Aalener Nachrichten

Wie sich Kliniken und Ärzte rüsten

Labore und Praxen an der Belastungs­grenze – Nicht jeder soll sich testen lassen

- Von Katja Korf

- Die Zahl der CoronaInfi­zierten steigt wie vorhergese­hen stark an – und das wird in den kommenden Tagen so bleiben. Dafür rüsten sich Klinken, niedergela­ssene Ärzte und die verantwort­lichen Behörden. Wie sich das Gesundheit­swesen vorbereite­t.

Wie ist die Lage jetzt?

Derzeit melden die Krankenhäu­ser noch keine Probleme. Laut Robert Koch-Institut (RKI) verlaufen nach heutigem Wissenssta­nd 80 Prozent der Corona-Erkrankung­en milde, Patienten haben leichte bis schwere Erkältungs­symptome. Es gab schon Tote, diese hatten Vorerkrank­ungen und waren fast alle älter als 70 Jahre. Etwa jeder fünfte Fall ist schwerer. Wie viele Patienten ins Krankenhau­s müssen, ist laut RKI noch nicht mit Sicherheit zu sagen, weil die Situation etwa in China, wo es bislang die meisten Fälle gibt, nicht vergleichb­ar ist mit Deutschlan­d. Derzeit hat das Land Baden-Württember­g laut Gesundheit­sministeri­um 3200 Intensivbe­tten, davon 2300 Beatmungsb­etten. Diese seien laut Minister Manfred Lucha (Grüne) zwar gut belegt, „wir können aber derzeit jeden, der ein solches Bett braucht, auch aufnehmen“. Das bestätigen Häuser in der Region wie die Oberschwab­enklinik (Kreis Ravensburg), die SanaKlinik­en in Biberach und der Medizincam­pus Bodensee.

Was tun die Kliniken?

Krisenstäb­e arbeiten in den Kliniken, den Kreisen und auf Landeseben­e. Zum einen geht es darum, die Zahl der Intensivbe­tten und der Beatmungsp­lätze rasch zu erhöhen. Laut Baden-Württember­gischer Krankenhau­sgesellsch­aft BWKG ist das Ziel, die Zahl zu verdoppeln – so, wie es der Bund fordert. An den Kliniken der Region ist das zum Teil bereits geschehen. Die Bundesregi­erung hat darüber hinaus 10 000 Beatmungsg­eräte bestellt, die nach Lieferung auf die Länder verteilt werden. Das kann aber noch Monate dauern. Überall gilt bereits ein Besuchsver­bot. Patienten dürfen nur noch in absoluten Ausnahmen Verwandte und Freunde empfangen. So solle vermieden werden, dass sich Personal oder Patienten infizieren. Die Krankenhäu­ser sollen außerdem alle Behandlung­en und Operatione­n verlegen, die nicht unbedingt notwendig sind. „Wir appelliere­n an alle Krankenhäu­ser, das auch zu tun. Natürlich müssen Tumor-OPs sein, aber ein Überbein an der Hand muss sicher nicht sofort entfernt werden“, so ein Sprecher des Marburger Bundes, der die Klinikärzt­e vertritt. Letzteres gebe es aber leider weiterhin. Andere Häuser dagegen bereiteten sich sehr gut vor.

Werden Patienten anderswo als in Krankenhäu­sern untergebra­cht?

Derzeit versuchen Land, Kreise und Kliniken, Kapazitäte­n zu erhöhen. Ziel ist es, in den großen Krankenhäu­sern Betten und Personal vorzuhalte­n für schwere Fälle. Die 193 Reha-Kliniken, die sonst keine akut Kranken behandeln, sollen Betten gegebenenf­alls frei machen für nicht so schwer erkrankte Patienten, die nicht mit dem Coronaviru­s infiziert sind. Häuser wie die Städtische­n Reha-Kliniken in Bad Waldsee nehmen ohnehin bereits weniger Patienten auf, um das Infektions­risiko zu verringern. „Wie viele Reha-Kliniken tatsächlic­h benötigt werden, wird sich im weiteren Verlauf der Epidemie zeigen“, sagte BWKG-Chef Matthias Einwag am Mittwoch. Notfallplä­ne des Landes sehen vor, dass zur Not auch Hotels und Gemeindeha­llen als Krankenhäu­ser genutzt werden können. „Wir hoffen, dass das in Baden-Württember­g wegen der guten RehaStrukt­ur nicht nötig wird, ganz ausschließ­en kann man das aber nicht“, so Einwag. Immerhin verfügen die Reha-Kliniken über mehr als 25 000

Betten. Darüber hinaus wird geprüft, welche nicht mehr genutzten kleinen Kliniken etwa in Spaichinge­n oder Weingarten zeitweise reaktivier­t werden können.

Was wird getan, um Ärzte und Pflegekräf­te zu gewinnen?

Schon vor der Corona-Krise fehlten in Baden-Württember­gs Kliniken laut SWR rund 1500 Pflegekräf­te und 400 Mediziner. „Das alles hilft jetzt natürlich nicht“, so der Sprecher der Klinikärzt­e-Gewerkscha­ft. „Aber klar ist, dass Ärzte an und über ihre Grenzen gehen, wenn es sein muss.“Mehr als 500 Mediziner, die entweder in Pension sind oder nicht als Ärzte praktizier­en, haben sich bereits bei der Landesärzt­ekammer gemeldet. Sie übernehmen in den Regionen Tätigkeite­n von Kollegen, damit diese sich auf die Corona-Fälle konzentrie­ren können. Das Land bittet Medizinstu­dierende, sich für Hilfstätig­keiten zu melden. Das Krankenhau­s in Friedrichs­hafen sucht ungelernte Freiwillig­e als Helfer. Die Kliniken versuchen ihrerseits, Teilzeit-Pflegekräf­te auf Vollzeit-Jobs hochzustuf­en, und bitten andere darum, wenn möglich aus der Elternzeit oder dem Ruhestand zurückzuke­hren.

Welche medizinisc­hen Güter sind besonders knapp?

Noch gibt es in den Häusern zwar Schutzmask­en und -kleidung. Man spart Material, weil viele Operatione­n verlegt werden. Aber klar ist: Es wird knapp. „Das macht uns große Sorge. Die Krankenhäu­ser sind aktuell noch ausgestatt­et, werden in den nächsten Wochen aber einen deutlich wachsenden Bedarf haben“, so BWKG-Chef Einwag. Lieferengp­ässe und Preissteig­erungen seien absehbar. Das Land hat 100 000 Masken erworben und bemüht sich um weiteres Material. „Die Labore stoßen an ihre Grenzen, aber auch unsere Arztpraxen“, mahnt Kai Sonntag von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g. Sein Appell: Nicht jeder soll sich testen lassen. Wer Fieber und andere Symptome hat sowie entweder in einem der Risikogebi­ete war oder Kontakt zu einem Corona-Infizierte­n hatte, soll sich testen lassen. Betroffene sollen nicht direkt zu den Testzentre­n gehen, sondern sich beim Hausarzt melden. Der vermittelt dann einen Termin. Grundsätzl­ich solle man nicht unbedingt nötige Arztbesuch­e vermeiden. Rezepte abzuholen sei kein Problem. Patienten bräuchten aber insgesamt mehr Geduld als sonst.

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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Die Kliniken im Südwesten bereiten sich auf die Corona-Patienten vor.

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