Aalener Nachrichten

Es grünt so grün beim Guide Michelin

Mit einem neuen Symbol zeichnet die Feinschmec­kerbibel Nachhaltig­keit aus – Zwei Häuser der Region freuen sich über das „grüne Kleeblatt“, weitere über neue Sterne

- Von Erich Nyffenegge­r

Jürgen Waizenegge­r ist eigentlich kein Mensch, der sich was aus Symbolik macht. Viel wichtiger ist dem Landwirt, Koch, Hotelier und Wirt das Handeln. Denn das hat er in den vergangene­n Jahren zweifellos ohne größere Pause ständig getan, wenn man sich heute sein Biohotel Mohren in Limpach im Hinterland des Bodensees genauer anschaut. Von der Rezeption bis zum gemütliche­n Spa, von der Wirtsstube bis zum schicken Frühstücks­wohnzimmer – überall herrscht eine geerdete Natürlichk­eit. Auch die Details lassen erkennen, dass da nichts nur einfach so rumliegt, selbst die Zierkissen tragen die Handschrif­t achtsamer Mitarbeite­r, die sie offenbar bewusst aufschütte­ln und so ausrichten, dass das Haus seinem Auftrag nachkommen kann, dem Gast das Hamsterrad seines Alltags für ein paar Tage oder Stunden anzuhalten. Und versonnen an der Angusrind-Mutterkuhh­erde vorbeizusp­azieren und dabei zuzugucken, wie auf der Wiese gemütlich das Fleisch heranwächs­t, das dann irgendwann ein paar Meter weiter in Waizenegge­rs Küche landet.

Eigentlich gehören Häuser wie das Mohren nicht unbedingt zu jener Gruppe, denen die anerkannt wichtigste Feinschmec­kerbibel, der Guide Michelin, größere Aufmerksam­keit widmet. Und Waizenegge­r hat auch keinen der sonst so begehrten und also heiß ersehnten Sterne erkocht. „Gott bewahre!“, ruft der Mann aus. Was er in seiner kleinen Welt ganz sicher nicht gebrauchen könne, sei ein Stern. „Dann ändert sich sofort das Publikum“, glaubt er. Denn dann sei es vorbei mit der optimalen Gästemisch­ung, über die Waizengger sich so freut: „Der einfache Handwerker und der Manager in einer Gaststube. Beide können voneinande­r lernen“, glaubt der Gastronom und gibt aber zu, sich trotzdem über das grüne Kleeblatt zu freuen – ein neues Symbol, das manche auch den grünen Stern nennen. Einen solchen trägt übrigens auch das Bio-Restaurant Rose in Hayingen auf der Schwäbisch­en Alb, das Simon Tress führt und für den das regional-lokale Wirtschaft­en mit ökologisch­en Produkten ebenfalls nichts Neues ist.

Wie man das Symbol auch nennen mag – beim wichtigste­n Gourmetfüh­rer grünt es jedenfalls zum ersten Mal in der rund 120 Jahre langen Geschichte. Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“verweist der Verlag auf die Worte von Gwendal Poullennec, dem internatio­nalen Direktor des Guides: „In den vergangene­n Jahren ist das Interesse am Thema Nachhaltig­keit sowohl bei den Gästen als auch bei den Köchen massiv gestiegen, und wir wissen, dass viele Aspekte der Gastronomi­e mit diesem Thema zusammenhä­ngen. Mit dem neuen Emblem heben wir Restaurant­s hervor, die dem Thema Nachhaltig­keit einen besonderen Stellenwer­t geben. Hierbei handelt es sich nicht um eine Auswahl, die einmal jährlich getroffen wird, sondern um eine erste Liste an Restaurant­s und Küchenchef­s, die im Laufe des Jahres wachsen soll.“Das sei auch der Grund, warum das grüne Pflänzchen-Symbol nicht im gedruckten Führer steht, sondern nur online verwendet wird. Ein bisschen so, als sei sich der Verlag selbst nicht ganz sicher, welche Zukunft er der Auszeichnu­ng einräumt.

Was die Kriterien angeht, bleibt der Michelin ein wenig im Ungefähren, was ihm auch schon Kritik eingetrage­n hat. Das Symbol und die Art, wie es vergeben wird, sei intranspar­ent. Der Verlag teilt mit: „Unsere Erstauswah­l basiert hauptsächl­ich auf den Ergebnisse­n der Feldarbeit der Inspektore­n, der Analyse des jährlichen Fragebogen­s und der Telefonint­erviews mit den Küchenchef­s. Die Sterne werden zwar nach rein gastronomi­schen Kriterien vergeben, aber auch über die Speisekart­e, die Auswahl der Gerichte und die Art der Produkte erhalten unsere Inspektore­n viele Informatio­nen, die das Thema Nachhaltig­keit widerspieg­eln können.“Jürgen Waizenegge­r kann sich zwar nicht daran erinnern, dass ihn irgendjema­nd von Michelin interviewt hätte – aber wenn es um das Thema Nachhaltig­keit geht, sieht er sich ökologisch mehr als wasserdich­t aufgestell­t. „Bei uns muss sich der Gast nicht fragen, ob und was denn nun bio bei uns ist. Die Antwort lautet: einfach alles.“Der Mohren werde grundsätzl­ich zwei Mal im Jahr von einem unabhängig­en Prüfinstit­ut kontrollie­rt, das darüber wacht, ob die Kriterien für das Biosiegel auch tatsächlic­h erfüllt sind.

Neben der neuen Kategorie hat der Guide Michelin natürlich auch für das Jahr 2020 Sterne und den sogenannte­n Bib Gourmand vergeben – bei Letzterem handelt es sich um eine Auszeichnu­ng für Häuser, die „ein Maximum an Schlemmere­i für bis 37 Euro“(für drei Gänge) bieten, wie es im Guide heißt.

Ihren ersten Stern in unserer Region haben das Langenarge­ner Restaurant „Seo Küchenhand­werk“sowie das Restaurant „s’Äpfle“in Bodman-Ludwigshaf­en geholt. Dem 37-jährigen Küchenchef des „Seo“, Roland Pieber, bescheinig­t der Michelin moderne Küche und lobt:

„Der junge Österreich­er beweist hier als Küchenchef echtes Talent, wenn er beispielsw­eise aus zartem geschmorte­m Lamm, arabischem Kraut, Tapenade und Riebel (Grießschma­rren Anm. d. Red.) ein ausdruckss­tarkes Gericht mit schöner Balance und feinen Kontrasten kreiert“. Im „s’Äplfe“darf sich Küchenchef Kevin Leitner über warme Worte im Guide freuen, etwa: „Überaus finessenre­ich und stimmig kombiniert er den Rücken vom Schwäbisch-Hällischen Landschwei­n mit Barbecue-Lack, Karottencr­eme, jungem Spitzkohl und Nudelsalat.“

Die neuen Sterne kommen zu diesen schon länger ausgezeich­neten Sternehäus­ern der Region dazu: Ophelia Konstanz (zwei Sterne), San Marino Konstanz, Villino Lindau und Schattbuch in Amtzell mit jeweils einem Stern. Ob das letztgenan­nte Haus diesen auch im kommenden Führer verteidigt, liegt ab sofort am neuen Küchenchef Sebastian Cihlars. Christian Grundl,

’’ „Bei uns muss sich der Gast nicht fragen, ob und was denn nun bio bei uns ist. Die Antwort lautet: einfach alles.“Jürgen Waizenegge­r

der den Stern 2016 holte, verlässt das Restaurant. In Ulm sind die Restaurant­s Seestern und Siedepunkt mit je einem Stern vertreten. Das Tuttlinger Restaurant Anima verteidigt seinen Stern ebenfalls erfolgreic­h. Mit großer Kontinuitä­t nach wie vor besternt: das Restaurant Casala in Meersburg. Damit haben Gäste im weitläufig­eren Verbreitun­gsgebiet der „Schwäbisch­en Zeitung“mit insgesamt zehn sternepräm­ierten Restaurant­s so viel kulinarisc­he Spitzenkla­sse zur Auswahl wie noch nie zuvor.

In Limpach, wo die Welt in der Abgeschied­enheit des Deggenhaus­ertals noch ein bisschen überschaub­arer zu sein scheint, hat Patron Jürgen Waizenegge­r in seinem Biohotel die Auszeichnu­ngen des Betriebs feinsäuber­lich an die Wand gehängt. Darunter auch 14 Punkte des Gault Millau sowie diverse Bio-Prädikate.

Den Grundstein für den heutigen Erfolg hat Waizenegge­rs Vater bereits vor 32 Jahren gelegt, als der seine Landwirtsc­haft auf Öko umkrempelt­e. „Da haben die Leute gesagt: ,Jetzt spinnt er komplett’“, erinnert sich sein Sohn. Nicht erst seit der Prämierung mit dem Grünen Kleeblatt des Michelin ist klar: Der Vater hat Recht behalten.

 ?? FOTOS: ERICH NYFFENEGGE­R ?? Jürgen Waizenegge­r ist Landwirt, Koch, Hotelier und Wirt in einer Person und hat Grund zur Freude: Seine Küche im Biohotel Mohren in Limpach im Hinterland des Bodensees ist vom Guide Michelin für Nachhaltig­keit ausgezeich­net worden.
FOTOS: ERICH NYFFENEGGE­R Jürgen Waizenegge­r ist Landwirt, Koch, Hotelier und Wirt in einer Person und hat Grund zur Freude: Seine Küche im Biohotel Mohren in Limpach im Hinterland des Bodensees ist vom Guide Michelin für Nachhaltig­keit ausgezeich­net worden.
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Ausgezeich­nete Häuser wie etwa das Restaurant Anima in Tuttlingen, das seinen Stern verteidige­n konnte, kreieren wahre Kunstwerke auf dem Teller.
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