60 Kilometer Stau
Nach der Schließung der Grenzen kommt es an einigen Übergängen zu Chaos – Österreich kündigt Kontrollen zu Deutschland an
Von Stefan Kegel und Agenturen
- Zehn europäische Länder haben derzeit wegen der Ausbreitung des Coronavirus ihre Grenzen ganz oder teilweise geschlossen – darunter auch Deutschland. Über die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme gehen die Meinungen allerdings auseinander.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will so ein weiteres Einschleppen des Virus aufhalten. Bereits am Sonntag deutete er an, dass es im Schengener Grenzkodex zwar eine Rechtsgrundlage für Kontrollen gebe, dass er aber im Zweifelsfall auch ohne sie handeln würde. Am Mittwochabend bekräftigte er: „Es ist absurd, den Menschen in Deutschland einen Kinobesuch zu verwehren, aber gleichzeitig Einreisen aus Risikoregionen innerhalb und außerhalb der EU zuzulassen.“Demnach gelte, dass ab sofort nur noch Deutsche oder Reisende mit „einem dringenden Reisegrund“
per Flugzeug oder Schiff aus Österreich, Spanien, Italien, der Schweiz, Luxemburg und Dänemark nach Deutschland kommen dürfen.
Dabei heißt es im nationalen deutschen Pandemieplan: „Von Grenzschließungen wird abgeraten.“Sie seien aufwendig und ineffektiv. Auch EU-Kommissionssprecher Eric Mamer warnte, dass dies „nicht notwendigerweise der beste Weg ist, um sicherzustellen, dass wir den weiteren Ausbruch innerhalb der Europäischen Union eindämmen können“. Das Virus sei schon da.
Warum wurden die Kontrollen dann angeordnet? Solche Schritte müssten manchmal ergriffen werden, „um der Bevölkerung klarzumachen, dass wir es nicht mit einem kleinen
Schnupfen zu tun haben“, erklärte der Präsident des Weltärztebundes, Frank-Ulrich Montgomery. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) betonte, es gehe auch darum, Leute draußen zu halten, „die aus dem nicht europäischen Ausland kommen, um in den Anwendungsbereich eines besseren Gesundheitswesens zu kommen“. An den Grenzen wurden laut Innenministerium in zwei Tagen rund 21 000 Ausländer zurückgewiesen.
Ungeachtet des neuen weitreichenden Einreiseverbots für fast alle Nicht-EU-Bürger hat sich die Lage an einigen Grenzen verschärft. Am Mittwoch standen Pkw und Laster in Staus von bis zu 60 Kilometer Länge, vor allem wegen der polnischen Kontrollen. Am Abend waren vier Grenzübergänge nach Polen wieder geöffnet.
Auch die Lage an der österreichisch-ungarischen Grenze verschärfte sich. Am Übergang Nickelsdorf staute sich der Verkehr auf österreichischer Seite auf bis zu 50 Kilometer, sagte ein Sprecher der Landesregierung des Burgenlandes. Am Mittwochabend kündigte Österreich an, ab dem heutigen Donnerstag die Grenze nach Deutschland kontrollieren zu wollen. Das teilte ein Sprecher des österreichischen Innenministeriums in Wien mit. Er bestätigte der österreichischen Nachrichtenagentur APA, dass kleinere Übergänge geschlossen werden sollten.
Priorität hat für EU und Bundesregierung die Aufrechterhaltung des Warenverkehrs. Deshalb legt die Bundespolizei an den Grenzen zu Österreich, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark nach eigenen Angaben Wert auf eine flüssige Abfertigung. Die 212 000 Pendler, die jeden Tag mit einer Ausnahmegenehmigung nach Deutschland fahren, werden durchgewinkt. Um die Durchfahrt von Lkw zu beschleunigen, wird über spezielle Fahrtspuren nachgedacht.