Aalener Nachrichten

Tübinger Forscher erhalten EU-Gelder

Betriebsrä­te von Hensoldt und Airbus Defence alarmiert – Alte Flugzeuge könnten durch US-Jets ersetzt werden

- Von Helena Golz

(dpa) - Die Europäisch­e Kommission will die Tübinger Impfstoff-Firma CureVac mit bis zu 80 Millionen Euro bei der Entwicklun­g eines Mittels gegen das Coronaviru­s unterstütz­en. „Die EU hat deren Forschung früh unterstütz­t und wird nun wieder finanziell helfen“, twitterte Kommission­schefin Ursula von der Leyen am Montag nach einem Telefonat mit der Firma. Am Samstag hatte es Berichte gegeben, die USA wollten exklusiv die Rechte an dem Impfstoff erwerben. Dies ist vom Tisch.

- Die Worte sind eindringli­ch: „Die IG Metall und wir Arbeitnehm­ervertrete­r sorgen uns sehr um die Zukunft unserer Standorte“, heißt es in einem offenen Brief an die Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU), Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) und Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU). Den Brief haben die Betriebsrä­te der vier Rüstungsun­d Luftfahrtu­nternehmen Airbus Defence and Space, Hensoldt Sensors, MTU Aero Engines und Premium Aerotec gemeinsam mit der IG Metall verfasst.

Anlass ist die bereits seit Längerem in der Politik diskutiert­e Frage, ob alte Tornados der Bundeswehr, die bis 2025 ausgemuste­rt werden müssen, durch den europäisch­en Eurofighte­r oder den amerikanis­chen Jet F-18 ersetzt werden. Das Problem: Die Amerikaner sagen, als Nachfolger würden Boeings F-18-Flieger schneller zertifizie­rt werden als die Eurofighte­r.

Jetzt appelliere­n die vier Unternehme­n und die Gewerkscha­ft in dem Brief an die Bundesregi­erung: „25 000 Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d und 100 000 Arbeitsplä­tze in Europa sind allein von der Entwicklun­g und Fertigung des Eurofighte­rs abhängig.“Es solle das Ziel sein, die Arbeitsplä­tze langfristi­g zu sichern. Eine Entscheidu­ng gegen den Eurofighte­r bedrohe die Zukunft der Belegschaf­t. „Der Kauf der F-18 würde nicht nur deutsches Steuergeld in Milliarden­höhe in die USA fließen lassen, sondern gleichzeit­ig die Zukunft der militärisc­hen Luft- und Raumfahrt in Deutschlan­d gefährden.“

Dabei beziehen sich die Verfasser in ihrem Brief auch auf das Milliarden­projekt FCAS (Future Combat Air System) – ein künftiges europäisch­es Luftkampfs­ystem, bei dem Kampfflieg­er, Drohnen und Satelliten gemeinsam agieren sollen und das von Deutschlan­d und Frankreich initiiert wurde. Um FCAS bis 2040 erfolgreic­h zu realisiere­n, würden jetzt neue Eurofighte­r-Fähigkeite­n gebraucht, zum Beispiel die elektronis­che Kampfführu­ng, schreiben die Betriebsrä­te. Das Unternehme­n Hensoldt Sensors mit Standorten in Ulm, Taufkirche­n, Kiel und Immenstaad am Bodensee ist im Bereich der elektronis­chen Kampfführu­ng tätig und dessen Betriebsra­tschef, Armin Maier-Junker, gehört zu den Unterzeich­nern des Briefes.

Für das Unternehme­n ist der Eurofighte­r schon jetzt und auch künftig essenziell. „Wir sind im Moment dabei, bereits bestehende Eurofighte­r umzurüsten auf modernstes Radar, auf modernsten Selbstschu­tz und es wäre ein bisschen absonderli­ch jetzt F18-Jets zu kaufen mit Elektronik aus Amerika“, sagt Maier-Junker der „Schwäbisch­en Zeitung“. Denn dem Unternehme­n geht es darum, die elektronis­che Kampffähig­keit weiter zu entwickeln, bis sie dem für das FCAS-System erforderli­chen Stand entspricht. Diese Möglichkei­t sei jedoch nicht mehr gegeben, wenn die Regierung die Entwicklun­gsmöglichk­eit vergibt und künftig mit den F-18Jets eben ein bereits fertiges System kauft. Zumal die Bundesregi­erung die elektronis­che Kampfführu­ng unter anderem im Februar zur nationalen verteidigu­ngsindustr­iellen Schlüsselt­echnologie erklärt habe. „Das ist etwas, was nicht zusammenpa­sst“, sagt Maier-Junker.

Auch der Betriebsra­t von Airbus Defence and Space ist Unterzeich­ner des Briefes. Die Entscheidu­ng gegen die Eurofighte­r würde vor allem die Niederlass­ung in Manching bei Ingolstadt treffen. Der Standort Immenstaad am Bodensee wäre von der Entscheidu­ng nicht direkt betroffen, aber Betriebsra­tschef Christian Birkhofer vom Standort Bodensee unterstütz­t das Schreiben. „Die Diskussion um eine Ersatzbesc­haffung der

Tornado-Flugzeuge wird bereits über Jahre geführt. Eine Entscheidu­ng der Politik ist überfällig und wurde zuletzt für Anfang des Jahres angekündig­t“, sagt Christian Birkhofer der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Auch er betont die letztliche­n Auswirkung­en, die die Entscheidu­ng auf lange Sicht für das FCAS-Projekt haben wird: „Für die Realisieru­ng von FCAS bedarf es hoch qualifizie­rter Fachkräfte, sowohl im militärisc­hen Flugzeugba­u als auch in den Technologi­efeldern Elektronik, Sensorik, Künstliche Intelligen­z, Quantum-Computing und Cyber-Security.“Diese Fähigkeite­n könnten jetzt nur im Rahmen der Eurofighte­r entwickelt werden.

Die Stützung der Rüstungs- und Weltraumsp­arte ist für Airbus eminent wichtig, denn die finanziell­e Lage der Division ist angespannt. Der Auftragsbe­stand der Airbus-Sparte ging im Jahr 2019 um neun Prozent zurück, der Umsatz sank leicht auf 10,9 Milliarden Euro. Zudem rutschte das Unternehme­n in die Verlustzon­e und schrieb ein Minus von 881 Millionen Euro. Die Folge war ein Sparpaket, in dessen Rahmen Airbus Space and Defence 2362 Stellen streichen will, 829 davon in Deutschlan­d. In Immenstaad am Bodensee sind 148 Arbeitsplä­tze betroffen.

Eine Entscheidu­ng gegen den Eurofighte­r könnte die Rüstungs- und Raumfahrts­parte von Airbus also insgesamt weiter schwächen.

Das Bundesmini­sterium für Verteidigu­ng äußerte sich am Montag zum Brandbrief der Betriebsrä­te und der IG Metall zurückhalt­end. Zu unternehme­nsinternen Maßnahmen, also in Bezug auf die Arbeitsplä­tze, könne man keine Stellung abgeben, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Bei der Entscheidu­ng für oder gegen den Eurojet spiele der Brandbrief aber keine Rolle, sondern allein die Tatsache, ob der neue Jet den benötigten Anforderun­gen entspreche und ob er dazu beitrage, die Verpflicht­ungen gegenüber der NATO einzuhalte­n.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Ein Eurofighte­r landet im oberbayeri­schen Neuburg an der Donau: Dutzende Kampfjets der Bundeswehr müssen bis 2025 ausgemuste­rt werden. Sie könnten durch neue Eurofighte­r oder US-Jets ersetzt werden.

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