen auf dem Prüfstand. Der Weltverband FIFA hob die Abstellungspflicht für Vereine auf und riet zur Verschiebung der Partien. Kurz zuvor hatte die Stadt Nürnberg bereits die Austragung des Klassikers zwischen Deutschland und Italien am 31. März untersagt. Am 26. März ist noch das Spiel der DFB-Auswahl in Madrid gegen Spanien angesetzt. „Die FIFA ist der Meinung, dass eine Austragung der Spiele unter den derzeit herrschenden Umständen nicht nur ein potenzielles Gesundheitsrisiko birgt, sondern auch die Integrität des Wettbewerbs untergräbt, da einige Teams nicht mit ihrer besten Mannschaft antreten können“, teilte die FIFA mit.
Was passiert mit der EM 2020?
Das Turnier wird wohl auf 2021 verschoben werden müssen. Endgültig entscheidet die UEFA sowie Vertreter der Verbände, Ligen und Spieler am Dienstag. Dann ist eine Videokonferenz mit allen 55 Mitgliedern anberaumt, bei der über die Zukunft aller nationalen und europäischen Wettbewerbe diskutieren wird. Fraglich ist bereits die Austragung der Play-offs am 26. und 31. März – immer mehr der 16 Mannschaften sind von den Auswirkungen des Virus betroffen. „Es ist möglicherweise notwendig, dass die EM aus gesundheitlichen Gründen und der Sorgfaltspflicht verschoben wird“, sagte Rummenigge.
Was passiert mit Olympia?
IOC-Präsident Thomas Bach sagte am Donnerstag: „Wir arbeiten mit vollem Engagement auf den Erfolg der Olympischen Spiele mit der Eröffnungsfeier am 24. Juli hin. Das sind viereinhalb Monate und wir werden die Zeit entsprechend nutzen, um die Spiele zum Erfolg zu führen.“In den ARD-Tagesthemen ergänzte er auf Nachfrage: „Wir werden dem Rat der Weltgesundheitsorganisation folgen.“Dass die Spiele wie geplant stattfinden, ist allerdings inzwischen fast undenkbar geworden – allein schon aus Fairnessgründen, aufgrund der Unmöglichkeit für viele Sportler, sich dafür zu qualifizieren, zu reisen und Turniere zu besuchen. Auch hier ist eine Verlegung auf 2021 wahrscheinlich.