Aalens Kulturgut-Puzzle mit 10 000 Teilen
Die Orgel aus der ehemaligen Markuskirche wird in den Kulturbahnhof gebracht
- Vier Orgelbauer sind aktuell damit beschäftigt, die Orgel aus der ehemaligen Markuskirche in Aalen abzubauen. 21 Register, 1450 Pfeifen und mehr als 10 000 Teile: Der Umzug des Musikinstruments bedarf eines sauberen Arbeitsablaufs und in gewisser Weise auch der Liebe am Puzzeln.
Thomas Haller bekommt große Augen, als er das Gebäude der ehemaligen Markuskirche in Aalen betritt. Auf dem Steinboden liegen bereits zahlreiche Teile der abzubauenden Orgel herum. Vier Arbeiter reichen eine Orgelpfeife nach der anderen an einem Gerüst herunter.
„Wenn die Orgel komplett abgebaut ist, liegt hier der ganze Boden voll“, sagt Haller. Der Orgelsachverständige der evangelischen Landeskirche in Württemberg setzt sich seit
Jahren für die Weiterverwendung der Musikinstrumente von geschlossenen Gotteshäusern ein.
Für ihn sei es wichtig gewesen, dass nicht nur die Orgel der Markuskirche in Aalen bleibt, sondern auch die der ebenfalls geschlossenen Martinskirche. Deren Orgel wurde bereits in das katholische Kirchenhaus St. Peter und Paul transloziert. Die der Markuskirche wird jetzt in den Kulturbahnhof gebracht.
„Das sind Kunstobjekte, die einer weiteren Verwendung bedürfen“, unterstreicht Haller. Diese könne sich wie im Fall der Orgel aus der Markuskirche auch ändern. „Der Kulturbahnhof ist eine wunderbare neue Heimat für dieses Instrument“, sagt der Sachverständige.
„Das ist ein Alleinstellungsmerkmal: Welche Stadt hat schon einen Festsaal mit einer Orgel?“, fragt Haller. Veranstaltungen im Juli und Oktober
sollen zeigen, dass der Umzug des Instruments in den Kulturbahnhof eine gute Idee ist.
Hallers Argument: „Die Elbphilharmonie hat auch eine Orgel.“Der Bedarf komme mit dem Angebot. Der Kirchenmusikdirektor stellt sich bereits Stummfilme mit Orgelbegleitung im Kulturbahnhof vor. Und das ist nur eines von vielen Beispielen, das er parat hat.
Der Umzug soll rund 30 Tage dauern. Für die Orgel wurde im Kulturbahnhof extra eine Empore eingezogen. Später soll sie dadurch über dem Festsaal thronen. Nach dem Umzug, den vier Mitarbeiter der Firma Krauter und Teichmann übernehmen, stehen weitere vier Wochen Arbeit an.
Jede einzelne der 1450 Pfeifen muss klanglich ganz exakt an den neuen Raum angepasst werden. Diese Aufgabe übernimmt Tilman
Trefz. „Er ist der erfahrenste Klangmagier, den wir im Land haben“, schwärmt Haller.
Die Kosten für den Umzug der Orgel übernimmt die Wilfried-PalmStiftung komplett. Laut Haller soll sie im niedrigen sechsstelligen Bereich liegen. Damit ist der Umzug billiger als eine Neuanschaffung. „Eine Orgel dieser Größe würde wahrscheinlich rund 400 000 Euro kosten“, sagt Haller.
Auch die Kosten für den Bau der Empore im Kulturbahnhof übernimmt die Stiftung. „Es ist der Stadt Aalen und der Palmstiftung nicht hoch genug anzurechnen, dass sie dieses Anliegen ernst genommen haben“, bekräftigt Haller, der zudem betont: „45 Jahre sind für eine Orgel kein Alter und so ein großes Instrument ist einfach zu schade, um von einem Bagger weggevespert zu werden.“