Es grünt so grün beim Guide Michelin
Mit einem neuen Symbol zeichnet die Feinschmeckerbibel Nachhaltigkeit aus – Zwei Häuser der Region freuen sich über das „grüne Kleeblatt“, weitere über neue Sterne
Jürgen Waizenegger ist eigentlich kein Mensch, der sich was aus Symbolik macht. Viel wichtiger ist dem Landwirt, Koch, Hotelier und Wirt das Handeln. Denn das hat er in den vergangenen Jahren zweifellos ohne größere Pause ständig getan, wenn man sich heute sein Biohotel Mohren in Limpach im Hinterland des Bodensees genauer anschaut. Von der Rezeption bis zum gemütlichen Spa, von der Wirtsstube bis zum schicken Frühstückswohnzimmer – überall herrscht eine geerdete Natürlichkeit. Auch die Details lassen erkennen, dass da nichts nur einfach so rumliegt, selbst die Zierkissen tragen die Handschrift achtsamer Mitarbeiter, die sie offenbar bewusst aufschütteln und so ausrichten, dass das Haus seinem Auftrag nachkommen kann, dem Gast das Hamsterrad seines Alltags für ein paar Tage oder Stunden anzuhalten. Und versonnen an der Angusrind-Mutterkuhherde vorbeizuspazieren und dabei zuzugucken, wie auf der Wiese gemütlich das Fleisch heranwächst, das dann irgendwann ein paar Meter weiter in Waizeneggers Küche landet.
Eigentlich gehören Häuser wie das Mohren nicht unbedingt zu jener Gruppe, denen die anerkannt wichtigste Feinschmeckerbibel, der Guide Michelin, größere Aufmerksamkeit widmet. Und Waizenegger hat auch keinen der sonst so begehrten und also heiß ersehnten Sterne erkocht. „Gott bewahre!“, ruft der Mann aus. Was er in seiner kleinen Welt ganz sicher nicht gebrauchen könne, sei ein Stern. „Dann ändert sich sofort das Publikum“, glaubt er. Denn dann sei es vorbei mit der optimalen Gästemischung, über die Waizengger sich so freut: „Der einfache Handwerker und der Manager in einer Gaststube. Beide können voneinander lernen“, glaubt der Gastronom und gibt aber zu, sich trotzdem über das grüne Kleeblatt zu freuen – ein neues Symbol, das manche auch den grünen Stern nennen. Einen solchen trägt übrigens auch das Bio-Restaurant Rose in Hayingen auf der Schwäbischen Alb, das Simon Tress führt und für den das regional-lokale Wirtschaften mit ökologischen Produkten ebenfalls nichts Neues ist.
Wie man das Symbol auch nennen mag – beim wichtigsten Gourmetführer grünt es jedenfalls zum ersten Mal in der rund 120 Jahre langen Geschichte. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“verweist der Verlag auf die Worte von Gwendal Poullennec, dem internationalen Direktor des Guides: „In den vergangenen Jahren ist das Interesse am Thema Nachhaltigkeit sowohl bei den Gästen als auch bei den Köchen massiv gestiegen, und wir wissen, dass viele Aspekte der Gastronomie mit diesem Thema zusammenhängen. Mit dem neuen Emblem heben wir Restaurants hervor, die dem Thema Nachhaltigkeit einen besonderen Stellenwert geben. Hierbei handelt es sich nicht um eine Auswahl, die einmal jährlich getroffen wird, sondern um eine erste Liste an Restaurants und Küchenchefs, die im Laufe des Jahres wachsen soll.“Das sei auch der Grund, warum das grüne Pflänzchen-Symbol nicht im gedruckten Führer steht, sondern nur online verwendet wird. Ein bisschen so, als sei sich der Verlag selbst nicht ganz sicher, welche Zukunft er der Auszeichnung einräumt.
Was die Kriterien angeht, bleibt der Michelin ein wenig im Ungefähren, was ihm auch schon Kritik eingetragen hat. Das Symbol und die Art, wie es vergeben wird, sei intransparent. Der Verlag teilt mit: „Unsere Erstauswahl basiert hauptsächlich auf den Ergebnissen der Feldarbeit der Inspektoren, der Analyse des jährlichen Fragebogens und der Telefoninterviews mit den Küchenchefs. Die Sterne werden zwar nach rein gastronomischen Kriterien vergeben, aber auch über die Speisekarte, die Auswahl der Gerichte und die Art der Produkte erhalten unsere Inspektoren viele Informationen, die das Thema Nachhaltigkeit widerspiegeln können.“Jürgen Waizenegger kann sich zwar nicht daran erinnern, dass ihn irgendjemand von Michelin interviewt hätte – aber wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, sieht er sich ökologisch mehr als wasserdicht aufgestellt. „Bei uns muss sich der Gast nicht fragen, ob und was denn nun bio bei uns ist. Die Antwort lautet: einfach alles.“Der Mohren werde grundsätzlich zwei Mal im Jahr von einem unabhängigen Prüfinstitut kontrolliert, das darüber wacht, ob die Kriterien für das Biosiegel auch tatsächlich erfüllt sind.
Neben der neuen Kategorie hat der Guide Michelin natürlich auch für das Jahr 2020 Sterne und den sogenannten Bib Gourmand vergeben – bei Letzterem handelt es sich um eine Auszeichnung für Häuser, die „ein Maximum an Schlemmerei für bis 37 Euro“(für drei Gänge) bieten, wie es im Guide heißt.
Ihren ersten Stern in unserer Region haben das Langenargener Restaurant „Seo Küchenhandwerk“sowie das Restaurant „s’Äpfle“in Bodman-Ludwigshafen geholt. Dem 37-jährigen Küchenchef des „Seo“, Roland Pieber, bescheinigt der Michelin moderne Küche und lobt:
„Der junge Österreicher beweist hier als Küchenchef echtes Talent, wenn er beispielsweise aus zartem geschmortem Lamm, arabischem Kraut, Tapenade und Riebel (Grießschmarren Anm. d. Red.) ein ausdrucksstarkes Gericht mit schöner Balance und feinen Kontrasten kreiert“. Im „s’Äplfe“darf sich Küchenchef Kevin Leitner über warme Worte im Guide freuen, etwa: „Überaus finessenreich und stimmig kombiniert er den Rücken vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein mit Barbecue-Lack, Karottencreme, jungem Spitzkohl und Nudelsalat.“
Die neuen Sterne kommen zu diesen schon länger ausgezeichneten Sternehäusern der Region dazu: Ophelia Konstanz (zwei Sterne), San Marino Konstanz, Villino Lindau und Schattbuch in Amtzell mit jeweils einem Stern. Ob das letztgenannte Haus diesen auch im kommenden Führer verteidigt, liegt ab sofort am neuen Küchenchef Sebastian Cihlars. Christian Grundl,
’’ „Bei uns muss sich der Gast nicht fragen, ob und was denn nun bio bei uns ist. Die Antwort lautet: einfach alles.“Jürgen Waizenegger
der den Stern 2016 holte, verlässt das Restaurant. In Ulm sind die Restaurants Seestern und Siedepunkt mit je einem Stern vertreten. Das Tuttlinger Restaurant Anima verteidigt seinen Stern ebenfalls erfolgreich. Mit großer Kontinuität nach wie vor besternt: das Restaurant Casala in Meersburg. Damit haben Gäste im weitläufigeren Verbreitungsgebiet der „Schwäbischen Zeitung“mit insgesamt zehn sterneprämierten Restaurants so viel kulinarische Spitzenklasse zur Auswahl wie noch nie zuvor.
In Limpach, wo die Welt in der Abgeschiedenheit des Deggenhausertals noch ein bisschen überschaubarer zu sein scheint, hat Patron Jürgen Waizenegger in seinem Biohotel die Auszeichnungen des Betriebs feinsäuberlich an die Wand gehängt. Darunter auch 14 Punkte des Gault Millau sowie diverse Bio-Prädikate.
Den Grundstein für den heutigen Erfolg hat Waizeneggers Vater bereits vor 32 Jahren gelegt, als der seine Landwirtschaft auf Öko umkrempelte. „Da haben die Leute gesagt: ,Jetzt spinnt er komplett’“, erinnert sich sein Sohn. Nicht erst seit der Prämierung mit dem Grünen Kleeblatt des Michelin ist klar: Der Vater hat Recht behalten.