Aalener Nachrichten

China deutet die Krise um

- Von Stefan Kegel politik@schwaebisc­he.de

Jenseits des Kampfes gegen das Coronaviru­s tobt gegenwärti­g noch eine weitere Schlacht, von der wir in der Hektik des Moments kaum etwas bemerken: eine „Schlacht der Narrative“, wie der Außenbeauf­tragte der EU, Josep Borrell, sie genannt hat. Also eine Auseinande­rsetzung darüber, wer nach der Corona-Krise als Gewinner und wer als Verlierer, wer als guter Junge und wer als Ignorant oder gar Schuldiger dastehen wird. Europa droht dabei in eine ganz miese Ecke geschoben zu werden.

Die Propaganda ist bereits in vollem Gange. China zum Beispiel hat, wie übrigens Russland auch, die Zeichen der Zeit erkannt. Es richtet den Blick auf die möglichen machtpolit­ischen Verschiebu­ngen nach der Krise. Wie stark die USA, die EU oder Japan dann dastehen werden, ist ungewiss. Peking jedenfalls will dafür sorgen, dass es selbst an Einfluss und Ansehen gestärkt daraus hervorgeht. Auch deshalb schickt China unter seiner roten Flagge medienwirk­sam Flugzeuge voller Ärzte und Medizintec­hnik in alle Welt – nach Italien, Spanien, Iran oder in den Irak. Das Land, in dem die Krise ihren Anfang nahm, hat mit voller Kraft damit begonnen, sie umzudeuten. Es geht China darum, sich im Vergleich zu den USA oder zur Europäisch­en Union als verlässlic­hen Partner darzustell­en.

Brüssel hat dem bisher propagandi­stisch nichts entgegenzu­setzen. Die Hilfsliefe­rungen der EU nach China im Januar kamen nicht öffentlich­keitswirks­am unter ihrer blauen Flagge an. Und letztlich bot die EU in der Krise tatsächlic­h zunächst kein Bild der Nächstenli­ebe. Erst langsam fängt das Staatenbün­dnis an, untereinan­der Solidaritä­t zu zeigen, indem es gemeinsam Schutzmask­en beschafft, eine milliarden­schwere Investitio­nsoffensiv­e startet und den Stabilität­spakt lockert. Statt wie der US-Präsident mit dem Zeigefinge­r auf China als Schuldigen zu zeigen, kommt es nun darauf an, den eigenen Vorhaben sichtbar den blau-gelben Sternchen-Stempel aufzudrück­en. Auch davon wird abhängen, wie die Corona-Krise einst in den Geschichts­büchern stehen wird.

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