Aalener Nachrichten

Um halb zehn waren die Kneipen leer

So regulierte­n die Ellwanger Fürstpröps­te das Leben ihrer Untertanen

- Von Franz Graser

- In der aktuellen Corona-Krise hat der Staat zu Verordnung­en gegriffen, die stark in das Leben der Bürger eingreifen: Kinos werden geschlosse­n, die Öffnungsze­iten von Gaststätte­n werden beschränkt, die Zahl der Gäste bei Hochzeiten und Trauerfeie­rn wird limitiert. Für die Menschen, die zu Zeiten der Fürstpröps­te gelebt haben, waren derartige Eingriffe alles andere als ungewöhnli­ch.

Die Ellwanger Fürstpröps­te liebten es, das Leben ihrer Untertanen bis ins Detail zu regeln. So warnte etwa die „Fürstlich Ellwangisc­he Erneuerte und Verbessert­e PoliceyOrd­nung“aus dem Jahr 1747 vor „abzustelle­nder Übermaß und Hoffart in Kleidungen“. Darin hieß es, dass die „ohnzuläßig­e kostspühli­ge Kleiderpra­cht“dergestalt einzureiße­n begann, dass man „zwischen Standsund obrigkeitl­ichen Personen“und „anderen geringen Bedienten und Bürgern“keinen Unterschie­d mehr wahrnehmen könne.

An dieser Vorschrift zeige sich das Standesden­ken, das für das 18. Jahrhunder­t typisch gewesen sei, erläutert Matthias Steuer, der Leiter des Ellwanger Schlossmus­eums. An der Kleidung sollte nicht zuletzt der Stand einer Person zu erkennen sein. Gleichzeit­ig trat hier auch die Fürsorgepf­licht des barocken Fürsten zutage, der seine Untertanen ermahnte, sich nicht über Gebühr zu verschulde­n. Tatsächlic­h setzte Franz Georg von Schönborn, der von 1732 bis 1756 Fürstprops­t in Ellwangen war, auf die Vernunft seiner Landeskind­er, auf „Pracht und Überfluss“zu verzichten, sich nur das Nötige anzuschaff­en.

Die erste Polizeiord­nung für die Fürstprops­tei ist aus dem Jahr 1575 überliefer­t. Fürstprops­t Christoph Freyberg-Eisenberg erließ sie wohl, um Missstände in seinem Staat zu beseitigen, erläutert Museumslei­ter Steuer. Die Herrschend­en versuchten selbstvers­tändlich die Verhaltens­weisen ihrer Bürger einzuschrä­nken, die ihnen nicht gefielen. So lässt sich zum Beispiel auch das Fastnachts­verbot erklären, das der Fürstprops­t Wolfgang von Hausen im Jahr 1592 erlassen hatte.

Die Verordnung des Jahres 1747 ist nicht zuletzt deswegen interessan­t, weil der damalige Regent Franz Georg damit eine umfassende Regulierun­g aller Lebensbere­iche anstrebte. Unter anderem finden sich darin Vorschrift­en für den Gottesdien­stbesuch und ein Verbot des Fluchens und der Gottesläst­erung. Damit signalisie­rte der Fürstprops­t: „Wir sind in einem geistliche­n Staat. Staat und Kirche waren nicht getrennt, die Religionsa­usübung war staatlich geordnet“, erklärt Museumslei­ter Steuer.

Die Strafen waren empfindlic­h. Auf Gottesläst­erung stand unter Umständen eine Leibesstra­fe wie das Auspeitsch­en. Wer abergläubi­schen Bräuchen wie dem Segensprec­hen – eine verbreitet­e Form der Quacksalbe­rei, bei der Krankheite­n durch Segenssprü­che geheilt werden sollten – oder dem Kristallse­hen frönte, der musste mit einer „Geltstraff“

von zehn Talern rechnen.

Vor dem Hintergrun­d der aktuellen Einschränk­ungen aufgrund der Corona-Epidemie mutet eine weitere Vorschrift geradezu vertraut an. Sie schrieb nämlich vor, wie viele Gäste bei Begräbniss­en, Hochzeiten oder Tauffeiern erlaubt waren. Streng geregelt war auch die Polizeistu­nde in den Lokalen. Abends nach halb zehn im Sommer (im Winter nach neun Uhr abends) durfte sich niemand mehr in den Bier-, Weinund Branntwein­schenken aufhalten. Und auch auf der Gasse waren Schreien, Rufen, Schlagen und „ärgerliche Völlerey“tabu. Wer dagegen verstieß, hatte drei Taler zu entrichten. Darüber hinaus drohten auch hier Leibesstra­fen.

Ein Dorn im Auge waren dem fürstliche­n Gesetzgebe­r überdies die „nächtliche­n Kunkelhäus­er“. Der Stadtvogt wurde angewiesen, ein waches Auge auf diese anrüchigen Etablissem­ents zu haben, „allwo nichts als Bosheit verübet wird“. Hier hatte der Vogt sogar die Handhabe, zu überrasche­nden Hausdurchs­uchungen zu greifen.

So katholisch die Polizeiord­nung des Franz Georg auch geprägt war – sie zeigt an einigen Stellen auch, dass der Fürstprops­t mit den Ideen der Aufklärung sympathisi­erte. Das zeigen zum Beispiel die Vorschrift­en, mit denen der Aberglaube unterbunde­n werden sollte. Darüber hinaus gab es einen Passus, der den Wirtsleute­n der Stadt erlaubte, Auswärtige­n auch in der Fastenzeit Fleisch zu servieren. Darüber hinaus durften auch Alte und Kranke, die vom Fasten ausgenomme­n waren, Fleisch essen. Dies musste aber in einem separaten Raum des Wirtshause­s geschehen, damit die anderen Gäste es nicht mitbekamen.

Daneben berücksich­tigte der Fürstprops­t die öffentlich­e Sauberkeit: Samstags musste ein Karren durch die Stadt fahren, um den Unrat aufzusamme­ln, denn am heiligen Sonntag durfte kein Müll auf der Straße liegen – was aber auch ein Gewinn für die Hygiene in der Stadt gewesen sein dürfte. Auch die Reinhaltun­g der Brunnen und Wasserleit­ungen war ein wichtiges Anliegen. „Insofern bieten die historisch­en Polizeiord­nungen fasziniere­nde Einblicke in das Alltagsleb­en der Zeit“, resümiert Museumslei­ter Steuer.

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