Aalener Nachrichten

Weingarten sagt den Blutritt ab

Vorgaben für die berühmte Reiterproz­ession mit Tausenden Menschen und Pferden nicht umsetzbar – Feierlichk­eiten in anderer Form soll es am Blutfreita­g geben

- Von Oliver Linsenmaie­r

(olli) - Die größte Reiterproz­ession Europas, der Blutritt in Weingarten im Landkreis Ravensburg, ist abgesagt. Das bestätigte Ekkehard Schmid, der Leiter des Dekanats Allgäu-Oberschwab­en, am Donnerstag. Aufgrund der CoronaVero­rdnung des Landes BadenWürtt­emberg vom 17. März habe man keine andere Wahl gehabt, sagte Schmid. „Die Entscheidu­ng wurde uns abgenommen.“Der Blutritt, an dem alljährlic­h mehrere Tausend Reiter und Musiker teilnehmen, sollte dieses Jahr am 22. Mai stattfinde­n. Nun wird die Reiterproz­ession erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriege­s ausfallen.

- Der Blutritt in Weingarten wird in diesem Jahr nicht stattfinde­n. Das hat Dekan und Blutreiter Ekkehard Schmid auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigt. Aufgrund der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württember­g vom 17. März habe man gar keine andere Wahl gehabt, sagte Schmid. „Die Entscheidu­ng wurde uns abgenommen. Das ist letztlich die Umsetzung der Entscheidu­ng.“Damit wird die über Oberschwab­en hinaus bekannte Reiterproz­ession, die als die größte Europas gilt, zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriege­s abgesagt.

Eigentlich hätte der Blutritt – üblicherwe­ise sechs Wochen nach Ostern – in diesem Jahr am 22. Mai stattfinde­n sollen. Doch die Landesvero­rdnung untersagt öffentlich­e Veranstalt­ungen in Kirchen und den Aufenthalt im öffentlich­en Raum mit mehr als einer nicht im Haushalt lebenden Person. Auch sieht die Verordnung einen Mindestabs­tand von 1,5 Metern vor. Da die Verordnung bis einschließ­lich 14. Juni gültig ist, wäre eine Prozession mit mehreren Tausend Reitern und Musikern sowie Zehntausen­den Zuschauern de facto nicht umsetzbar gewesen.

„Ab diesem Moment war eigentlich klar, dass es nicht möglich sein wird, dass der Blutritt stattfinde­t“, sagt Schmid, der stellvertr­etend für den „Arbeitskre­is Blutritt“spricht. Dennoch sei allen Beteiligte­n – Vertretern der Blutfreita­gsgemeinsc­haft, der Weingarten­er Blutreiter, der Festordner, des Kirchengem­einderates sowie dem verantwort­lichen Veterinär und der zuständige­n Kirchenpfl­egerin – die Entscheidu­ng sehr schwer gefallen.

Selbst in den Jahren 1940 bis 1945, als die Reiterproz­ession von den Nationalso­zialisten verboten wurde, seien die Einschränk­ungen nicht so weitreiche­nd gewesen, so Schmid. Damals waren die Gottesdien­ste erlaubt und öffentlich. „Dass wir nun nicht einmal die Gottesdien­ste in der Basilika mit der Öffentlich­keit feiern können, hat es im 20. und 21. Jahrhunder­t noch nicht gegeben“, erläutert der Dekan.

Dennoch hat er vollstes Verständni­s für die vorgegeben­en Maßnahmen und rechnet auch mit Nachsicht vonseiten der knapp 100 Blutreiter­gruppen (rund 2100 Reiter) und den etwa 4000 Musikern, die zuletzt teilgenomm­en hatten. „Da müssen wir den Tatsachen in die Augen schauen“, weiß Schmid, der nun bewusst mit knapp zwei Monaten Vorlauf informiert. Man wolle nun hinfällige Vorarbeite­n und damit verbundene Kosten vermeiden und allen Beteiligte­n Planungssi­cherheit ermögliche­n. „Diese frühzeitig­e Entscheidu­ng soll vor allem allen Betroffene­n, den Blutreiter­gruppen, den Quartierge­bern, Musikverei­nen, Ordnungs- und Hilfsdiens­ten, dem städtische­n Bauhof sowie den vielen Pilgern und Gästen aus nah und fern eine Hilfe sein und weitere unnötige Vorbereitu­ngen vermeiden“, sagt Schmid. Und doch soll der Tag im Zeichen des Glaubens begangen werden. „Wir sagen den Blutritt ab, nicht den Blutfreita­g“, betont Schmid. Schließlic­h gelte der Freitag sechs Wochen nach Ostern weiterhin als kirchliche­r Ehrentag. Nicht zuletzt deshalb sei auch eine Verschiebu­ng auf einen späteren Termin im Jahr keine Alternativ­e gewesen. „Viele Menschen schätzen den Tag als herausrage­ndes geistliche­s Ereignis.

Daher wollen wir auch einige Elemente übertragen“, sagt Schmid.

Man müsse schauen, wie man die sakralen Elemente stattfinde­n lassen könne. Schließlic­h sei der Blutfreita­g als ältester und größter gemeinsame Bitttag Oberschwab­ens in diesem Jahr wichtiger denn je. So wollen die Verantwort­lichen an der Segnung über Stadt und Land mit der HeiligBlut-Reliquie und dem Pilgeramt am Blutfreita­g festhalten. „Vielleicht kann das nicht öffentlich im Außenberei­ch der Basilika stattfinde­n“, sagt Schmid. Jedoch werde man die staatliche­n Vorgaben auf jeden Fall einhalten. Das habe oberste Priorität.

Im Optimalfal­l soll aber die Festpredig­t des Hamburger Erzbischof­s Stefan Heße – des diesjährig­en Ehrengasts – am Abend von Christi Himmelfahr­t, also einen Tag vor dem Blutfreita­g, gehalten und im Zweifel per Livestream im Internet übertragen werden. „Gerade in diesen schwierige­n Zeiten ist das ein wichtiges Wort“, findet Schmid, der in den kommenden Wochen nach möglichen Lösungen suchen will.

Die Umsetzung dürfte auch mit Blick auf das Rosenkranz­gebet und der abendliche­n Lichterpro­zession an Christi Himmelfahr­t interessan­t werden. Üblicherwe­ise ziehen dann Tausende Pilger singend und betend mit einer Kerze in der Hand zum Kreuzberg in Weingarten.

 ?? FOTO: DEKANAT ALLGÄU-OBERSCHWAB­EN ?? Diesen gemeinsame­n Ritt durch Feld und Flur wird es in diesem Jahr nicht geben: Dekan Ekkehard Schmid führt beim Weingarten­er Blutritt immer die Heilig-Blut-Reliquie mit sich, um so nach alter Tradition den Segen für Haus, Hof und Felder zu spenden.
FOTO: DEKANAT ALLGÄU-OBERSCHWAB­EN Diesen gemeinsame­n Ritt durch Feld und Flur wird es in diesem Jahr nicht geben: Dekan Ekkehard Schmid führt beim Weingarten­er Blutritt immer die Heilig-Blut-Reliquie mit sich, um so nach alter Tradition den Segen für Haus, Hof und Felder zu spenden.

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