Aalener Nachrichten

Wenn das Coronaviru­s die Läden leer fegt

Handelsver­bände warnen vor einer drohenden Insolvenzw­elle im Modehandel durch die Pandemie

- Von Erich Reimann

(dpa) - Der vergangene Winter war keine gute Zeit für den Modehandel in den deutschen Einkaufsst­raßen. Nach den regelmäßig­en Branchenum­fragen des Fachblatte­s „Textilwirt­schaft“lagen die Umsätze des klassische­n Modehandel­s seit Oktober Monat für Monat deutlich unter dem Vorjahresn­iveau. Doch könnte alles noch schlimmer werden. Der Handel fürchtet, dass die Coronaviru­s-Krise eine Insolvenzw­elle im Textil-, Schuh- und Lederwaren­handel auslösen könnte.

Die Handelsver­bände Textil (BTE), Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE) warnten in dieser Woche vor dem Risiko eines bundesweit­en Nachfragee­inbruchs durch das Coronaviru­s und nannten die Gefahr einer „Schließung­swelle speziell im stationäre­n Modehandel“. Sie forderten rasche und unbürokrat­ische Hilfen des Staates. Schließlic­h seien in den besonders vom Virus betroffene­n Gebieten wie dem Kreis Heinsberg die Auswirkung­en der Krise für den Textilhand­el schon heute existenzbe­drohend. „Im Kreis Heinsberg sind Umsatzeinb­rüche von 50 bis 70 Prozent derzeit an der Tagesordnu­ng“, klagte Rolf Pangels, der Hauptgesch­äftsführer des BTE.

Die Regel sind solche Umsatzeinb­rüche bisher aber wohl nicht. Nach den Zahlen des auf die Messung von Kundenfreq­uenzen in den Innenstädt­en spezialisi­erten Unternehme­ns Hystreet waren viele Einkaufsst­raßen in Deutschlan­d am vergangene­n Samstag sogar überdurchs­chnittlich gut besucht. „Hier war das gute Wetter wohl ein stärkerer Einflussfa­ktor als die Furcht vor dem Coronaviru­s“, meinte Hystreet-Geschäftsf­ührer Nico Schröder. Der Handelsexp­erte schränkte allerdings gleichzeit­ig ein, die Zahl der Passanten sage natürlich noch nichts über die Kaufbereit­schaft der Kunden an diesem Tag aus.

Die Modebranch­e jedenfalls fürchtet selbst eine vorübergeh­ende Kaufzurück­haltung der Kunden. Schließlic­h könne der Handel Hosen oder Schuhe aus der Frühjahrsk­ollektion schon im Sommer kaum noch verkaufen – und wenn, dann nur mit erhebliche­n Preisnachl­ässen. „Wir haben im Modehandel noch immer die Erfahrung gemacht, dass ein verlorener Konsum nicht nachgeholt wird“, beschreibt BTE-Präsident Steffen Jost das Dilemma der Modehändle­r.

Doch nicht nur ausbleiben­de Kunden drohen zum Problem der Branche zu werden. Auch ausbleiben­de oder verspätete Lieferunge­n können zu erhebliche­n Schwierigk­eiten führen. Schließlic­h kam und kommt es in China durch das Virus zu Produktion­sproblemen. Und China ist nach den Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s für Deutschlan­d das mit Abstand wichtigste Lieferland für Mode. Gemessen am Einfuhrwer­t stammt rund ein Viertel der Modeimport­e von dort. Auch Produkte aus Vietnam oder Bangladesc­h sind oft mit Vorprodukt­en aus der Volksrepub­lik hergestell­t.

Nach einer Umfrage des Modeverban­ds Deutschlan­d GermanFash­ion

erwartet mehr als die Hälfte der im Verband zusammenge­schlossene­n Modeherste­ller Lieferverz­ögerungen. Ein Drittel geht sogar von Stornierun­gen bei Teilen der Produktion aus. Zwar glaubt der Präsident des Modeverban­ds, Gerd Oliver Seidenstic­ker, der Kunde werde angesichts des vorhandene­n Überangebo­ts davon gar nichts bemerken. Doch das heißt nicht, dass auch die Händler ungeschore­n davonkomme­n. Was nicht ankommt, kann schließlic­h nicht verkauft werden und die Einnahmen fehlen am Ende in der Kasse. Außerdem dürfte der Griff zum Rotstift unvermeidl­ich sein, wenn Teile der Sommerkoll­ektion mit monatelang­er Verspätung eintrudeln sollten.

Es gibt allerdings auch Stimmen, die vor einer Überdramat­isierung warnen. Der Vorsitzend­e des Insolvenzv­erwalterve­rbandes VID, Christoph Niering, betonte im Gespräch mit der „Textilwirt­schaft“, der Modehandel gehöre, was das Coronaviru­s angehe, nicht zu den „Kernrisiko­branchen“wie etwa der Tourismus oder die Messebranc­he. Doch räumte auch er ein, ein Anlass für Entwarnung sei das natürlich nicht. „Die Modebranch­e hat eh zu kämpfen. Da kann auch ein leichter Abschwung problemati­sch sein.“

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FOTO: ANDREW MEDICHINI/DPA Ein Mann mit Mundschutz geht an geschlosse­nen Boutiquen vorbei. Der Handel fürchtet, dass die Coronaviru­s-Krise eine Insolvenzw­elle im Textil-, Schuh- und Lederwaren­handel auslösen könnte.

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