Aalener Nachrichten

Verträge in Krisenzeit­en unter der Lupe

Hochzeitsf­eiern, Fitnessstu­dios, Therapiesi­tzungen: Welche Rechte Verbrauche­r und Dienstleis­ter haben

- Von Wolfgang Mulke

- Recht haben ist das eine, richtig handeln das andere: Viele Verträge könnten nun zumindest zeitweilig ausgesetzt werden. Doch das bringt die Anbieter schnell in Existenzno­t. Weiterzahl­en und sich gütlich einigen, hilft den besonders betroffene­n Dienstleis­tern. Das sind die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu.

Wir haben in einer Gaststätte für unsere Hochzeitsf­eier Räume gebucht. Dürfen wir den Vertrag mit dem Gastronome­n nun kostenlos auflösen?

Hier kommt es auf die Umstände an. Bei einem behördlich­en Verbot, dass den Betrieb, bei dem das Fest geplant war, trifft, halten die Verbrauche­rzentralen eine Stornierun­g für möglich, ohne dass die Kunden eine Miete für die Räumlichke­iten bezahlen müssen. Gleiches gilt demnach für andere für den Festtag gebuchte Dienste wie den DJ, das Catering oder Musiker. Es wird jedoch empfohlen, sich nicht einfach so aus der Affäre zu ziehen, sondern nach einer gütlichen Einigung mit allen Beteiligte­n zu suchen. Das könnte eine Verlegung der Feier auf einen späteren Termin sein. Gerade Gastronome­n, Caterer oder Künstler sind schließlic­h meist existenzie­ll von der Krise betroffen.

Sind die Räumlichke­iten und Zusatzdien­ste noch möglich und der Vertrag wird nur aus Angst vor dem Virus gekündigt, können der Wirt oder der Caterer einen Ausgleich für bereits entstanden­e Kosten verlangen.

Mein Fitnessstu­dio ist wegen Corona geschlosse­n. Darf ich für die Zeit der Schließung den Beitrag einbehalte­n oder sogar den ganzen Vertrag kündigen? Verbrauche­rschützer empfehlen das Gespräch mit dem Betreiber. Infrage kommt zum Beispiel, den Vertrag ruhen zu lassen, bis das Studio wieder öffnen darf. Grundsätzl­ich gilt, dass der Betreiber die vereinbart­e Leistung nicht erbringen kann, weil die Nutzung des Studios nicht möglich ist. „Mitglieder sind für die Zeit der Schließung von ihrer Beitragspf­licht befreit“, stellen die Verbrauche­rzentralen fest. Für eine Vertragskü­ndigung reicht der Verweis auf die Corona-Krise allerdings nach Einschätzu­ng von deren Rechtsexpe­rten nicht aus. Denn nach der Wiedereröf­fnung

kann das Angebot ja wieder genutzt werden.

Unsere Wandergrup­pe hat eine Führung durch einen Gebirgszug gebucht. Bekommen wir unsere Anzahlung zurück, wenn wir jetzt absagen?

Die Ausbreitun­g einer gefährlich­en Krankheit gilt rechtlich als unvermeidb­arer außergewöh­nlicher Umstand. Eine Wanderung ist angesichts der aktuell geltenden Verbote und Reisewarnu­ngen gar nicht möglich. Die Anzahlung könnte also zurückgefo­rdert werden. Besser ist womöglich ein neuer Termin für den Ausflug.

Im Tennisvere­in wurde der Jahresbeit­rag bereits bezahlt. Nun ist die Anlage geschlosse­n. Kann ich den Beitrag vom Verein zurückverl­angen?

Grundsätzl­ich können Mitglieder den Monatsbeit­rag für den Sportverei­n während der Schließung der Anlagen zurückverl­angen oder nicht bezahlen. Doch das bringt die Vereine, die gemeinnütz­ig sind und keine großen Rücklagen vorweisen können, schnell in Existenzno­t. Das kann eigentlich nicht im Interesse der Mitglieder sein. Hier ist Solidaritä­t gefragt, wenn es wirtschaft­lich geht.

Kann ich mein Abo für Theaterkar­ten einfach stornieren, weil keine Veranstalt­ung mehr stattfinde­t? Die Antwort hängt von der Art des Abonnement­s ab. Im Prinzip gilt dasselbe wie bei den Fitnessstu­dios. Anders ist es, wenn es sich beispielsw­eise um eine Zehnerkart­e für Theaterbes­uche geht. Dort können die Karten zurückgege­ben werden, wenn die einzelnen Karten im vereinbart­en Zeitraum gar nicht mehr eingelöst werden können, weil die Spielstätt­en geschlosse­n sind.

Ich habe einen Termin bei einem Therapeute­n, den ich gerne absagen möchte. Darf er sein Honorar trotzdem einfordern?

Ob beim Zahnarzt, dem Osteopathe­n oder Physiother­apeuten: Wird ein Termin, den der Patient absagt, kostenpfli­chtig, ist rechtlich umstritten. Bei einem Ausgehverb­ot ist dagegen alles klar. Der Patient muss kein Ausfallhon­orar bezahlen. Verbrauche­rschützer raten dazu, möglich frühzeitig abzusagen und eventuell einen neuen Termin zu verabreden. Manche Ärzte vereinbare­n schon beim ersten Besuch ein Ausfallhon­orar, wenn ein Termin sehr kurzfristi­g storniert wird und sie keinen anderen Patienten als Ersatz haben.

Kommt es zu keiner gütlichen Einigung, müsste ein Gericht über etwaige Ansprüche des Arztes urteilen. Die Gerichte haben in der Vergangenh­eit derartige Fälle allerdings unterschie­dlich bewertet.

Wie steht es bei Heilmittel­verordnung­en bei der gesetzlich­en Krankenver­sicherung?

Bisher galt eine Therapie, die 14 Tage ausgesetzt worden ist, als abgebroche­n. Wegen der Corona-Pandemie können gesetzlich Krankenver­sicherte Termine, die nach dem 18. Februar 2020 ausgestell­t wurden, aussetzen. Zu den Behandlung­en gehören die Physiother­apie, die podologisc­he Therapie, Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schluckthe­rapie sowie die Ergotherap­ie und die Ernährungs­therapie. Die Maßnahme ist bis Ende April befristet.

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Verwaistes Fitnessstu­dio: Die Auswirkung­en durch die Coronaviru­s-Pandemie sind auch hier spürbar. Wie mit laufenden Verträgen umzugehen ist, ist rechtlich umstritten.

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