Um halb zehn waren die Kneipen leer
So regulierten die Ellwanger Fürstpröpste das Leben ihrer Untertanen
- In der aktuellen Corona-Krise hat der Staat zu Verordnungen gegriffen, die stark in das Leben der Bürger eingreifen: Kinos werden geschlossen, die Öffnungszeiten von Gaststätten werden beschränkt, die Zahl der Gäste bei Hochzeiten und Trauerfeiern wird limitiert. Für die Menschen, die zu Zeiten der Fürstpröpste gelebt haben, waren derartige Eingriffe alles andere als ungewöhnlich.
Die Ellwanger Fürstpröpste liebten es, das Leben ihrer Untertanen bis ins Detail zu regeln. So warnte etwa die „Fürstlich Ellwangische Erneuerte und Verbesserte PoliceyOrdnung“aus dem Jahr 1747 vor „abzustellender Übermaß und Hoffart in Kleidungen“. Darin hieß es, dass die „ohnzuläßige kostspühlige Kleiderpracht“dergestalt einzureißen begann, dass man „zwischen Standsund obrigkeitlichen Personen“und „anderen geringen Bedienten und Bürgern“keinen Unterschied mehr wahrnehmen könne.
An dieser Vorschrift zeige sich das Standesdenken, das für das 18. Jahrhundert typisch gewesen sei, erläutert Matthias Steuer, der Leiter des Ellwanger Schlossmuseums. An der Kleidung sollte nicht zuletzt der Stand einer Person zu erkennen sein. Gleichzeitig trat hier auch die Fürsorgepflicht des barocken Fürsten zutage, der seine Untertanen ermahnte, sich nicht über Gebühr zu verschulden. Tatsächlich setzte Franz Georg von Schönborn, der von 1732 bis 1756 Fürstpropst in Ellwangen war, auf die Vernunft seiner Landeskinder, auf „Pracht und Überfluss“zu verzichten, sich nur das Nötige anzuschaffen.
Die erste Polizeiordnung für die Fürstpropstei ist aus dem Jahr 1575 überliefert. Fürstpropst Christoph Freyberg-Eisenberg erließ sie wohl, um Missstände in seinem Staat zu beseitigen, erläutert Museumsleiter Steuer. Die Herrschenden versuchten selbstverständlich die Verhaltensweisen ihrer Bürger einzuschränken, die ihnen nicht gefielen. So lässt sich zum Beispiel auch das Fastnachtsverbot erklären, das der Fürstpropst Wolfgang von Hausen im Jahr 1592 erlassen hatte.
Die Verordnung des Jahres 1747 ist nicht zuletzt deswegen interessant, weil der damalige Regent Franz Georg damit eine umfassende Regulierung aller Lebensbereiche anstrebte. Unter anderem finden sich darin Vorschriften für den Gottesdienstbesuch und ein Verbot des Fluchens und der Gotteslästerung. Damit signalisierte der Fürstpropst: „Wir sind in einem geistlichen Staat. Staat und Kirche waren nicht getrennt, die Religionsausübung war staatlich geordnet“, erklärt Museumsleiter Steuer.
Die Strafen waren empfindlich. Auf Gotteslästerung stand unter Umständen eine Leibesstrafe wie das Auspeitschen. Wer abergläubischen Bräuchen wie dem Segensprechen – eine verbreitete Form der Quacksalberei, bei der Krankheiten durch Segenssprüche geheilt werden sollten – oder dem Kristallsehen frönte, der musste mit einer „Geltstraff“
von zehn Talern rechnen.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Einschränkungen aufgrund der Corona-Epidemie mutet eine weitere Vorschrift geradezu vertraut an. Sie schrieb nämlich vor, wie viele Gäste bei Begräbnissen, Hochzeiten oder Tauffeiern erlaubt waren. Streng geregelt war auch die Polizeistunde in den Lokalen. Abends nach halb zehn im Sommer (im Winter nach neun Uhr abends) durfte sich niemand mehr in den Bier-, Weinund Branntweinschenken aufhalten. Und auch auf der Gasse waren Schreien, Rufen, Schlagen und „ärgerliche Völlerey“tabu. Wer dagegen verstieß, hatte drei Taler zu entrichten. Darüber hinaus drohten auch hier Leibesstrafen.
Ein Dorn im Auge waren dem fürstlichen Gesetzgeber überdies die „nächtlichen Kunkelhäuser“. Der Stadtvogt wurde angewiesen, ein waches Auge auf diese anrüchigen Etablissements zu haben, „allwo nichts als Bosheit verübet wird“. Hier hatte der Vogt sogar die Handhabe, zu überraschenden Hausdurchsuchungen zu greifen.
So katholisch die Polizeiordnung des Franz Georg auch geprägt war – sie zeigt an einigen Stellen auch, dass der Fürstpropst mit den Ideen der Aufklärung sympathisierte. Das zeigen zum Beispiel die Vorschriften, mit denen der Aberglaube unterbunden werden sollte. Darüber hinaus gab es einen Passus, der den Wirtsleuten der Stadt erlaubte, Auswärtigen auch in der Fastenzeit Fleisch zu servieren. Darüber hinaus durften auch Alte und Kranke, die vom Fasten ausgenommen waren, Fleisch essen. Dies musste aber in einem separaten Raum des Wirtshauses geschehen, damit die anderen Gäste es nicht mitbekamen.
Daneben berücksichtigte der Fürstpropst die öffentliche Sauberkeit: Samstags musste ein Karren durch die Stadt fahren, um den Unrat aufzusammeln, denn am heiligen Sonntag durfte kein Müll auf der Straße liegen – was aber auch ein Gewinn für die Hygiene in der Stadt gewesen sein dürfte. Auch die Reinhaltung der Brunnen und Wasserleitungen war ein wichtiges Anliegen. „Insofern bieten die historischen Polizeiordnungen faszinierende Einblicke in das Alltagsleben der Zeit“, resümiert Museumsleiter Steuer.